Freitag, 26. August 2022

Fest in der Hand des Kapitals

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und Kapital will Gewinn

Gewinn gibt es nicht 

durch Gesundheit



In der ZEIT ist heute, 25.8.22 (S. 15 ff.) ein bemerkenswertes Dossier von Caterina Lobenstein unter der Überschrift „Die Krankenindustrie“ erschienen. Darin wird das Fallpauschalensystem auseinandergenommen. (3/3)

Während defizitäre Fachbereiche wie die Kinderheilkunde vielerorts geschlossen werden, herrscht in lukrativen Abteilungen oft Überversorgung. Nicht nur auf orthopädischen Stationen, auch in der Kardiologie. Auch dort werden Eingriffe angeboten, die gut standardisierbar sind. Mit den Herzkathetern verhält es sich wie mit den künstlichen Knien: Sie sind nicht immer nötig. Aber sie rechnen sich.

Bis in die Siebzigerjahre hinein war es Deutschlands Krankenhäusern verboten, Gewinn zu machen, sie wurden von Kommunen, Kirchen oder gemeinnützigen Trägern geführt. Wenn sie Überschüsse erwirtschafteten, mussten sie diese zurückzahlen. Verluste bekamen sie ausgeglichen. Per Gesetz waren sie angehalten, sparsam zu wirtschaften. Heute gibt es kein Gewinnverbot mehr. Deutschlandweit sind knapp 40 Prozent der Kliniken in der Hand von gewinnnotierten Unternehmen, darunter börsennotierte Konzerne, die mitunter zweistellige Renditen erzielen.

Besonders gute Geschäfte machen Kliniken, die sich nicht um die allgemeine Patientenversorgung kümmern, sondern um besonders gewinnversprechende Kranke. Für Patienten, die tatsächliche ein neues Kniegelenk oder eine Herzkatherterbehandlungh brauchen, sind solche Spezialkliniken ein Segen, denn sie beschäftigen erfahrene Profis, die wenig anderes tun, als Knie zu operieren oder Herzhkatheter zu legen. Für die Krankenhäuser, die sich auch um weniger lukrative Patienten kümmern, sind sie ein Problem.

Während die Spezialkliniken ihre Auslastung immer weiter optimieren können, bleibt für die Allgemeinkliniken das schlecht planbare und oft wenig ertragreiche Tagesgeschäft übrig. Entscheidend ist im System der Fallpauschalen nicht der Bedarf. Entscheidend ist der Erlös.

Dort, wo sich Geld verdienen lässt, wird aufgestockt, sagt Markus Lerch. Dort, wo die Behandlung nicht kostendeckend ist, werden Abteilungen geschlossen.

Es ist hilfreich, sich in die Geschäftsführer der Krankenhäuser hineinzuversetzen. Sie müssen dafür sorgen, dass die Bilanzen stimmen. Im System der Fallpauschalen geht das am besten, wenn man eine einfache Regel beherzigt: Möglichst viele Fälle bei möglichst wenig Personal. Während die Zahl der Pflegekräfte sank, stieg die Zahl der behandelten Fälle. Zugleich haben Ärzte und Pflegekräfte nun deutlich mehr Schreibarbeit zu leisten. In der Welt der Fallpauschalen muss der Behandlungsverlauf akribisch dokumentiert werde; nur was schriftlich erfasst wird, lässt sich auch abrechnen.

Im Jahr 2020 zogen Wissenschaftler um den Gesundheitsökonomen Jonas Schreyögg eine Bilanz des DRG-Systems: Dass die pauschale Vergütung den Betrieb der Krankenhäuser effizienter gemacht habe, lasse sich nicht belegen, schreiben sie. Tatsächlich sind die Klinikkosten seit der Einführung der Pauschalen sogar gestiegen.

In keinem anderen Land, sagt der Gesundheitsökonom Jonas Schreyögg, habe die pauschale Vergütung einen derart hohen Anteil an der Gesamtfinanzierung der Krankenhäuser wie in Deutschland.

Diabetes kann zu schlimmen Geschwüren an den Füßen führen; jedes Jahr wird deshalb in Deutschland etwa 40.000 Diabetikern der Fuß abgenommen. Mehr als nötig, glaubt die Deutsche Diabetes Gesellschaft.

„Wir haben große Sorge, dass zu viel amputiert wird“,  sagt deren Sprecher, der Tübinger Medizinprofessor Baptist Gallwitz. Das Protestbündnis „Krankenhaus statt Fabrik“ hält die Sorge für begründet. In einer Beispielrechnung hat das Bündnis ermittelt, wie viel Geld die Kassen für die Amputation eines Fußes zahlen: 10.678 Euro. Die sehr aufwändige und kostspielige fußerhaltende Therapie bringt hingegen nur 2576 Euro. Das Deutsche Ärzteblatt schrieb, die Amputationsrate in Deutschland sei ein „Desaster“. Theoretisch sei der Erhalt von Gliedmaßen in vielen Fällen möglich. Aber in der Praxis rechne er sich nicht.>> (->1/3) (->2/3)


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