Freitag, 15. Juli 2011

Der Engel des Lächelns

Von Anselm Grün

Er kommt, wenn wir es am wenigsten erwarten. Er verwandelt Ungeduld, Ärger, Unmut. Der Engel des Lächelns ist ein Engel, der uns in Berührung bringt mit uns selbst.

Lächeln verwandelt

Ich unterbreche meine nächtliche Fahrt und gehe in eine Raststätte an der Autobahn, um einen Cappuccino zu trinken. Ich bin müde und muss noch zwei Stunden nach Hause fahren, bis ich dann weit nach Mitternacht in meinem Kloster ankomme. Ich möchte möglichst schnell meinen Cappuccino kaufen und ihn mit ins Auto nehmen. Doch vor mir sind ein paar Leute an der Kasse, die umständlich sind und erst in allerlei Taschen kramen. Ich spüre die Ungeduld in mir. Doch als ich dann schließlich an die Reihe komme, lächelt mich die Frau an der Kasse an. Das Lächeln verwandelt alle Ungeduld. Jetzt geschieht Begegnung. Ich begegne einer Frau, die mitten im Trubel des Geschäftes und am Ende eines sicher auch für sie langen Tages ihre Kunden anlächelt. Sie erscheint mir wie ein Engel.

Wie von selbst

Solche Engel des Lächelns bräuchten wir öfter, gerade dann, wenn wir ungeduldig sind und nervös werden, wenn innerlich in uns etwas zu brodeln anfängt und wenn unsere Mienen sich verfinstern. Der Engel des Lächelns verzichtet auf einen erhobenen Zeigefinger, er mahnt uns nicht, unsere finstere Miene aufzuhellen. Indem er uns einfach anlächelt, verwandelt sich unser Blick wie von selbst. Da können wir nicht mehr so grimmig drein schauen. Da gehen die Mundwinkel nach oben. Und auch in unserer Seele löst sich etwas und das lässt unser Gesicht anders erscheinen. Ich wünsche Ihnen immer dann, wenn Sie mit sich selbst unzufrieden, ungeduldig, hart sind, einen Engel des Lächelns, der gar nichts von Ihnen will, sondern Sie einfach nur anlächelt. Das verwandelt diesen Augenblick. Sie kommen wieder mit sich selbst in Berührung und Sie werden aus dem Ärger herausgeführt. Und deshalb werden Sie auch fähig, nun selber zu lächeln und für andere zum Engel des Lächelns zu werden.

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Dieser Text ist entnommen aus "einfach leben - Juni/Juli, Nr. 6/2011".

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