Sonntag, 18. Oktober 2015

Unsere Politik holt diesen Krieg zu uns

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Krieg gegen "Islamischen Staat": 

Jesidinnen sinnen auf Rache


Sie wollen keine Opfer mehr sein: Ein Jahr nach dem Massaker des IS an den Jesiden greifen jetzt deren Frauen zu den Waffen. Eine deutsche Fotografin hat sie besucht, hier sind ihre Bilder.

Najwa hat sich den "Sun Girls" angeschlossen. Der Name klingt harmlos, doch die Frauen sind es nicht. Ihre Mission: Sie wollen gegen den "Islamischen Staat" (IS) in den Krieg ziehen. Die 23-jährige Najwa lernt dafür in einem Trainingslager nahe der nordirakischen Stadt Dohuk, mit einer Kalaschnikow zu schießen - gemeinsam mit rund 120 Frauen im Alter zwischen 17 und 30 Jahren.

Auf den Uniformen der Frauen prangt eine rot-weiß-grüne Fahne mit gelber Sonne. Es ist die Flagge der Peschmerga, zu denen die "Sun Girls" gehören. Sie sind die Armee der Autonomen Region Kurdistans im Nordirak.


Auf den Uniformen der Frauen prangt eine rot-weiß-grüne Fahne mit gelber Sonne. Es ist die Flagge der Peschmerga, zu denen die "Sun Girls" gehören. Sie sind die Armee der Autonomen Region Kurdistans im Nordirak.

Najwa stammt aus der Stadt Sindschar im gleichnamigen nordirakischen Gebirge, wo der IS im August 2014 eingefallen ist. Die Dschihadisten ermordeten systematisch jesidische Jungen und Männer. Noch immer ist unbekannt, wie viele getötet wurden. Nach und nach werden Massengräber entdeckt. Tausende jesidische Kinder und Frauen wurden verschleppt, versklavt und misshandelt. Knapp 2000 konnten seitdem entkommen. Noch immer werden Tausende vom IS gefangen gehalten.

Der IS jagt die Menschen aus dem Sindschar-Gebirge allein aus dem Grund, weil sie Jesiden sind. Ihre Religion halten sie für Götzendienst. Jetzt schlagen die Jesiden zurück.
"Als wir die vielen Entführungen und Vergewaltigungen der Frauen in Sindschar mitbekamen, wollten wir Verantwortung übernehmen und dagegen etwas tun", sagt Najwa. Sie entschied sich für den Kampf - wie so viele andere. Ungewöhnlich für jesidische Frauen, denn die Glaubensgruppe lebt eigentlich sehr traditionell.

Die deutsche Fotografin Birgit Haubner hat die jesidischen Frauen im Sommer 2015 getroffen. Sie fotografierte Kämpferinnen, die im Nordirak für verschiedene Milizen im Einsatz sind, und Jesidinnen, die ihren Vergewaltigern entkommen konnten. "Die Situation vor Ort ist immer noch extrem", sagt Haubner. "Die Einwohner bekommen wenig Unterstützung. Sie sorgen sich vor dem Winter."

In der Nähe von Dohuk und dem Trainingscamp der "Sun Girls" liegen mehrere Flüchtlingslager. Hier leben Jesiden, die dem IS entkommen konnten. Manche waren monatelang in der Hand der Extremisten - gequält, vergewaltigt, gebrochen.
Ewaish* wurde von den Dschihadisten entführt - mit ihren drei Kindern. Ihre Eltern wurden vor ihren Augen erschossen. Sie selbst wurde nach Syrien verschleppt und mehrfach hintereinander verkauft. Irgendwann gelang ihr mit den beiden jüngsten Kindern die Flucht. Was mit ihrer zehnjährigen Tochter passiert ist, weiß sie nicht.

Die Gräueltaten der Dschihadisten haben tiefe Spuren hinterlassen, vor allem Angst und Misstrauen. Einige haben ihre Heimat bereits verlassen und sind nach Europa geflohen, viele nach Deutschland. Wer geblieben ist, hat oft den Eindruck, vergeblich auf Hilfe zu hoffen. Also bilden die Jesiden ihre eigenen Milizen - wie die "Sun Girls".

Nicht nur die Peschmerga, auch die mit ihnen um die Gunst der Kurden rivalisierende "Arbeiterorganisation Kurdistans" (PKK) verzeichnet einen Zulauf von jesidischen Frauen. Wie etwa die 20-jährige Rojbin. Sie stammt aus der syrischen Stadt Qamishli und kämpft jetzt im Nordirak mit der ebenfalls neu im Januar gegründeten "Frauenverteidigungseinheit Shengal". Sie wurde vom syrischen Ableger der PKK ins Leben gerufen. Shengal ist der kurdische Name für Sindschar. Fast alle Kämpferinnen sind Jesidinnen.


"Als ich von dem Völkermord in Shengal hörte, wollte ich dorthin, um zu kämpfen", sagt sie, während sie kurz Pause von der der nur wenige hundert Meter entfernten Front macht. Ihres Sieges über den Feind ist sie sich sicher. Wenn der IS aus dem Sindschar-Gebirge vertrieben sei, wolle sie bleiben und nicht mehr in ihre Heimat in Nordsyrien zurückkehren. "Die Kultur der Jesiden ist hier lebendiger", sagt Rojbin.





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