Keine Frage der Lehre
Echte
Bildung spielt in den Medien und der deutschen Öffentlichkeit keine
Rolle mehr – und wenn doch, dann nur eine negative. Menschen, die in
einem klassischen Sinn gebildet sind, gelten als elitär, konservativ und
altmodisch. Universitätsprofessoren preisen ein ungrammatisches
Kiezdeutsch als Umgangssprache der Zukunft, aus den Leselisten der
Schulen sind Goethe, Schiller, Heine und Kleist längst verschwunden, und
ein Film mit dem schönen Titel „Fack ju Göhte“ wurde auch deshalb von
zehn Millionen Menschen so gerne gesehen, weil sein unterirdischer Titel
Parole und Programm zugleich war.
Bildung – im klassischen Sinne – ist also out. Außer wenn es um
Flüchtlinge und ihre Integration in die deutsche Gesellschaft geht. Da
wird sie plötzlich wieder interessant. So hat etwa die Vereinigung der
Bayerischen Wirtschaft ein Gutachten in Auftrag gegeben, das den Titel
„Integration durch Bildung. Migranten und Flüchtlinge in Deutschland“
trägt. Verfaßt hat den Dreihundert-Seiten-Schinken eine Phalanx
hochkarätiger Professoren, alle samt und sonders Pädagogen, Soziologen
und durch die Bank Lehrstuhlinhaber.
Resultate sind ausgesprochen übersichtlich
Und was ist nun das Ergebnis dieses Opus magnum? Trotz der verquasten
Sprache („Immersion statt Submersion“), der unpräzisen und
unwissenschaftlichen Methode und des andauernden Herumredens um den
heißen Brei sind die Resultate schlicht und ausgesprochen übersichtlich:
Die in den vergangenen zwei, drei Jahren bei uns angekommenen
Flüchtlinge müssen in die deutsche Gesellschaft integriert werden.
Integrieren bedeutet: Die erwachsenen Flüchtlinge müssen schnell und gut
Deutsch lernen, weil sie sich nur so einigermaßen erfolgreich in
Gesellschaft und Arbeitsmarkt eingliedern können.
So ganz trauen die Autoren der Studie ihren eigenen Rezepten aber
selbst nicht, denn der Hauptteil ihrer Analysen und Empfehlungen befaßt
sich mit Kindern und Jugendlichen. Für die muß nun das volle Programm
her – vom Kindergarten bis zur Universität. Auf die Ganztags-Kita sollen
die Ganztags-Grundschule und danach die Ganztags-Gemeinschaftsschule
folgen. Alles unterstützt, ergänzt und weich gepolstert von einem Kranz
von staatlichen Fördermaßnahmen und interkulturellen Hilfsangeboten für
Eltern und Kinder, dargereicht von speziell dafür geschulten Lehrern und
Pädagogen, die es allerdings – das gestehen die Autoren der Studie in
einem Nebensatz ein – noch gar nicht gibt und so schnell auch nicht
geben wird.
Niveau absenken um Anforderungen zu erfüllen
Ist das Flüchtlingskind solcherart durch Kindergarten und Schule
gepäppelt worden, dann kommt dasselbe in Grün beim Berufseintritt. Auch
hier müssen viele integrative Maßnahmen ergriffen und jede Menge
Einrichtungen geschaffen werden, die alle nur ein Ziel haben: den
inzwischen „beschulten“ Immigranten irgendwie in das Berufsleben zu
bugsieren. Damit bei der Integration durch Bildung aber auch wirklich
nichts schiefgeht, empfiehlt die Studie andauernd, insbesondere aber bei
den Aufnahmezulassungen für Universitäten, flächendeckend Anforderungen
und Niveau zu senken, damit die späteren Altersversorger der Deutschen
auch den an sie gestellten Anforderungen gerecht werden können.
Zu all dem fällt dem Gebildeten jetzt Goethe ein, dessen „Faust“ da
sagt: „Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ Warum
fehlt der? Weil das ganze Gutachten auf falschen Annahmen über die Natur
des Menschen beruht. Obwohl von den Autoren nie eingestanden,
durchzieht die Studie auf Schritt und Tritt die längst diskreditierte
Schule des Behaviorismus, eine aus den Vereinigten Staaten importierte
Mischung aus Psychologie, Gesellschaftstheorie und Pädagogik, die den
Menschen auf den Status eines primitiven Lernautomaten reduziert, indem
sie annimmt, daß der Mensch als unbeschriebenes Blatt auf die Welt kommt
und Gesellschaft, Schule und Universität später in ihn hineintrichtern
können, was erwünscht und passend erscheint.
Der Mensch ist kein unbeschriebenes Blatt
Das stimmt natürlich nicht. Weder ist der Mensch ein unbeschriebenes
Blatt, wenn er auf die Welt kommt, noch kann man jungen Afghanen,
Irakern, Syrern, Serben und Albanern in wenigen Jahren das eintrichtern,
was die Lehrer an deutschen Schulen für sinnvoll und deutsche
Arbeitgeber für notwendig halten, nämlich ein Mindestmaß an Fleiß,
Lernwilligkeit und Leistungsbereitschaft, Achtung vor den Institutionen
einer modernen Gesellschaft, Respekt vor Recht und Gesetz und die
Akzeptanz einer säkularen Gemeinschaft ohne religiös versteinerte
Rollenmodelle.
Die Autoren des Integrationsgutachtens vernachlässigen vollständig –
und vermutlich ganz bewußt – den mächtigen Einfluß von Kultur und
Religion, den Eltern, Bekannte und Verwandte junger Asylbewerber aus
ihren Herkunftsländern ganz selbstverständlich mitbringen und woran sie
auch in Deutschland zäh festhalten werden.
Lehrer, Psychologen und Sozialarbeiter werden scheitern
Die Herkunft der Flüchtlinge aus Gesellschaften, die nicht wie das
Abendland durch Jahrhunderte der Aufklärung, Demokratisierung und
Säkularisierung gegangen sind; das von den Flüchtlingen mitgebrachte
Denken in Kategorien der Großfamilie, ihr mangelnder Respekt gegenüber
dem Staat und seinen Institutionen und ihre Akzeptanz von Gewalt als
Mittel der Problemlösung – dies sind die wahren Gründe dafür, warum
Integration so selten und so unvollständig gelingt.
Dagegen werden Lehrer, Psychologen und Sozialarbeiter nicht viel
ausrichten können. Mit Belgien und Frankreich verfügen wir außerdem über
leuchtende Beispiele, die zeigen, daß Integration nur durch Bildung
eben gerade nicht funktioniert.
JF 20/16
Junge Freiheit
....
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen