Mittwoch, 30. Dezember 2015

Sehen Sie denn Auswirkungen auf die Pressefreiheit durch die Lügenpresse-Debatte?

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„Die Presse muss sich nicht wundern“


Sie haben gesagt, in der DDR wusste man, dass die Presse lügt. Was halten Sie von dem gegenwärtig sehr prominenten Schlagwort von der „Lügenpresse“? 
Bei gewissen Berichterstattungen muss sich die Presse nicht wundern, wenn das gesagt wird. Wenn man jetzt mal den Fall Akif Pirinçci nimmt, mit seiner berühmten Pegida- Rede. Er wurde für etwas von den Medien angeprangert, was er nicht gesagt hatte. Die Empörungsmaschinerie geht dann soweit, dass sogar seine harmlosen Katzenkrimis nicht mehr vertrieben werden. Das ist ein nicht hinzunehmender Angriff auf eine Person. Dann müssen dieselben Medien reihenweise Widerrufe drucken. Aber das Kind ist im Brunnen. Er hat dieses Stigma und wird es auch nicht wieder los. Bis auf eine Ausnahme - ich glaube die Berliner Zeitung - die das richtig berichtet hat, haben alle anderen anscheinend falsch voneinander abgeschrieben. So etwas darf nicht passieren. 

  

Haben Sie noch andere Beispiele, bei denen Berichterstattung zum Nachteil derjenigen ausfiel, die vielleicht eine andere Meinung hatten? 

Ja. Jörg Baberowski ist ein renommierter Professor für Geschichte an der Humboldt-Universität, der international sehr anerkannte Bücher über den Stalinismus geschrieben hat. Der ist in mehreren Zeitungen in die rechtsradikale Ecke gerückt worden. Das führte dann dazu, dass einige seiner Studenten es für angebracht hielten, Plakate im Institut für Geschichtswissenschaft anzubringen und vor dem “Naziprofessor” zu warnen.  (LINK FAZ Kaube Artikel).  Auch im Tagesspiegel und der Welt ist er als Rechtsradikaler bezeichnet worden. Und das geht ja der “Achse des Guten”, für die ich schreibe, auch so. Da stand im Tagesspiegel ein Artikel, dass die „Achse“ rechtsradikal wäre. Das peinliche war: Der Mitbegründer Broder ist Autor des Tagesspiegels, ich habe für den Tagesspiegel geschrieben, andere Achse-Autoren auch noch… Eigentlich hat sich der Tagesspiegel selber ausgestellt, dass er “rechtsradikalen” Autoren eine Plattform bietet.  



Man könnte das ja auch so interpretieren, dass der Tagesspiegel mit ihren Autorenschaften seinen Beitrag zum Meinungspluralismus geleistet, indem Sie da publizieren konnten…..

Ich weiß nicht, ob der Tagesspiegel begeistert wäre von dieser Interpretation. Die haben ja dann auch eine Rolle rückwärts gemacht und haben sich entschuldigt. 

Sehen Sie dort eine Art vorauseilenden Gehorsam? 
Das glaube ich schon, dass es dort eine vorauseilende Anpassung an die vermutete Mehrheitsmeinung gibt. Das hat aber mit Meinungsfreiheit nichts mehr zu tun.  Meinungsfreiheit bedeutet, dass man auch Meinungen tolerieren muss, die man nicht teilt. Wenn dann sogar gesagt wird: “Ihr könnt doch Eure Meinung haben, aber bitte zu Hause auf dem Sofa, nicht in der Öffentlichkeit” – na, das ist die DDR-Situation.  



Nochmal nachgefragt: Ist der Begriff Lügenpresse für Sie jetzt treffend? Was halten Sie von dem Begriff? 
Der Begriff stammt ja nicht von Pegida, der wurde von rechts und links benutzt. Nur bei Pegida wurde das plötzlich stigmatisiert. Jetzt kann man der Meinung sein, dass man diesen Begriff nicht mag. Aber es gibt eben immer wieder Berichte, wo ich sage: da muss man sich nicht wundern, dass die Leute diesen Begriff benutzen. Auch die Berichterstattung über die Pegida-Demonstrationen ist verzerrt, die Demonstranten sind ja nun wirklich total friedlich.  



