Der Jahresbericht der Vereinigung protestantischer Gemeinden der Türkei von 2011 gibt Einblick
(Institut für Islamfragen,
mk, 28.09.2012) Nach dem Jahresbericht der „Vereinigung Protestantischer
Gemeinden der Türkei“ von 2011 gab es auch im Jahr 2011 in der Türkei
aus Hass motivierte Verbrechen gegen Christen. Es gab sowohl physische
Attacken gegen Protestanten als auch Angriffe gegen ihre Kirchen. 5
Pastoren und auch Gottesdienste erhielten von der Polizei 2011
Personenschutz. Es blieb auch darüber hinaus trotz der gesetzlich
verankerten Religionsfreiheit in der Türkei für Protestanten weiter
schwierig, Gemeinderäume einzurichten und dauerhaft zu erhalten. Obwohl
es möglich und in mancher Hinsicht sinnvoll ist, für neu enstandene
Gemeinden, die rechtliche Form eines Vereins zu wählen, um legal
existieren zu können, ist das noch nicht die endgültige Lösung des
Problems der erwünschten staatlichen Anerkennung der Gemeinden, denn
eine staatliche Registrierung neu entstehender Kirchen ist weiterhin
nicht möglich.
Im Jahr 2003 gab es Änderungen im Gesetz für
Bebauungen durch die Angleichung an die EU-Vorschriften, nach der das
Wort Moschee durch den Begriff „Ort der Anbetung“ ersetzt wurde, um es
für nichtmuslimische Bürger einfacher zu machen, z. B. auch
Kirchenbauten anerkennen zu lassen. Leider ist es in der Praxis für
Protestanten aber weiterhin nicht möglich, eine staatliche Registrierung
ihrer Kirchen zu erreichen.
Probleme ergeben sich auch hinsichtlich des Ethik-
bzw. Religionsunterrichts: Obwohl Christen vom Islamunterricht befreit
sind, müssen sie das beweisen, z. B. durch die Angabe der
Religionszugehörigkeit im Personalausweis. Wird dort jedoch als
Religionszughörigkeit „Christ“ angegeben, kann das Stigmatisierung und
Diskriminierung zur Folge haben. Generell ist Intoleranz gegenüber
Nichtmuslimen weit verbreitet. In den Schulen gibt es für Nichtmuslime,
die nicht am islamischen Religionsunterricht teilnehmen, kaum
Räumlichkeiten, wo sie sich aufhalten dürfen.
Für das Jahr 2011 zählt der o. g. Bericht insgesamt
zwölf physische Attacken auf protestantische Christen und Gemeinden auf.
Dazu zählen Steinwürfe, Brandanschläge auf Kirchen, Lärmgranaten im
Gottesdienst, versuchte Angriffe mit Waffengewalt und Schläge. So kam es
zum Beispiel am 27.03.2011 in der Stadt Bursa in der dortigen
protestantischen Gemeinde zu einem Angriff mit einer Lärmgranate, die
während des Gottesdienstes geworfen wurde. Es entstand große Panik.
Trotz der vorhandenen Videoaufnahme der Tat wurden die Täter bisher
nicht gefasst.
Obwohl es die türkischen Gesetze erlauben, den
christlichen Glauben in der Türkei zu verbreiten, zu lehren und zu
verkünden, gibt es in der Praxis diesbezüglich weiterhin
Schwierigkeiten. Aktivitäten (insbesondere christliche), die den eigenen
Glauben in der Öffentlichkeit bekannt machen, werden von Beamten und
der Öffentlichkeit in der Regel als gefährlich und illegal eingestuft.
Z. B. finden sich Aussagen in einem türkischen Geschichtsbuch der 8.
Klasse, die die christliche Mission als eine nationale Gefahr einstufen.
Trotz Proteste lehnte das Schulministerium eine Änderung des
Schulbuchtextes bisher ab.
Manche Medien hetzen türkische Bürger mit
Verleumdungen und Falschinformationen gegen Christen auf. Manche berufen
sich auf Geheimdienstinformationen und nennen utopische Zahlen von über
50.000 protestantischen Hausgemeinden in der Türkei. Diese Übertreibung
ist einer der Gründe, warum es immer wieder zu Angriffen auf Christen
und Kirchen kommt.
Positiv wertet der Bericht das Treffen der
protestantischen Gemeinden mit dem Menschenrechts-Rektorat des
türkischen Ministerpräsidenten und dem Ministerium für
Religionsangelegenheiten. Ebenso wird die schriftliche Kommunikation
zwischen diesen Gemeinden und dem Schulministerium positiv beurteilt.
Des Weiteren war die Direktive des Amts des Ministerpräsidenten am
13.05.2011 ein wichtiger Schritt, die die Rechte von Nicht-Muslimen und
ihren Status als gleichberechtige Mitbürger hervorhebt. Der Bericht gibt
zudem dem türkischen Staat und seinen Organen Direktiven, wie sie
beitragen können, eine Benachteiligung von Christen zu vermeiden.
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