Ein unvorhergesehener Moment bei einer Integrationsdebatte in Merseburg: Ministerpräsident Reiner Haseloff trifft auf Carola Meilke, die seit Monaten gegen ihre Wohnungskündigung kämpft. So wie Carola Meilke, haben alle Mieter im Haus eine Eigenbedarfskündigung erhalten. Der angebliche Eigenbedarf des neuen Hausbesitzers erwies sich als Vorwand. Die bereits leer gezogenen Wohnungen wurden mit Asylbewerbern belegt. Mieter raus, Asylbewerber rein.
Der Regierungschef Haseloff erkennt sofort, dass es so nicht geht.
"Sie haben einen Mietvertrag. Es gibt ein deutsches Mietrecht. Sie haben Mieterschutz, also da brauchen Sie, denke ich mal, in keinster Weise Angst zu haben. Das wär ja fatal, weil genau das ja politisch auch vermieden werden soll. Wir wollen ja nicht diese Integrationsarbeit dadurch gestalten, dass wir faktisch ein Spannungsfeld zur eigenen Bevölkerung aufbauen. Das nimmt der Landrat nochmal als gesondertes Thema mit, wird auch mit dem Träger besprochen."
Vor drei Monaten berichtete Exakt über den Fall. Der Verein, der die Asylbewerber im Saalekreis betreut, kaufte diesen Block in Braunsbedra. Vereinschef Marcus Skowronek kündigte den Mietern, um Flüchtlingsfamilien unterzubringen. Da der Verein für jeden Asylbewerber Geld bekommt, bedeutet das höhere Einnahmen. Dabei würden Meilkes gern mit Flüchtlingen zusammenleben.
Frau Meilke legte über einen Anwalt Widerspruch gegen ihre Kündigung ein - bis heute hat der neue Hausbesitzer nicht reagiert. Aufgrund der Exakt-Sendung kam der Sozialausschuss des Kreistages Ende Januar zu einer öffentlichen Sondersitzung zusammen. Doch die Antwort der Landkreisverwaltung ist für Carola Meilke höchst unbefriedigend: Man könne nichts tun, sagt die Behörde. Einen Räumungsbescheid hat Frau Meilke zwar noch nicht bekommen, aber die Ungewissheit bleibt. Immer wieder hatte die Mieterin versucht, mit dem Chef des Betreuungsvereins Marcus Skowronek, ihrem Vermieter, zu sprechen. Aber der war nie erreichbar für sie.
Doch was ist eigentlich das Geschäftsmodell von Marcus Skowronek? Seit 2003 hat der Saalekreis die Unterbringung von Asylbewerbern an den Betreuungs- und Integrationshilfeverein outgesourct. Inzwischen ist der gemeinnützige BIH ein gewinnorientiertes Unternehmen. Jahresumsatz: mehr als zwei Millionen Euro. Die Flüchtlinge wohnen im Heim oder in Wohnungen. Davon profitiert BIH-Chef Markus Skowronek ganz privat - nach Exakt-Recherchen gehören ihm selbst zwei Häuser, in denen sein Verein Asylbewerber einquartiert. Doch Skowroneks Kreativität beim Vermieten geht noch weiter.
Kaba Diakite, Bürgerkriegsflüchtling aus Mali, wohnt in einem Haus in Merseburg. Kabas Freundin Kristin kritisiert die stolzen Preise, die er dort zu zahlen hat. Nachdem Exakt im Dezember berichtet hatte, wurde Kabas überhöhte Strompauschale halbiert - Kristin erhielt wegen ihres Interviews Hausverbot im Asylbewerberheim des Vereins. Der MDR war von Anfang an unerwünscht in allen Einrichtungen des BIH.
Der Landtagsabgeordnete Sebastian Striegel hat nun für etwas Transparenz gesorgt, indem er den Landkreis zur Offenlegung des Vertrages mit dem BIH zwang. Das Dokument zeige, warum der Verein fast ungehemmt schalten und walten könne.
"Der Landkreis hat Verträge mit dem BIH geschlossen, die ihm fast keine Kontrollmöglichkeiten geben. Er hat sich selbst viel zu wenig Rechte an der Stelle auch erarbeitet. Er hat das Problem letztlich an den BIH abgeschoben, hat gesagt: Wir zahlen hier eine Summe Geld, konkret 235 Euro pro Person und Monat. Und dann sind wir alle Probleme, die die Unterbringung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern im Saalekreis betreffen, los."
Sebastian Striegel
Der Oppositionspolitiker hat Ministerpräsident Reiner Haseloff eingeladen, die Gemeinschaftsunterkunft des BIH zu besuchen. Bis zur Ankunft des Landesvaters hat der Verein eifrig renoviert. Sogar nachts soll hier gearbeitet worden sein. Pünktlich zum Politikertermin richtet man eine sogenannte Lounge für die Bewohner ein, es riecht noch nach Farbe. Marcus Skowronek, der sonst so unnahbare Vereinschef, präsentiert sich als stolzer Macher. Für ihn geht es um den guten Eindruck bei Politik und Verwaltung. Demnächst schreibt der Landkreis ein weiteres Asylbewerberheim aus. Das Hausverbot für den gesamten MDR - an diesem Tag scheint es vergessen.
Doch als wir ihn nach dem Mietvertrag von Carola Meilke fragen, verweist er uns vom Gelände.
"Ich würd Sie jetzt einfach bitten, das Grundstück zu verlassen. Sie haben hier Hausverbot hier. Und bitte verlassen Sie das Grundstück. Tut mir leid. Weil, sonst müsste ich die Polizei rufen. Aber bitte, gehen Sie bitte"
mdr
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