Paragraph 103 und Causa Böhmermann:
Sag zum Abschied leise Merkel
Beschließt eine Regierung, einen Straftatbestand
abzuschaffen, muss dies sofort geschehen. Sonst bestünde die
Möglichkeit, dass jemand mit Geldbuße oder Haft bestraft wird, der etwas
getan hat, was nicht mehr bestraft werden soll. Eine völlig groteske
und eines demokratischen Rechtsstaats unwürdige Vorstellung. Von der
entbehrlichen Belastung der Justiz, den Verfahrens- und Anwaltskosten
und dem Stress für den Betroffenen ganz abgesehen.
Als Kanzlerin Merkel (CDU) am 15. April 2016 in ihrer schamlosen Unterwerfungsgeste
gegenüber dem türkischen Präsidenten Erdogan dessen Strafantrag nach §
103 Strafgesetzbuch (vulgo: Majestätsbeleidigung) gegen Jan Böhmermann
zuließ, ergänzte sie dies mit der Erkenntnis der Bundesregierung, dass
diese „Strafnorm zum Schutz der persönlichen Ehre für die Zukunft
entbehrlich ist“. Für die Zukunft? Und ein Inkrafttreten erst in 2018?
Eine plausible Erläuterung dafür, warum dieser Schritt nicht
unverzüglich gegangen wurde, unterblieb. Sie ist auch nicht ersichtlich.
Merkel möchte eine lex Böhmermann machen
„Majestätsbeleidigung“ soll vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass
Beleidigung Beleidigung ist und diese nicht schwerer wiegt, wenn ein
Staatsoberhaupt beleidigt wurde, nicht länger mit erhöhter Strafe
geahndet werden. Vor dem Hintergrund der in jedem freiheitlichen
Rechtsstaat selbstverständlichen Erkenntnis, dass alle Menschen gleich
sind, erscheint dies nur naheliegend.
Merkel möchte mit der gegen den Willen des Koalitionspartners SPD
verzögerten Aufhebung aus der „Majestätsbeleidigung“ eine „lex
Böhmermann“ machen. Ein Einzelfallgesetz. Ein letztes Mal soll hier
noch, falls verurteilt würde, mit erhöhtem Strafmaß zugeschlagen werden.
Ein letztes Mal soll hier noch dem antiquierten, übermässigen
Ehrenschutz Vorrang vor der Presse-, Kunst- und Meinungsfreiheit
eingeräumt werden.
Dass sich die Justiz nicht zum Handlanger von Merkels albernem Possenspiel
machen lassen wird, liegt auf der Hand. Warum Merkel nicht für eine
sofortige Abschaffung der Vorschrift gesorgt bzw. die erforderlichen
Schritte des Gesetzgebungsverfahrens eingeleitet hat, liegt auf der Hand
und wurde oft genug thematisiert. Sie hat sich durch ihre katastrophale
„Flüchtlingspolitik“ und den schmutzigen deal mit dem türkischen
Autokraten Erdogan erpressbar gemacht.
Der lange Arm der Bundeskanzlerin
Aber Merkels langer Arm reicht noch weiter. In seiner heutigen Sitzung stimmte der Bundesrat auf Antrag
der Länder Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein,
Thüringen und Niedersachsen über eine sofortige Aufhebung der
„Majestätsbeleidigung“ ab. Die von CDU und/oder CSU (mit-) regierten
Ländern blockierten
dies mit ihren Stimmen, der Antrag wurde „zur weiteren Beratung den
Fachausschüssen zugewiesen.“ Warum? Es wird das Geheimnis dieser Länder
bleiben, was es hinsichtlich der faktisch bereits beantworteten Frage,
ob die Vorschrift abgeschafft werden soll, noch zu beraten gibt. Ein
klares und eindeutiges Signal des Rechtsstaates wäre angesichts der
Demutsgesten der Kanzlerin gegenüber einem Autokraten der richtige Weg
gewesen.
Abschließend möchte ich mir noch eine Spekulation erlauben: Erdogan
ist im zivilrechtlichen Verfahren gegen Böhmermann zumindest in der
ersten Instanz gescheitert. Böhmermanns Gedicht wurde am 31.03.2016
verlesen, Erdogans mit dieser Sache befasster Münchner Anwalt dazu am
12.04.2016 – im „heute-journal“ interviewt.
Die Abläufe in presserechtlichen Verfahren sind in aller Regel so, daß
auf eine mit einer Frist von maximal einer Woche versehene Abmahnung ein
Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht folgt.
Dies muss – ich formuliere hier zu Verständniszwecken „untechnisch“ –
sofort geschehen; wer sich Zeit lässt, verwirkt das Recht für ein
Eilverfahren. Selbst wenn man die zur Verfügung stehenden Zeiträume als
Anwalt ausschöpft, müsste nach üblichem Verlauf der Dinge längst eine
Entscheidung der ersten Instanz über den Verfügungsantrag vorliegen. Man
darf annehmen, dass ein Erdogan begünstigender Beschluß bekannt gemacht
worden wäre. Bei einem Erfolg wäre naheliegenderweise auch kein
Anwaltswechsel erfolgt.
Tatsächlich vertritt aber nun ein Kölner Anwalt
Erdogan in der Sache gegen Springer-Chef Döpfner.
Auf meine Anfrage vom Dienstag dieser Woche an den Münchner Vertreter
Erdogans nach dem Stand der Sache erfolgte bis heute, und trotz
nochmaligen Rückrufs heute, keine Antwort.
Siehe auch Steinhöfel.com hier
Achse des Guten
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