Donnerstag, 19. Februar 2015

Ein Volk von Antifaschisten

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Nichts tut so gut wie das Gefühl, gegen Rechts zu kämpfen. Denn dann steht man garantiert auf der richtigen Seite. Doch hinter der eifrigen Lust, überall die braune Gefahr aufzuspüren, verbergen sich gefährliche Selbsttäuschungen.
lfgang Thierse ließ sich nicht lumpen. Er kam eigens aus Berlin angereist, um das selbstlose Engagement in dem unscheinbaren Örtchen Teterow im Landkreis Rostock zu würdigen. Er lobte die „klare Positionierung gegen Rassismus und Ausgrenzung“, und er versäumte es nicht, darauf hinzuweisen, dass Rechtsextremismus „gerade im ländlichen Raum eine ernstzunehmende Gefahr“ ist. Auch Sylvia Bretschneider, die Landtagspräsidentin, kam nach Teterow und sprach von einem „Ereignis, das seinesgleichen sucht“, und pries das „klare Zeichen gegen Ausgrenzung und menschenverachtendes Verhalten“. Dann konnte es endlich losgehen. Mit kompromissloser Entschlossenheit legte die Politikerin den Ball auf das Tee und eröffnete mit einem beherzten Abschlag das Turnier „Golf gegen Rechts“. Der deutsche Antifaschismus stößt in immer neue Dimensionen vor.
Oft heißt es, Deutschland sei das Volk der Frührentner, der Schadenfrohen, der Besserwisser. Alles Unsinn. Es ist ein Volk von Antifaschisten oder vielleicht besser: der Gegen-Rechts-Aktivisten. Denn Rechts heißt das Zauber-, Schmäh- und Schlusswort schlechthin. Mehr muss man gar nicht sagen und auch nicht wissen. Rechts? Alles klar. Sattelt die Pferde!

Über 200 Initiativen im Kampf „gegen Rechts“ verzeichnet die Bundeszentrale für politische Bildung schon heute, und seit es die AfD und Pegida gibt, werden es immer mehr. Warum, ist klar. Nichts tut so gut wie das Gefühl, gegen Rechts zu kämpfen. Denn dann steht man garantiert auf der richtigen Seite. Wenn es stimmt, was Franz Werfel einst schrieb, dass nämlich neben dem Geschlechtstrieb kein Bedürfnis das Handeln des Menschen so sehr bestimmt wie die Sehnsucht nach moralischer Überlegenheit, dann ist leicht zu verstehen, warum der Kampf gegen Rechts solche Energien freisetzt: Er belohnt den Kämpfer mit einem maßlosen, ja mit dem denkbar größten moralischen Sieg überhaupt. Man stellt sich schließlich - irgendwie, im weitesten Sinne oder so - gegen Hitler und den Holocaust.

Mitunter nimmt der Wunsch, sich in die Pose des Kämpfers gegen Rechts zu werfen, geradezu pathologische Züge an wie im Fall des im Januar ermordeten Asylbewerbers Khaled Idris Bahray. Der zwanzig Jahre alte Mann aus Eritrea war in Dresden erstochen worden, und weil Dresden die Hauptstadt von Pegida ist, gingen 3000 Menschen ohne jede Kenntnis über Tat und Täter auf die Straße, um „Pegidas erstes Todesopfer“ zu beklagen. Volker Beck von den Grünen erstattete sogar unverzüglich Strafanzeige gegen die Kripo, die er mit den rassistischen Mördern irgendwie im geheimen Bunde wähnte. Auch hielt Beck es für denkbar, wenn nicht gar wahrscheinlich, dass die Polizisten die Spuren der rassistischen Tat verwischt hätten. Als dann ein Landsmann des Mannes den Mord gestand, ließen sich die Demonstranten davon kaum aus dem Tritt bringen und behaupteten trotzig: „Rassismus tötet!“ Vielleicht nicht direkt, aber indirekt, denn schließlich führten die schlechten „Unterkünfte für Asylbewerber, die rassistischen Polizeikontrollen und das fehlende Freizeitangebot“ - so die „Alternative Dresden“ in einer Erklärung - zur Traumatisierung der Bewohner und dann, im Einzelfall, logischerweise auch zu Gewalttaten unter Asylbewerbern. So ist die antifaschistische Welt am Ende doch wieder in Ordnung - und der Kampf gegen Rechts, so stellt man selbstzufrieden fest, ist auch hier wieder ein mutiges und notwendiges Zeichen gewesen, ja ein unmissverständliches Signal, dass man den Rechten nicht weichen wird.

Bleibt zum Schluss nur noch nachzutragen, wie das Turnier „Golf gegen Rechts“ ausging. 4100 Euro kamen an Startgeldern und Spenden zusammen und konnten dem FC Rostock für Trainingsprogramme zur Verfügung gestellt werden, in denen bevorzugt Kinder aus Asylbewerberheimen Fußball lernen sollen. Golf als Zweitsport kann ja später noch hinzukommen. Und das jährliche Turnier „Golf gegen Rechts“ hat sich um den „New Golf Award 2015“ beworben. Ausgezeichnet werden dabei die innovativsten Ideen für ein neues Golf-Turnier.
Kein Happy End war dagegen den Regensburger Wirten im Kampf gegen Nazis am Tresen vergönnt. Über die Frage, wem von ihnen die Preisgelder aus den zahlreichen Zivilcourage-, Mut- und Menschenrechtspreisen zustehen, gerieten sie in Streit und prozessierten gegeneinander vor Gericht.


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