Martin Luther gelang es brillant, die Inhalte des Glaubens in die Alltagswelt seiner Zeitgenossen zu transportieren. Dies zeigt auch sein Katechismus, den wir hier als Audiopodcast anbieten.
Dem Volk aufs Maul schauen und ihm dann in seiner Sprache erzählen, was christlicher Glaube ist, was die Texte der Bibel bedeuten. Das war die große Leistung des Doktor Martinus Luther. "Dem Volk aufs Maul schauen" – dieses Bild stammt von ihm selbst. Er hat damit in seinem "Sendbrief vom Dolmetschen" erklärt, warum er die Heilige Schrift ins Alltagsdeutsch seiner Zeit übersetzt hat.
Luther, selbst ein durch und durch hoch gebildeter Intellektueller verscherzte es sich mit dieser Tat bei Seinesgleichen gründlich. Die Top-Akademiker seiner Zeit hielten es für brandgefährlich, ungebildeten Menschen einen direkten Zugang zu den heiligen Texten zu gestatten. Was wichtig und bedeutsam war, wurde zunächst mal auf Latein unter Gelehrten verhandelt. Die sollten es dann sorgsam und ausgewählt den einfachen Leuten erklären. Die Kuhstall-Sprache Deutsch erschien ihnen als völlig unbrauchbar für die komplexen und wunderbaren Inhalte der Schrift.
Was Luther tat und was er riskierte, muss man sich vorstellen, als würde ein Nobelpreisträger bei Stefan Raab Immanuel Kants "Kritik der praktischen Vernunft" oder Schriften von Hegel und Theorien von Einstein als Rap präsentieren. Bei Kollegen wie Erasmus von Rotterdam war er spätestens mit seiner Bibel-Übersetzung völlig unten durch.
Mündige Gemeindemitglieder
Aber wie genau und brillant Luther die Inhalte des Glaubens in die Alltagswelt seiner Zeitgenossen transportiert hat, ja wie gigantisch seine literarische Leistung der Übersetzung ist, zeigt sich in ihrer Wirkung. Er machte aus unmündigen Schafen, als die der Klerus getaufte Menschen ohne Priesterweihe gerne ansah und partiell noch heute betrachtet, selbstbewusste, mündige Gemeindeglieder, die verantwortlich mit den Inhalten des Christentums umgehen.
Auch sein kleiner Katechismus, der bei evangelisch.de als Podcast mit meiner Stimme zu hören ist, gehört in Luthers Programm, normalen Menschen den persönlichen Zugang zu den zentralen Themen ihres Glaubens zu öffnen, ohne dass sie dazu noch einen priesterlichen Vormund bräuchten. Mütter und Väter sollten ihren Kindern mit dieser Hilfe selbst erklären können, was zum Beispiel die Taufe verändert. Luther fragt rhetorisch: "Was bedeutet denn solch Wassertaufen?" Und antwortet: "Es bedeutet, dass der alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen Sünden und bösen Lüsten; und wiederum täglich herauskommen und auferstehen ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinheit vor Gott ewiglich lebe."
Große Themen des Christentums
Aktuell würden Kommunikationsexperten und Marketingleute wohl formulieren: Luther holt die Leute dort ab, wo sie sind, und zeigt ihnen, dass die großen Themen des Christentums mit ihrem ganz alltäglichen Leben, mit ihren persönlichen Themen und Problemen unmittelbar zu tun haben.
Luther hat übrigens nie Interesse daran gehabt, dafür auf ein Podest gestellt zu werden. Er würde jedem, der heute ähnliches versucht, zunächst einmal kräftig zur Seite springen. Ja, man darf nicht nur, würde er sagen, man muss, die zentralen Botschaften Jesu Christi so erzählen, dass sie Herz und Kopf der Leute auf der Straße erreichen. Würde Luther heute leben, er würde Raps schreiben, Videoclips drehen, Podcasts aufnehmen. Aber er würde das nicht einfach so hinschludern. Er würde wieder, wie vor fast 500 Jahren, um einzelne Bilder und Formulierungen ringen. Und genau das würde er auch von uns verlangen. Schlechte, ungenaue Texte sollen ihn granatenzornig gemacht haben. Ganz im Sinne des großen Reporters Egon Erwin Kisch, der in Luther den ersten modernen Journalisten sah und dem die Erkenntnis zugeschrieben wird: Das Schwerste ist einfach schreiben. Einfach, verständlich und genau – ohne den Sinn des Textes zu verfälschen, zu verändern, zu verkürzen.
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