Aus Datenschutzgründen könne man seine Lobbykontakte nicht herausgeben, behauptet die SPD seit über einem Jahr. Nun die Kehrtwende: Auf unseren öffentlichen Druck hin hat die Fraktion vollkommen überraschend die Namen von Lobbyisten offengelegt, denen sie einen Bundestagshausausweis verschafft hat - u.a. Rüstungskonzernen, Strommultis und Facebook.
Nun also doch. Seit über einem Jahr weigert sich die SPD, abgeordnetenwatch.de die Namen von Lobbyisten zu nennen, denen sie Zugang zum Deutschen Bundestag verschafft hat. "Sie werden Verständnis dafür haben, dass wir aus datenschutzrechtlichen Gründen keine näheren Angaben machen können," schrieb die Parlamentarische Geschäftsführerin Christine Lambrecht am 15. April 2014 auf abgeordnetenwatch.de-Anfrage. Auch von einem Gerichtsurteil, das wir im Juni mit unserer Klage erwirkt haben, ließ sich die SPD nicht beeindrucken.
Jetzt hat die SPD-Fraktion vollkommen überraschend mitgeteilt, welchen Lobbyisten sie einen Bundestagshausausweis bewilligt hat. Am Morgen kursierten unter Hauptstadtjournalisten zwei Lobby-Listen, die von der SPD-Bundestagsfraktion in Umlauf gebracht worden waren. Die eine enthält die Namen von 260 Unternehmen, Verbänden und Organisationen, denen die SPD 2014 einen Zugang zum Bundestag bewilligt hatte, die andere bezieht sich auf das aktuelle Jahr.
Deren Inhalt ist äußerst aufschlussreich. Insgesamt 218 Hausausweise hat die Fraktion im laufenden Jahr bewilligt. Dass die meisten von ihnen an Vertreter des SPD-Parteivorstandes (insg. 75), die parteinahe Friedrich-Ebert-Stiftung (36) und den Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (17) gingen, ist nicht allzu überraschend. Interessent ist allerdings, welche Unternehmen von den Sozialdemokraten einen Bundestagshausausweis erhalten haben:
die Rüstungskonzernen Rheinmetall AG und ThyssenKrupp Marine Systems (je ein Hausausweis)
die Energiemultis E.ON und RWE (je ein Hausausweis)
die Deutsche Telekom AG (ein Hausausweis)
die Barmer GEK-Versicherung (ein Hausausweis)
die Lufthansa AG (ein Hausausweis)
Aufgeführt werden in der Lobbyisten-Liste für 2015 außerdem ein Hausausweisinhaber aus dem Bereich "Kommunikation & Strategie", wobei offen bleibt, wer sich hinter dieser Bezeichnung verbirgt, sowie ein "Dienstleister Kommunikationsagentur". Auch namentlich nicht genannte "Berater" der früheren SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt sowie von SPD-Fraktionsize Hubertus Heil sind Inhaber eines Hausausweises. In der Liste für 2014 tauchen außerdem die Shell AG, der Branchenverband Bitkom, die Deutsche Post AG, der Verband der forschenden Pharmaunternehmen undFacebook auf.
Infolge der abgeordnetenwatch.de-Recherche zu den Lobbyisten-Hausausweisen haben nun SPD, Linksfraktion und Grüne freiwillig offengelegt, welchen Interessenvertretern sie Zugang zum Deutschen Bundestag gewährt haben. Die Union weigert sich weiterhin beharrlich.
Ob auch CDU und CSU ihre Lobbykontakte am Ende offenlegen müssen, wird derzeit vor Gericht geklärt. abgeordnetenwatch.de hatte die Bundestagsverwaltung darauf verklagt, die Namen aller Interessenvertreter mit Hausausweis zu veröffentlichten. Das Berliner Verwaltungsgericht gab uns zwar im Juni 2015 in allen Punkten recht, doch gegen dieses Urteil ist die Bundestagsverwaltung nun in Berufung gegangen. Die treibende Kraft hinter der Berufung waren übrigens CDU/CSU und SPD.
Indem nun zumindest die SPD ihre vehemente Transparenzblockade aufgegeben hat, macht sich unsere Arbeit der letzten Wochen und Monate bezahlt. Jetzt steht uns ein langwieriger Gerichtsprozess bevor, um auch die Lobbykontakte der Union öffentlich zu machen. Die CDU/CSU-Fraktion dürfte mehr als 500 Lobbyisten Zugang zum Deutschen Bundestag gewährt haben. Insgesamt verfügen laut Bundestagsverwaltung rund 1.000 Interessenvertreter über einen Hausausweis.
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