Sonntag, 20. Dezember 2015

Ein Geschenk blieb übrig

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Ein Geschenk blieb übrig


Jener 24. Dezember, den ich wohl nie vergessen werde, war ein grauer, ungemütlicher und kalter Samstag. Nachdem ein eisiger Ostwind schon den ganzen Tag über dunkle Wolken vor sich hergetrieben hatte, begann es am Nachmittag zuerst unangenehm zu nieseln und dann kräftig zu regnen. Wer nicht unbedingt draußen unterwegs sein musste, verkroch sich in eine warme Ecke, genehmigte sich eine gute Tasse Tee und ließ es sich bei Plätzchen und Weihnachtsmusik gut gehen. Meine Schwester und ich saßen auf der breiten Fensterbank, sahen durch das beschlagene Fenster in den trüben Nachmittag hinaus und bastelten. Große Kiefernzapfen verwandelte sich durch weißen Zuckerguss und bunter Schokoplätzchen in wunderschöne, dick verschneite Tannenbäume. Eine ganze Reihe dieser Kunstwerke hatten wir schon fertig. Ein einziges war übrig geblieben. Wir hatten niemanden mehr zu beschenken und stellten es deshalb erst einmal zur Seite. 



Dem Herzen schenken


Jetzt war es schon später Nachmittag. Zum Abendessen hatten wir noch etwas Zeit, und jeder von uns hing seinen Gedanken nach. Plötzlich sprang meine Schwester mit einem energischen Satz vom Fensterbrett. „Ich weiß, für wen der letzte Weihnachtsbaum ist!“ Ich war gespannt, hatten wir doch mehrfach unsere Liste durchsehen, um nur ja niemanden zu vergessen. „Nun sag’s schon, ich rate es ja doch nicht!“ erwiderte ich. Mit fester Stimme antwortete meine Schwester: „Dieses Bäumchen ist für die alte Flick!“ Als hätte ich sie nicht richtig verstanden, vergewisserte ich mich: „Für die Alte mit ihrer komischen Tochter?“ Meine Frage klang vermutlich alles andere als begeistert, denn ich sah plötzlich in ein blaues Augenpaar, das unternehmungslustig zu funkeln begann. „Und warum nicht?“ fragte sie herausfordernd. „Ja, warum eigentlich nicht?“ Ich nickte und ließ mich langsam vom Fensterbrett rutschen.


Wo das Dunkel nicht mehr hell wird

Die alte Flick war eine sonderbare Frau, die mit niemandem etwas zu tun haben wollte. Sie wohnte ganz allein mit ihrer geistig behinderten Tochter in einem alten, halbverfallenen Haus. Keiner wusste etwas über sie, und wer etwas wusste, sprach nicht darüber. Die meisten Leute gingen ihr aus dem Wege, weil sie übel schimpfen konnte und reichlich davon Gebrauch machte. Oft war sie mit ihrer Tochter zum Betteln unterwegs und kam meistens erst spät abends nach Hause. Wir packten das Weihnachtsbäumchen also schön ein, warfen uns schnell die Regenjacken über und zogen leise die Tür ins Schloss. In der Zwischenzeit war es richtig dunkel geworden und der kalte Wind jagte uns ein Frösteln über den Rücken.


Helles Licht für kleine Kerzen

Das Haus der Flick stand ganz in der Nähe auf einem ungepflegten und verwilderten Gartengrundstück. Die geschmückten Fenster der Nachbarhäuser bildeten einen eigenartigen Kontrast zu dem dunklen Gebäude, auf das wir nun zugingen. Es war, als wäre das Licht plötzlich gelöscht worden, als wir uns der halbverfallenen Hütte näherten. In der Tür war ein kleines Fenster, durch das wir vorsichtig in den Hausflur hineinsehen konnten und beinahe wären wir vor Unbehagen wieder umgekehrt. „Sollen wir wirklich …“, flüsterte ich. „Na klar, deshalb sind wir doch hergekommen.“ Die Klingel war kaputt, also mussten wir klopfen. Erst nach dem dritten Mal hörten wir ein Geräusch in dem dunklen Haus. Durch das blinde Fensterglas sahen wir zwei Gestalten, die langsam und schwerfällig die Treppe herunterkamen. Vorsichtig öffnete sich die Tür und mein Herz schlug etwas schneller. Die alte Flick stand im dunklen Türrahmen und sah uns zuerst misstrauisch und dann etwas überrascht an, als könnte sie nicht glauben, was sie da sah. Ihre Tochter kauerte in einer Ecke und blickte ängstlich zu uns herüber. Da standen wir nun. Mit einer brennenden Kerze, einem Kiefernzweig und einem Tannenbäumchen aus Zuckerguss und Schokoplätzchen. Während die Unsicherheit in den Augen ungläubigem Erstaunen wich, begannen wir die Strophen eines Weihnachtsliedes zu singen. Zuerst ein bisschen zaghaft, dann aber immer lauter und fröhlicher:

„Gott ist die Liebe, lässt mich erlösen.
Gott ist die Liebe, er liebt auch mich.
Drum sag ich’s noch einmal, Gott ist die Liebe,
Gott ist die Liebe, er liebt auch mich.“ 
Ich lag in Banden der schweren Sünde,
ich lag in Banden und konnt nicht los.
Er sandte Jesus, den treuen Heiland,
er sandte Jesus und macht mich los. 
Du füllst mit Freuden die matte Seele;
du füllst mir Frieden mein armes Herz.
Du lässt mich erben die ewge Freude;
du lässt mich erben die ewge Ruh. 
Dich will ich preisen, du edle Liebe,
dich will ich preisen, solang ich bin.
Drum sag ich’s noch einmal, Gott ist die Liebe,
Gott ist die Liebe, er liebt auch mich.“
„Ich mache deine Finsternis hell.“

„Wir wollten nur ein frohes Weihnachtsfest wünschen und Ihnen noch ein kleines Geschenk bringen.“ Mehr brachten wir nicht über die Lippen. Mehr war aber auch nicht nötig. Mit einer Geste dankbaren Staunens und mit zitternden Händen nahm die Alte unser Geschenk entgegen. Sie legte es vorsichtig ihrer Tochter in den Arm, die den Tannenbaum und die Kerze mit leuchtenden Augen bestaunte.

Es war eine eigenartige Szene. Da standen wir vor der Tür des alten Hauses. Es war dunkel, es regnete und es war kalt. Und doch waren wir selten der eigentlichen Bedeutung von Weihnachten so nahe und spürten, worum es eigentlich geht. Gott gibt uns nicht auf, sondern schenkt uns seine Liebe. Und durch Jesus wird diese Liebe greifbar und erfahrbar.

In diesem Moment spürten wir, dass die Kraft der Weihnachtsbotschaft traurige Menschen trösten kann und hoffnungslose Situationen mit neuem Leben erfüllen kann. Menschen im Dunkeln, traurigen Herzen, leuchtet plötzlich ein heller Schein. Jesus, der sich selbst als das Licht der Welt bezeichnet, war da und ein Licht, das niemand auslöschen kann, leuchtete in der Dunkelheit menschlichen Elends. Jesus war da und mit ihm Wärme, Liebe und Vergebung.

Nun bleibt noch die Frage: Was ist, wenn alle Geschenke ausgepackt sind und die letzte Kerze verloschen ist. Was bleibt, wenn wir morgen wieder allein sind mit unseren Sorgen, mit der Angst, der Einsamkeit und den Fragen unseres Herzens? Was bleibt dann von Weihnachten?

Peter Hahne hat einmal gesagt: „Wer sein Herz an Jesus verliert, der hat Licht, Leben und Liebe gewonnen. Ohne Weihnachten wäre unser Herz ohne Trost, unser Leben voller Sorgen und unser Sterben ohne Hoffnung. Deshalb kommt Jesus in unsere Nacht, damit wir in sein Licht kommen können.“ Das ist gleichzeitig die einfache Antwort auf die Frage, was von Weihnachten bleibt, wenn alle Geschenke ausgepackt sind: Jesus Christus bleibt. Er verlässt uns nicht, wenn wir uns an ihn halten.

Wenn Sie das möchten, beten sie einfach das folgende Gebet aus dem bekannten Lied: „Macht hoch die Tür“ mit.

Komm, o mein Heiland, Jesus Christ, meins Herzens Tür dir offen ist. Ach zieh mit deiner Gnade ein, dein Freundlichkeit auch mich beschein. Dein heiliger Geist mich führ’ und leit’ den Weg zur ewigen Seligkeit. Dem Namen dein, o Herr, sei ewig Preis und Ehr. Amen




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