Montag, 28. Dezember 2015

Kriterien - angepasst an ... ?

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Gewässerqualität:


Nicht sauber, sondern rein



Von Christoph Eichler


Laut dem Umweltbundesamt sind nur zehn Prozent der deutschen Bäche und Flüsse in einem guten Zustand. Tatsächlich wurden die Kriterien für die Wasserqualität geändert. Den deutschen Gewässern geht es gut – und immer besser. Das freut nicht jeden, meint Christoph Eichler.


„Nicht sauber, sondern rein“ und „Gut ist uns nicht gut genug“ waren zwei Sprüche, mit denen die Werbeindustrie dem verwöhnten Kunden das angeblich noch bessere Produkt aufschwatzen wollte. Doch diese Denkweise, sich nicht mit etwas Gutem zufrieden zu geben, findet sich auch im Bereich des Umweltschutzes. Nicht, dass es schlecht wäre, nach Verbesserung zu streben, ganz im Gegenteil – allerdings kann dieser Anspruch manchmal zu paradoxen Ergebnissen führen, wie die aktuelle Debatte um die Qualität der hiesigen Fließgewässer zeigt.


Laut einer Pressemitteilung des Umweltbundesamtes (UBA) [1] seien aktuell lediglich zehn Prozent der deutschen Bäche und Flüsse in gutem Zustand, wie er von der EU-Wasserentnahmerichtlinie definiert wird. In Teilen der Presse wurde das mitunter so interpretiert, dass die übrigen 90 Prozent demnach in einem schlechten seien. [2] Aber kann man das wirklich so sagen? Im Jahr 2000 befanden sich einem längeren positiven Trend folgend noch knapp zwei Drittel der Fließgewässer in den oberen Güteklassen I und II, fast neunzig Prozent waren in einem guten chemischen Zustand. [3] Soll sich das tatsächlich in den letzten Jahren alles wieder ins Gegenteil verkehrt haben? Sind die deutschen Flüsse wieder in Gefahr?

An den Nährstoffkonzentrationen kann es nicht liegen, sie sind seit fast 30 Jahren stetig gesunken. Mancherorts sind sie sogar so gering, dass dadurch das Fischwachstum beeinträchtigt wird (was allerdings vom UBA nicht kritisiert wird). Vielmehr wurden vor einer Weile die Grenzwerte für die Wasserqualität geändert. Damit kam es auch zu einer Neudefinition des Begriffes „gut“. Vielleicht ja auch, um weiterhin den „schlechten“ Zustand der Fließgewässer anmahnen zu können? Galt bis vor kurzem der Wert von 50 mg Nitrat (der maßgeblichen Stickstoffverbindung) pro Liter als gut, gilt nun der Wert 11,1 mg Nitrat pro Liter. [4] Ein Wert, der so niedrig ist, dass er selbst in von Menschen unbeeinflussten Gewässern nicht unbedingt erreicht wird, denn in der Natur können, laut UBA, Werte von 15 bis 20 mg Nitrat pro Liter Grundwasser vorkommen. [5]

„Die neuen Grenzwerte für Wasserqualität werden selbst in von Menschen unbeeinflussten Gewässern nicht unbedingt erreicht“
Die Forderung nach geringeren Stickstoffwerten wird damit begründet, dass sie für die Eutrophierung und den damit verbundenen Sauerstoffmangel in Gewässern verantwortlich sein sollen. Tatsächlich wird bereits Nitrat gegen Blaualgen eingesetzt, um den durch ihren Abbau bedingten Sauerstoffmangel zu verhindern. Der Stickstoffeintrag wird vor allem der modernen Landwirtschaft angelastet, doch das ist nur die halbe Wahrheit.

Die Landwirte konnten auch dank moderner, industrieller Anbaumethoden den Stickstoffeintrag senken, denn durch höhere Erträge pro Hektar wird dem Boden mehr Stickstoff entzogen. Während also der Nitratgehalt in den Fließgewässern sank oder zumindest stagnierte, stieg er mancherorts im Grundwasser. Der Grund dafür liegt zwar in der Landwirtschaft, er ist allerdings politisch, ja umweltpolitisch gewollt. Die Förderung der erneuerbaren Energien führte zu einem Ausbau der Biogasproduktion. Bei dieser bleiben stickstoffhaltige Rückstände zurück. [6]Anstatt sie relativ teuer zu entsorgen, können sie auf die Anbauflächen ausgebracht werden, solange der Wert von 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar nicht überschritten wird, ganz egal, ob die Pflanzen diese Menge brauchen oder nicht.

Da es dem Umweltbundesamt aber nicht in den Sinn kommt, diesen Aspekt der Energiewende zu kritisieren, wird stattdessen – zeitgeistgemäß – die Fleischproduktion für die hohen Nitratwerte verantwortlich gemacht. [7] Tatsächlich haben aber manche Gebiete mit hoher Viehhaltung geringe Nitratwerte im Grundwasser, während es viehlose Gebiete mit hohen Nitratwerten gibt. So wird mit der Verschärfung der Qualitätskriterien auf gänzlich unrealistische Werte einer Überregulierung Vorschub geleistet. Mit dem Verweis auf die tierhaltende Landwirtschaft soll von den Fehlern bei der Förderung der Biogasanlagen abgelenkt werden. Kurz, der Umwelt geht es immer besser, aber gute Nachrichten sind nun einmal schlechte Nachrichten, denn sie nutzen vielen Interessensgruppen nicht.


Christoph Eichler hat an der Universität Mannheim Geographie und Anglistik studiert. Seine Magisterarbeit befasste sich mit der Vegetation auf der Insel Faial (Azoren). Er ist Redakteur bei Novo Argumente.

Novo-Argumente




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