Mittwoch, 27. Oktober 2010

Luther und die Auseinandersetzung mit dem Islam

Im 16. und 17. Jahrhundert bedrohte ein aggressiver Islam das christliche Abendland. Zweimal standen die Türken vor Wien. Die Belagerung von 1529 führte Luther zu einer tieferen Beschäftigung mit der islamischen Religion.

Für Luther war die Türkengefahr das apokalyptische Menetekel, das das Ende der Welt und die Wiederkunft Christi ankündigte. Politisch gesehen sah er im Islam ein totalitäres Regime, das den Frieden, die Freiheit, das Recht und die Religion des Abendlands tödlich bedrohte.

Der Islam war von Anfang an eine kämpferische Religion, die sich im Gefolge der Angriffe arabischer Reiterheere rasant ausbreitete: nicht nur nach Osten über Persien bis nach Indien, sondern auch nach Westen, mit dem Ziel Europa. Dies geschah in zwei großen Angriffswellen, einmal zunächst im 7. und frühen 8. Jahrhundert über Nordafrika nach Spanien und Frankreich, bis ihm Karl Martell durch seinen Sieg bei Tours und Poitiers 732 n. Chr. Einhalt gebot; später vom 10. Jahrhundert ab über Syrien, die heutige Türkei, Griechenland und den Balkan bis vor die Tore Wiens.

Bereits im 14. Jahrhundert stießen türkische Heere über den Bosporus vor und besiegten die Serben auf dem Amselfeld 1389, im 15. Jahrhundert führten sie den entscheidenden Schlag gegen das Oströmische Reich, nämlich die Eroberung Konstantinopels 1453; danach folgte die Unterwerfung Griechenlands und der ganzen Türkei (die ein christliches Land war), dann das weitere Vordringen nach Norden; unter Sultan Suleiman II. kam es zur Eroberung von Belgrad 1521, nach der Schlacht von Mohacs 1526 zur Unterwerfung Ungarns und von dort aus 1529 zur Belagerung Wiens.

Dabei war das Vorgehen der türkischen Heere bestimmt von äußerster Härte, Brutalität und Grausamkeit, bis hin zu Ausmerzung der männlichen Bevölkerung oder dem Verkauf aller Unterworfenen in die Sklaverei. Die Bedrohung des Abendlands war ernst. Zwar wurden die Türken zurückgeschlagen, doch war dies nicht ihr letzter Vorstoß. 1683 standen sie nochmals vor Wien und belagerten es mehrere Monate. Die Rettung durch ein Entsatzheer kam erst in letzter Stunde.

Dieses Vordringen der Türken nach Europa war ein Eroberungskrieg. Der Papst und die Kaiser forderten deshalb immer wieder dazu auf, diesen Angriff aufzuhalten. Bei jedem Reichstag im frühen 16. Jahrhundert ging es um die Abwehr der Türkengefahr. Der Kampf gegen die Türken hielt den Kaiser übrigens davon ab, gegen die evangelischen Länder und Städte so vorzugehen, wie er es eigentlich wollte.

In den Resolutionen, den Erklärungen zu den 95 Thesen von 1518 bezeichnete Luther die Türken neben Krieg, Erdbeben, Feuersbrünsten und Räubereien als »Gottes Zuchtrute und Geißel«. Er warf den »Mächtigsten in der Kirche« vor, von nichts anderem zu träumen als von Kriegen gegen die Türken. Luther warnte: Dann würden sie nicht gegen die eigenen Missetaten und Sünden streiten, sondern gegen die Zuchtrute Gottes Krieg führen.

Luther argumentiert - im Unterschied zu seinen Zeitgenossen, die nur politische und militärische Fragen sahen - streng theologisch: Er sieht in dem Vordringen der Türken eine Strafe Gottes. Das war nicht neu, wohl aber die Folgerungen, die Luther daraus zog, dass nämlich diese Strafe verdient ist und dass man deshalb kein Recht besitze, dagegen zu kämpfen. Man muss sie vielmehr ertragen und sich ändern und bessern. Luther versteht also die Türkengefahr hier als verdiente Strafe für eine ungehorsame Christenheit und als ernste Mahnung zu Buße, Umkehr und Besserung.