Da muss ich widersprechen, dass die Pegida-Kundgebungen absolut friedlich sind. Ich habe verschiedene Fälle recherchiert, habe mit Journalisten direkt gesprochen,  die Opfer von Gewalt bei Pegida oder Legida wurden.

Das kann ich weder bestätigen noch dementieren. Wenn ich dort recherchieren würde, müsste ich zunächst hingucken, um festzustellen: Wer waren denn die Leute, die dort Gewalt gegen Journalisten angewendet haben sollen? Waren das wirklich Pegida-Leute oder waren das andere? Da kann ich nur sagen aus unserer Erfahrung der Demonstrationen in der friedlichen Revolution, da hatten wir ja auch jede Menge Provokateure. Da hat die Stasi ihre Leute rein geschickt. Sie hat dafür gesorgt, dass die Demonstrationen nicht friedlich blieben, sondern gewalttätig wurden. Damals ist immer die Parole ausgegeben: “Entschärft die Provokateure.” Ich war noch nie auf so einer Demonstration, aber wenn ich jetzt Pegida-Organisatorin wäre, würde ich das genauso machen.

Aber wenn Journalisten auf diese Veranstaltungen gehen, dann gehen sie dahin, um die Öffentlichkeit über dieses Geschehen aufzuklären, und nicht als Provokateure.  
Es gibt doch diesen Fall von diesem Journalisten, der dort quasi als verdeckter Journalist reingegangen ist in die Pegida-Demonstrationen. Als dann die gewünschten Statements nicht kamen, hat er sich selber vor das Mikrofon gestellt und hat dann die gewünschten fremdenfeindlichen Statements abgegeben. Später ist das aufgeflogen. 

Das ist für diesen Fall leider richtig. Man kann aber die große Mehrheit der Journalisten nicht mit diesem RTL-Reporter gleich stellen…. 
Da gebe ich Ihnen recht, das ist dann ein Ausrutscher gewesen und es sind nicht alle Journalisten gleich. Aber die meisten Medienberichte über die Demonstranten sind nicht objektiv, sondern feindlich.

  

Das Problem ist doch, dass Journalisten dort Gewalt erfahren haben, mehrfach, oder bedroht wurden direkt. Sehen Sie dort kein Problem aus dieser Bewegung heraus? 

Nein. Denn ich weiß, und alle, mit denen ich gesprochen habe, haben mir das bestätigt: 99 Prozent dieser Leute sind total friedlich. Ich habe von Fällen gehört, dass Journalisten sehr aggressiv aufgetreten sind, Menschen gefilmt haben, die das nicht wollten und ein Nein nicht akzeptieren wollten. Im Übrigen:  Wenn die Antifa in Leipzig im November letzten Jahres verkündet, sie werde 50 Objekte angreifen und das dann auch systematisch tut,  spielt das in den bundesweiten Medien keine Rolle.

Das stimmt nicht, es wurde berichtet. Man könnte streiten, in welchem Umfang das gemacht wurde…   
Es ist vielleicht erwähnt worden. Aber wenn ich Vorträge halte, hat die Mehrheit meiner Zuhörer noch nie davon gehört. Aktuell fängt ja die Antifa wieder massiv an, Autos anzuzünden, zum Beispiel von der Beatrix von Storch, jetzt von dem Bärgida-Teilnehmer. Das wird dann gar nicht erwähnt. 



