„Na, würdest Du heute wieder hämmern?“, frage ich ihn. Manchmal antwortet er mir. Meistens schaut er mir aber nur streng über die Schulter. Aber so um den Reformationstag ist er meistens gesprächiger. So nutze ich die Chance nachzufragen, ob er, Martin Luther, wieder den Hammer schwingen und seine Thesen an die Schlosskirche in Wittenberg nageln würde. Nachdenklich schaut er mich aus dem Bilderrahmen, der in meinem Büro hängt, an und nickt. „Ja, ich würde wieder hämmern, aber neue Thesen!“
„Hast Du die Thesen damals selbst wirklich an die Kirchentür genagelt?“, will ich wissen. „Du hast Fragen, das ist nun fast 500 Jahre her. Und ist auch nicht so wichtig. Die Thesen habe ich auf jeden Fall geschrieben, das weiß ich noch ganz genau! Ich hatte mich derart über den Ablasshandel geärgert. Als könnte man sich Gottes Zuneigung kaufen. Und dann baut man sich zur eigenen Selbstverherrlichung Kirchenpaläste. Davon hat Gott nun wirklich nichts. Wie kann man Menschen nur so auf den Arm nehmen, - ihnen mit der Hölle drohen, den Himmel versprechen und dann in die Taschen greifen.“ „Da hast Du Recht, Martin“, pflichte ich ihm bei.
„Das war so ärgerlich. Dieser Streit hat dann zur Kirchenspaltung geführt, was ich wirklich nicht wollte. Der Papst war ein sturer Hund, absolut beratungsresistent. Wenige Jahre später haben sie im Konzil von Trient Schluss mit dem Handel gemacht. Ich hatte also Recht!“, knurrt er.
„Und wie gefällt dir der heutige Papst?“ „Na, besser als sein damaliger Kollege Leo X. Aber er macht den gleichen Fehler, er grenzt aus, erklärt den Protestanten, dass sie keine Kirche seien. Das muss auch wieder korrigiert werden. Und außerdem hat er den Kirchenbann gegen mich immer noch nicht zurückgenommen, - das nehme ich ihm persönlich übel. Den komischen Bruder Williams von den Pius Brüdern die Hand reichen, - und mich weiterhin als Verbrecher in der Kartei führen …“, grollt Luther.
„Und wie gefällt Dir unsere Kirche!“ „Dass die Kirche nach mir benannt wird, hatte ich nicht gewollt. Ich mag keinen Personenkult. Ich wollte auch nicht, dass Standbilder von mir aufgestellt werden, so wie in Dresden. Da sch… einem laufend die Tauben auf den Kopf. Das ist grauenhaft! Schließlich geht es um Gott und nicht um mich. Er steht im Mittelpunkt. Auf ihn müsst ihr schauen und bauen!“
„Was sagst Du zur Ökumene?“ „Oh jeh, ein Trauerspiel im Rückwärtsgang. Es ist wie früher. Oben wird gebremst. Schlaumeier machen sich wichtig und deuteln Probleme und schieben alles auf die lange Bank, - im Volk, an der Basis, klappt es. Hier geht man mit Respekt um, weiß, dass uns viel mehr verbindet als uns jemals trennen könnte. Man sollte diese Ökumenebremser alle einsperren, bis alles geklärt ist, - und erst dann wieder rauslassen! Schluss mit der „Kuschelökumene“, nach fast 500 Jahre müssen auch mal die dicken Bretter gebohrt werden. Aber die schreiben laufend dicke Bücher über Gott und die Welt, - und die Menschen draußen werden vergessen …“, brummt er.
„Und wie gefällt Dir unsere neue EKD-Ratsvorsitzende, die Margot Käßmann?“ „Frauen im Pfarramt hätte ich mir damals nicht träumen lassen. Und gar als Bischöfin, das hat mich überrascht, ist aber richtig! Das Priestertum aller Gläubigen ist für alle Gläubigen, also auch für Frauen.
Seit ihrer Wahl in dieses hohe Amt und Merkels Wiederwahl ist auch meine Frau Katharina noch selbstbewusster geworden. Gestern musste ich mir selbst mein Bier holen. Aber die Käßmann hat ein Gespür für Menschen und ihre Nöte, das braucht die Kirche.“
„Was müsste man verbessern?“ „Ich bin schockiert, wie wenig Menschen sich in der Bibel auskennen. Die suchen doch wirklich den Osterhasen im Alten Testament. Dabei ist es heute doch so einfach, eine Bibel zu bekommen. Ich hatte mir so viel Mühe gegeben, das Wort Gottes verständlich zu übersetzten!“
„Und noch ‚was?“ „Ja, ich muss noch etwas reformieren, da ist noch viel zu tun! Und ich suche immer noch den Hammer von damals. Wo hab’ ich den nur hingetan?“
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