Montag, 10. Oktober 2011

Magazin CICERO im Oktober: Wer zähmt das Raubtier Kapitalismus?

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Promis zur Krise

„Kompromisse mit Märkten gibt es nicht“


von Egon Bahr, Peter Gauweiler und anderen
Wie bedrohlich ist die Finanzkrise für unsere Demokratie? Für die Oktober-Ausgabe fragte das Magazin CICERO 50 Prominente aus Politik, Kultur und Wirtschaft. Lesen Sie im ersten Teil der Umfrage, wie Egon Bahr, Rudolf Dreßler, Peter Gauweiler und andere die Situation einschätzen.
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„Sind Sie der Auffassung, dass die immer noch weitgehend unregulierten Finanzmärkte den Wohlstand und die Demokratie bedrohen? Falls ja, welche konkrete Forderung würden Sie an die Politik stellen, um diese Entwicklung zu stoppen?

Egon Bahr, Bundesminister a. D., SPD
Gier global
Die Gier, Geld zu gewinnen unabhängig von der Produktion, hat von Washington bis Moskau, von Portugal bis Japan, bei Banken, Regierungen und Kommunen zu einer Blase geführt. Als sie platzte, mussten die Staaten mit Unsummen von Geld einspringen. Weil die Gier nicht gestorben ist, entsteht bereits eine neue Blase. Die Folgen eines Platzens könnten die Staaten nicht mehr bezahlen. Die wirtschaftlichen Konsequenzen wären revolutionär. Nur die Politik kann die Katastrophe verhindern, am besten durch globale Regeln, jedenfalls für die USA und die EU, mindestens für Europa, notfalls auch nur für den Euroraum. Selbst der Mindestraum würde Attraktivität entwickeln. Falls das misslingt, wäre das die Abdankung der Politik gegenüber der Herrschaft der Finanzmärkte und ihren Interessen.


Thomas Brussig, Schriftsteller
Politik kann mehr
Eine Finanztransaktionssteuer würde einem Laien wie mir sofort einleuchten. Wenn es gerade die Aussicht auf Marginalgewinne sind, die die Märkte nervös werden lassen und schließlich ins Rutschen bringen, dann wird eine Finanztransaktionssteuer eben diese Art von Marktaktivität dämpfen. Eine Transaktion würde erst getätigt werden, wenn sie mehr Gewinn verspricht, als die Besteuerung zunächst frisst. Die Politik hat die Mittel, um den entfesselten Finanzmärkten einen ruhigeren Pulsschlag zu verordnen.




Rudolf Dreßler, SPD-Politiker
Primat der Politik
Nur gesellschaftspolitische Ignoranten glauben, dass die unregulierten Finanzmärkte Demokratie und Wohlstand nicht bedrohen. Um die „Parallelgesellschaft Finanzmärkte“ zu entmachten, bedarf es der Wiederherstellung des Primats der Politik in vielen Schritten. Unter anderem: einer Finanzmarktregulierung, einer Finanztransaktionssteuer, einer Beteiligung der Banken an bereits entstandenen Kosten, einem Verbot von Leerverkäufen. Ein Verzicht jedweder Art der politischen Entscheidungsträger auf Wiederherstellung des Primats der Politik wird ihre Abhängigkeit von den Finanzmärkten und dem Handling der Ratingagenturen weiter erhöhen.


Peter Gauweiler, CSU-Politiker
Wettverbot
Der Verfassungsrechtler Paul Kirchhof hat nach der großen Bankenkrise geschrieben: 

„Das selbstverantwortete Eigentum ist heute mehr bedroht durch den Shareholder Value als durch den Sozialismus.“ Ich habe eine Reihe von Punkten, deren Umsetzung aus meiner Sicht zur Vermeidung der Fehlentwicklungen, die zur Krise geführt haben, erforderlich sind, bereits bei der letzten Bankenkrise den verantwortlichen Entscheidungsträgern von Union und SPD mitgeteilt. Leider ist hier aufgrund des hartnäckigen Widerstandes aus dem Kreise der Banken und deren vorzüglicher Kontakte in die Ministerien, die für ihre Gesetzentwürfe immer öfter die Anwaltskanzleien der Großbanken beschäftigen, kaum etwas getan worden. Aus meiner Sicht müsste Folgendes getan werden:
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1. Reine Wetten sind Banken zu verbieten. Prüfung der Geschäftstätigkeit der Banken bezüglich der eingegangenen Risiken.
2. Erhöhung der Sorgfaltspflichten der Bankiers/der Versicherungsvorstände (Einlagen der Bankkunden/Prämienzahlungen der Versicherten sind besonders schützenswert).
3. Erhöhung der Haftung der Verantwortlichen.
4. Vergütungssysteme müssen neben Prämien (Boni) für mittelfristig (!) positive Ergebnisse auch Mali für negative Ergebnisse enthalten.
5. Abfindungen sind im Falle schlechter Leistungen zu verbieten.
6. Für jede Art von Verbriefung sind nachprüfbare Standards zu schaffen.
Forderungen an die Rechnungslegungsexperten des International Accounting Standards Board (IASB) bezüglich des International Financial Reporting Standards (IFRS):
7. Vereinfachung der Internationalen Rechnungslegungsstandards (Forderung des Präsidenten der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung).
8. Volle Information über alle Risiken aus off-balance Zweckgesellschaften.
9. Abschaffung der Mark-to-Model Zeitwertbilanzierung.
10. Erfordernis der Objektivierung aller Jahresabschlusszahlen.
Falls diese Forderungen nicht binnen Jahresfrist vom IASB erfüllt werden, sollte das Endorsement durch die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) verweigert werden.
  

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