Zurück zur Pressefreiheit und zu Pegida − Siegfried Däbritz zum Beispiel ist ja dort mit im Organisationsteam. Der hat, das ist durch einen Facebook-Post belegt, in einer internen geschlossenen Gruppe geschrieben: “Nachher kommt der Journalist Olaf Sundermeyer, der ist gerade nach Meißen unterwegs, so lautet sein Kennzeichen, guckt mal, was der so macht…“ Was halten Sie davon? 
Wenn man weiß, wie dieser Journalist über Pegida berichtet, ist es nicht verwunderlich, dass Däbritz wissen will, was er vorhat. Die Antifa macht das öffentlich, auf ihren Seiten. Da werden die Adressen von Leuten, die angegriffen werden sollen öffentlich auf der Straße und mit Flugblättern verteilt… 

Es stimmt, dass das passiert. Aber nach meinem Kenntnisstand schränkt die Antifa die Freiheit der Journalisten nicht durch Bedrohungen ein. 
Die Argumentation verstehe ich nicht ganz. Wenn die Antifa Bedrohungsszenarien gegen alle möglichen Menschen praktiziert und auch exekutiert, dann ist das was anderes, als wenn sie das gegen Journalisten machen würden? Das sehe ich nicht so.  



In diesem Falle werden Journalisten an der Ausübung ihres Berufes gehindert, und damit an der Ausführung ihres Informationsauftrages für die Gesellschaft, im Unterschied zu Privatpersonen.

Was wäre, wenn ich von der Antifa bedroht würde? Ich bin ja auch Journalistin. Ist das dann wieder was anderes?  

  

Nein, das wäre nichts anderes. Aber es ein Unterschied, ob Sie wegen ihrer beruflichen Tätigkeit bedroht werden oder aus ihrer privaten Einstellung. Das hat eine andere Dimension. 
Das sehe ich nicht so. Mensch ist Mensch. Da bin ich nicht einverstanden.  



Wenn es darum geht, die Allgemeinheit über ein Geschehen aufzuklären und das wird verhindert, dann ist eine Einschränkung von Pressefreiheit. Das kann man doch so sagen, oder? 
Wenn die Allgemeinheit richtig unterrichtet wird, ja. Aber vielfach wird sie eben nicht richtig unterrichtet das ist der springende Punkt.  



Das muss man ja zunächst annehmen… 

Ja, ich bin überhaupt keine Anhängerin von irgendwelchen Gewaltanwendungen, weder verbal noch körperlich. Da bin ich absolut dagegen, egal von wem es kommt. Ich will nur, dass es nicht zweierlei Maß gibt.  Wenn da dieser kleine Pegida-Galgen groß skandalisiert wird, und die riesige blutverschmierte Guillotine auf der TTIP-Demo nicht, finde ich das problematisch. 

Nun zu einem anderen Thema. Ich kam ja bei einem Telefongespräch mit dem Tagesspiegel-Kolumnisten Helmut Schümann darauf, Sie für dieses Interview anzufragen. Er erzählte mir, dass Sie seine Darstellung, Ende Oktober wegen seiner journalistischen Tätigkeit in Berlin überfallen worden zu sein, als erfunden darstellen…
Ich habe aufgezählt, dass es dafür keine Zeugen gibt, in der besten Einkaufszeit in Charlottenburg. Dass es keine Personenbeschreibung gibt von ihm… 

Woher wissen Sie das? 
Ich bin von den Artikeln ausgegangen, die zu diesem Zeitpunkt darüber veröffentlicht wurden. Darin stand, dass er der Polizei keine Personenbeschreibung geben konnte und ansonsten nur, dass dieser Mann Richtung Kudamm gerannt wäre. Das fand ich komisch. Dann hat der Tagesspiegel einen merkwürdigen Artikel veröffentlicht, in dem stand: es stimme nicht, was er gesagt hat, dass er gleich den Notruf angerufen hätte, und dass er, wie auf Facebook behauptet, es gleich angezeigt hätte. Das hat er erst zwei Tage später gemacht. Ich habe bloß gesagt, ich finde das komisch. Denn den würde man in der Neonazi-Szene garantiert nicht erkennen. Und ich habe ja nicht behauptet, es stimmt nicht, ich habe gesagt: ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass es so gewesen ist. 