Seine Gegner unterstellten ihm daraufhin, er habe den Christen verboten, sich am Türkenkrieg zu beteiligen. Damit wollten sie Luther seine Popularität rauben. Diese Behauptung taucht sogar unter den »Irrlehren« auf, die ihm die Bannandrohungsbulle von 1520 vorwarf. Luther versuchte in seiner Antwort darauf, das richtigzustellen: Er habe nicht den Türkenkrieg widerraten, sondern gefordert, »dass wir uns zuvor bessern und einen gnädigen Gott machen.«

Unter dem Eindruck des Vordringens der Türken gegen das Reich schrieb Luther eine Schrift unter dem Titel »Vom Krieg wider die Türken«, erschienen 1529. Luther bleibt darin seinem Ansatz treu und ruft die Pfarrer auf, die Gemeinden »zur Buße und zum Gebet zu vermahnen«. Das Gebet gegen die Bedrohung sieht er als notwendig und berechtigt, die Buße ist nötig, denn die Sünden der Christenheit stehen einem Sieg im Wege.


ERST DANACH REDET LUTHER

die Regierung an und fordert sie auf zu tun, was ihre Pflicht ist: nämlich ihre Untertanen zu verteidigen und zu schützen gegen das Unrecht, das die Türken ihnen antun wollen. Dabei macht Luther allerdings eine Einschränkung, die sich aus seiner »Zwei-Regimenten-Lehre« ergibt: Ein Kreuzzug ist dieser Verteidigungskrieg des Kaisers nicht und darf es nicht sein: »Deshalb soll man auch dies Aufreizen anstehen lassen, mit dem man den Kaiser und die Fürsten bisher zum Streit gegen die Türken aufgereizt hat: als das Haupt der Christenheit, als den Beschirmer der Kirche und Beschützer des Glaubens... Nicht so! Denn der Kaiser ist nicht das Haupt der Christenheit noch Beschützer des Evangeliums oder des Glaubens. Des Kaisers Schwert hat nichts mit dem Glauben zu schaffen, es gehört in leibliche, weltliche Sachen.«

Es geht hier also nicht um einen »Heiligen Krieg« oder um »Gewalt im Namen Gottes«, sondern um eine innerweltliche Verteidigung des Rechts, des Lebens, der Freiheit und der Güter seines Landes. Luther widerspricht mit aller Deutlichkeit dem Gedanken des Glaubenskriegs: »Denn ich rate, nicht gegen die Türken und den Papst seines falschen Glaubens und Lebens halber zu streiten, sondern seines Mordens und Zerstörens halber.«

Was den Erfolg des Abwehrkampfes gegen die Türken angeht, ist Luther skeptisch. Er sieht die Welt ans Ende gekommen, den Kampf gegen die Türken unter den Gesichtspunkt der apokalyptischen Schlacht gegen Gog und Magog, die Luther auf die Türken deutet. Dieser Kampf führt dann nicht mehr zu einem irdischen Erfolg, sondern leitet die Ereignisse der Wiederkunft Christi und das Ende der Geschichte ein. Über die politischen Erwägungen hinaus sind besonders die theologischen Aussagen wichtig, die Luther hier über den Islam macht. Er arbeitet dabei die entscheidenden Gegensätze heraus, nämlich Mohammeds Feindschaft gegen Christus und den Glauben an Christus.