  

Es gibt keine Zeugen, deswegen sind dies nur Spekulationen. Und da ist für mich die Frage, ob Sie Ihrer vollen Verantwortung als prominente Bürgerrechtlerin gerecht werden, wenn Sie das in den Zweifel ziehen?  

Wird er der vollen Verantwortung gerecht, wenn er mit einem Facebook-Post an die Öffentlichkeit geht, wo er Dinge behauptet, die nicht stimmen? Wie vertrauenswürdig ist ein Journalist, der seine Leser, oder seine Facebook-Freunde in zwei wesentlichen Punkten belügt? Für mich ist er nicht vertrauenswürdig, tut mir leid. 



Ich finde es schwierig wenn Sie ihm in ihrem Artikel zusätzlich unterstellen, er nutze das für sich, weil er einen sicheren Job haben wolle oder der Tagesspiegel in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sei. Da unterfüttert man auch die Lügenpresse-Debatte, ohne dass Sie dafür einen Beweis haben, sondern höchstens Anhaltspunkte.
Erstens habe ich keine Behauptungen aufgestellt. Ich habe die verschiedenen Tatsachen miteinander verglichen und habe meine Schlussfolgerungen daraus gezogen. Wir haben ja gerade gesagt, jeder darf seine Meinung haben, auch ich. Ich habe ja auch nicht gesagt, dass das Tatsachen sind.  

  

Sie haben in einem Vortrag über die Medienberichterstattung zum Berliner Pegida-Ableger wörtlich gesagt, “der verlogene Antifaschismus der DDR [werde] jetzt wieder durch die Medien getragen”…   

Ja, Bärgida ist dort völlig unberechtigt abgestempelt worden. Ich meine mit verlogenem Antifaschismus, dass die DDR sich immer als den antifaschistischen deutschen Staat dargestellt, der nicht nur mit der Nazi-Diktatur vollständig gebrochen hat. Was ja gar nicht stimmte. Heute wird dieser Vorwurf, Nazi zu sein oder in der Nähe von Nazis zu sein immer inflationärer gebraucht und wie eine Waffe benutzt. 

  

Ich verstehe noch nicht, worauf genau sie sich beziehen: Inwiefern wenden die Medien dann „heute den verlogenen Antifaschismus gegen die Bürger“? 

Man kann diese fünf Leute, die nur für eingeweihte als NPDler erkennbar waren, die sich aus welchen Gründen auch immer dieser Bärgida- Demonstration angeschlossen haben, nicht auf alle anderen beziehen, die dort hingegangen sind. Das war mein Punkt. Dann sind sofort hunderte von Menschen stigmatisiert. Und bei diesen fünf weiß man ja auch nicht, was das für Typen waren. Man weiß ja, dass die NPD heftigst vom Verfassungsschutz unterwandert ist. Das geht auch deshalb nicht, weil seinerzeit bei den Anti-Harz-Demos nicht nur fünf NPD-Mitglieder mit marschiert sind, sondern hunderte, mit Transparenten. Da hatte niemand ein Problem. Da wird mit zweierlei Maßstab gemessen. 

  

Am 29. September 2015 haben Sie auf dem Webportal “eigentümlich frei“ einen Beitrag geschrieben mit dem Titel “Nachtgedanken eine Bürgerrechtlerin”, dass die Medien ihre Kontrollfunktion nicht mehr erfüllen würden. Woran machen Sie das fest? 

Diesen Prozess gibt es schon seit längerer Zeit. Aber ganz besonders aufgefallen ist mir das nach der Sommerpressekonferenz der Kanzlerin, als sie die Politik der offenen Grenzen verkündet hat. Und das Medienecho so aussah, als wären das alles Regierungsverlautbarungen. Ich habe jegliche Kritik oder nur Nachfrage vermisst. Das wurde über Wochen kritiklos unterstützt. Es änderte sich erst nach Monaten allmählich, als die problematischen Seiten dieser Entscheidung nicht mehr zu übersehen waren. Gleichzeitig sind alle Kritiker dieser Entscheidung, so vorsichtig sie auch gewesen sein mögen, genauso einhellig stigmatisiert worden. Der schlimmste Vorwurf war dabei wieder “rechts“ zu sein. Die linken Blätter kamen dabei auch wieder mit dem Nazi-Vergleich, der immer inflationärer gebraucht wird für alle, die nicht mit Mainstream-Meinung einverstanden sind. Daraus habe ich die Schlussfolgerung gezogen, dass die Medien ihre Kontrollfunktion gegenüber Regierungsentscheidungen weitgehend aufgegeben haben.  

  

Würden Sie alle überregionalen Tageszeitungen in ihre Diagnose mit einschließen, alle öffentlich-rechtlichen Sender − oder sehen Sie dort Unterschiede? 

Die öffentlich-rechtlichen Sender sind ganz besonders schlimm. Die haben sich benommen wie die Aktuelle Kamera der DDR und haben völlig unreflektiert alles wiedergegeben, was der Regierungssprecher, die Kanzlerin selbst oder die Minister verlautbart haben. Genauso wie die überregionalen Medien. Etwas anders ist es jeweils bei den lokalen Medien gewesen. Denn die mussten über lokale Ereignisse berichten und waren dadurch gezwungen etwa über die Überlastung der Kommunen bei der Aufnahme der Neuankömmlinge und bei den Problemen, die sich daraus ergeben, etwa Aggressionen der Neuankömmlinge untereinander, zu berichten.

  

Sehen Sie denn im gesamten politischen Spektrum, denen ja auch die Zeitungen zu zuordnen sind, keinen Unterschied? 

Im Grunde genommen nicht. Denn erstens findet man auch in der FAZ Artikel, die könnten genauso gut in der taz oder sogar in der Jungen Welt stehen. Umgekehrt findet man vereinzelt sehr überraschende Artikel in der taz, die man eigentlich in der FAZ vermutet hätte. Insofern scheint das nicht mehr von der Blattpolitik abzuhängen, was da veröffentlicht wird, sondern von der Initiative und dem Mut einzelner Journalisten. Das finde ich ein ganz erstaunliches Phänomen. 

War das früher mal anders? Sie sagen ja, Sie haben das ja bemerkt ab der Sommer-Pressekonferenz der Kanzlerin? Das gab es auch vorher schon. Das ist eine Entwicklung, die ich mit der Regierung Merkel und damit an ihrer Regierungszeit festmache. Soweit ich weiß, ist ja Merkel die einzige Kanzlerin gewesen, die systematisch Chefredakteure ins Kanzleramt bestellt und sie um eine bestimmte Ausrichtung der Berichterstattung gebeten hat. Das ging los mit der Eurokrise, den Euro-Rettungsschirmen usw. und das wird offensichtlich bis heute fortgesetzt. Für mich ist klar, dass sich die Chefredakteure an diese Bitten gehalten haben.   
Woher wissen Sie das, aus welchen Quellen? Oder meinen Sie Hintergrundgespräche?  Nein, ich rede nicht von Bundespressekonferenz- Hintergrundgesprächen. Die Gespräche im Kanzleramt sind durchgesickert und standen ja vereinzelt auch in den Zeitungen.  




  

Für Sie ist 2005 also eine Wegmarke, wo eine Gleichförmigkeit in den Medien langsam anfing? 

Ja. Ich kann mich noch sehr genau erinnern, wie differenziert die Presselandschaft Anfang der Neunziger Jahre war. Da bin ich manchmal von meinen linken Freunden angesprochen worden “Wie kann man denn die FAZ und die taz gleichzeitig lesen, das geht doch gar nicht. Das ist doch entgegen gesetzt.” Ich habe das damals mit einem Lächeln quittiert und habe gesagt, “ja, man muss sich eben auf beiden Seiten informieren und nicht nur einseitig”. Das nur als Beispiel dafür, wie differenziert diese Presselandschaft damals war. Ich merke immer noch, das insbesondere Westdeutsche das alte Schema im Kopf haben und sagen: ja FAZ ist eben ganz konservativ, Welt so ein bisschen und die taz eben ganz links. Aber die Realität stimmt mit diesen Bildern nicht mehr überein. 