Luther warnte vor einem Krieg unter christlichem Namen

In diesem Zusammenhang macht Luther eine treffende Bemerkung über die heute wie damals oft gerühmte islamische Toleranz: »Denn obwohl etliche des Türken Regiment deswegen loben, weil er jedermann glauben lässt, was man will, lediglich dass er der weltliche Herr sein will, so ist doch solch Lob nicht wahr. Denn er lässt die Christen wahrlich nicht öffentlich zusammenkommen und darf auch niemand öffentlich Christus bekennen noch gegen den Mohammed predigen oder lehren. Was ist das aber für eine Freiheit des Glaubens, da man Christus nicht predigen noch bekennen darf, obwohl doch unser Heil in diesem Bekenntnis besteht? Weil denn der Glaube unter solchem wüsten, wilden Volk und bei solchem scharfen, strengen Regiment schweigen und verborgen sein muss, wie kann er zuletzt bestehen oder bleiben? Darum geht's auch so und muss so gehen: Was aus den Christen in die Türkei gefangen oder sonst hineinkommt, fällt alles dahin und wird in allen Dingen türkisch, sodass gar selten einer Christ bleibt.«

Luther beschreibt auch das Verhältnis von Mohammed und Christus im Islam, die sich daraus ergebende Gesetzlichkeit des Islam und seine Tendenz, sich mit irdischer Macht auszubreiten und durchzusetzen.

Unter dem Eindruck der Zuspitzung der militärischen Lage durch die Belagerung Wiens und der damit verbundenen akuten Gefahr für das Abendland griff Luther nochmals zur Feder und schrieb »Eine Heerpredigt wider den Türken«, 1530, d.h. eine Aufforderung dazu, gegen die Türken Krieg zu führen. Er verbindet hier die Türkengefahr (als der äußeren Form des Antichristen) mit der Gefahr durch den Papst (als dem geistlichen, inneren Antichristen) und beschreibt diese beiden Mächte als die geweissagten zwei grausamen Tyrannen, die das Kommen Christi als nahe bevorstehend ankündigen. Luther wiederholt, dass »man nicht gegen die Türken unter dem christlichen Namen Krieg führen solle«, denn Christus wolle schwach sein und leiden auf Erden mit den Seinen.

Die weltlichen Oberherren sollten den Krieg führen, und wer sich daran beteiligt, der solle »mit Freuden die Faust regen und getrost dreinschlagen«. Das war angesichts der Gräueltaten, die die Türken bei ihrem Vormarsch begingen, verständlich und berechtigt. Dabei hat Luther aber nicht vergessen, dass die Türken »gleichwohl Gottes Rute und eine Plage über die Sünde sind«.


LUTHER DENKT AUCH AN DIE CHRISTEN,

die als Gefangene in muslimische Länder geraten. Er will ihnen für ihren Glauben Hilfe und Wegweisung geben, sie in ihrem Glauben stärken und vor dem Abfall zum Islam bewahren. Im weltlichen Regiment - sagt er - schulden die Christen ihren neuen Herren trotz allem Gehorsam, im geistlichen Regiment aber - d.h. in Glaubensfragen - dürfen sie nicht nachgeben und schwach werden. Dazu gibt er ihnen ganz praktische Ratschläge: »So lerne nun, dieweil du noch Raum und Statt hast, die Zehn Gebote, dein Vaterunser, das Glaubensbekenntnis, besonders diesen Artikel, da wir sagen: 'Und an Jesus Christus.'«

Gleichzeitig warnt er, die Christen sollten sich von dem strengen religiösen Leben der Muslime nicht zu sehr imponieren lassen. Denn das alles sei nichts als Gesetzesfrömmigkeit und Werkgerechtigkeit.


Quelle


Jani's Anmerkung:

Ich bezeichne den Islam nicht als Gottes Zuchtrute - lebe ja auch 500 Jahre nach Luther und so sind meine Formulierungen dann doch etwas anders - sondern als eine Konsequenz des ehemals christlichen Abendlandes, dass zunehmend seine Fundamente verrät.

Und diese Fundamente werden auf breiter Linie verraten - durch Christen in allen Konfessionen - durch eine Toleranz, die der Intoleranz die Tore öffnet - durch NichtChristen - über Unwissenheit und Verantwortungslosigkeit - über eine Ökonomie, die den Menschen nur noch als Konsumenten wahrnimmt. Würde hat der Mensch nicht - nur noch Geld oder eben nicht. Dann wird er zunehmend ausgegrenzt. Der Bruch der Fundamente geht also durch die gesamte Gesellschaft.

Braucht es also wieder einen Luther?

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