Sehen Sie noch andere Ursachen, als die von Ihnen gerade geschilderten Initiativen der Kanzlerin? Denn das Personal der Zeitungen und auch ihre Denkschulen haben sich für meine Begriffe nicht so stark geändert. 
Das kann nicht so ganz sein. Wenn jetzt Studien feststellen, dass 70 Prozent der Journalisten sich als grün einordnen, dann muss sich dort auch etwas beim Personal geändert haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass 70 Prozent der Journalisten vor der Vereinigung grün waren. 

Es gibt natürlich diese Befunde, die Journalisten mehrheitlich politisch eher linksliberal verorten sind. Trotzdem hat das ja nicht zwingend eine Auswirkung auf die Ausrichtung einzelner Blätter. 
Es wird auch deutlich weniger selbstständige Recherche betrieben. Man stützt sich zunehmend auf die Meldungen der Agenturen. Ich habe mir ein paar Mal den Spaß gemacht, bei Google die Satzbausteine aus den Agenturen zu einem Thema zu scannen. Wenn dort gesagt wird: 120 Artikel zum Thema, und man schaut die mal durch, finden die sich überall in den Artikeln. Da bin ich überzeugt, dass das früher nicht so war. 

Was ist denn Ihr Verständnis von handwerklich gut gemachtem Journalismus? 
Das lässt sich mit diesem zuletzt wieder sehr häufig zitierten Satz, der Hajo Friedrichs zugeschrieben wird, zusammenfassen: “Ein Journalist soll sich nicht mit einer Sache gemein machen, auch nicht mit einer Guten.” Ich erwarte von Journalismus eine professionelle Distanz zu dem Sachverhalt, den er zu bearbeiten hat. Ausgenommen sind davon natürlich Meinungskommentare, solange diese als solche gekennzeichnet sind. Was ich feststelle ist aber, dass immer häufiger Nachrichtenberichterstattung mit Meinung vermengt wird. Nachrichten, die nur reine Nachrichten sein sollten, haben nun ein fatales Meinungselement. Ich sage deshalb fatal, weil man in Diktaturzeiten wusste, dass die Presse lügt. Da las man das mit Distanz und hat immer geguckt, was zwischen den Zeilen steht. Aber viele Menschen glauben ja noch immer, es stimmt 1:1, was in den Zeitungen steht. Wenn Sie dann feststellen, dass das nicht mehr der Fall ist, gibt es natürlich einen Vertrauensschwund. Das ist ganz schlimm, denn Vertrauen ist ja eigentlich das Kapital einer Demokratie. Und wenn dieses Kapital schwindet, hat das auch Rückwirkungen auf die Demokratie.  

  

Gibt es denn deutsche oder deutschsprachige Medien, denen Sie vertrauen, oder wo Sie sagen, das ist noch guter Journalismus? 
Ich finde zum Glück noch Artikel, die guter Journalismus sind. Aber ich würde das im Augenblick nicht mehr an einer Zeitung festmachen, höchstens an der Zeitung, für die ich selber schreibe, an der Preußischen Allgemeinen.  



Ich habe die Preußische Allgemeine noch nicht gelesen. Was ist da besonders gut in journalistischer Hinsicht? 

Die Preußische Allgemeine ist die einzige libertäre Zeitung in Deutschland. Die machen wirklich noch traditionelle Berichterstattung, sehr distanziert, sehr analytisch. Das ist aber eine Nischenzeitung…

Sehen Sie denn Auswirkungen auf die Pressefreiheit durch die Lügenpresse-Debatte? 
Schon, objektiv ja. Wenn es unzutreffende Berichterstattungen gibt, dann schränken die Berichterstatter selber die Pressefreiheit ein. 




Vera Lengsfeld


Achse des Guten
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