Montag, 2. Februar 2015

Qualifiziert, integriert - Asyl abgelehnt >> nach 10 Jahren



.....


Zuwanderer dringend gesucht   !!!!







Qualifiziert, integriert - es fehlt der deutsche Pass


Ihre Heimat Armenien kennt Satenik G. nicht. Seit 21 Jahren lebt sie in Deutschland, ihr Jura-Staatsexamen bestand sie mit Prädikat, sie möchte Richterin werden. Doch das ist fast unmöglich.
Wenn Politiker über gelungene Integration sprechen, dürften sie Menschen wie Satenik G. vor Augen haben: Die zierliche 25-Jährige ist auf dem Papier Armenierin und gefühlt Deutsche, aufgewachsen in Mecklenburg-Vorpommern. Ihr erstes Staatsexamen in Jura hat sie zügig nach neun Semestern mit Prädikat abgeschlossen – eine Leistung, die nur wenigen Studenten gelingt. Auf den ersten Blick wirkt Satenik G. schweigsam, fast schüchtern.
Doch wenn es um die Auslegung von Gesetzestexten geht, kann sie sehr energisch werden und scharf argumentieren. Mit ihren Fähigkeiten sind die ersten Weichen für den Berufseinstieg bei einer internationalen Anwaltskanzlei gestellt. Bliebe ihre Leistung konstant, wäre ihr ein sechsstelliges Einstiegsgehalt sicher.
Doch Satenik G. hat einen anderen Traum: Sie möchte Richterin werden. "Ich lebe seit 21 Jahren hier und möchte Deutschland etwas zurückgeben", sagt sie. Doch das ist gar nicht so einfach. Denn sie gehört zu den 178.145 oft gut integrierten Ausländern, die laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zum Teil seit Jahren "aus humanitären Gründen" in Deutschland leben. Um als Richterin arbeiten zu können, brauchte Satenik G. aber die deutsche Staatsbürgerschaft.
Das neue Asylgesetz der großen Koalition stellt gut integrierten Ausländern, die bislang nur geduldet sind, einen gesicherten Aufenthaltstitel in Aussicht. Dafür müssen sie mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt haben, ausreichende Deutschkenntnisse vorweisen und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. Bei Minderjährigen sind vier Jahre Schulbesuch ausreichend. Die deutsche Staatsbürgerschaft liegt für viele aber weiterhin außer Reichweite, obwohl das Asylrecht etwa 50 verschiedene Möglichkeiten bereithält, einen Aufenthaltstitel zu erhalten.
In einer kalten Dezembernacht kommt die hochschwangere Anahit H. mit ihrer vierjährigen Tochter Satenik nach Deutschland, die Familie stellt einen Asylantrag. Wenig später, im Februar 1994, wird Sateniks jüngerer Bruder Norair geboren. Die Ehe der Eltern hält nur noch auf dem Papier und soll erst Jahre später geschieden werden. Die Familie stammt aus Armenien und fühlte sich dort nicht mehr sicher. Der Kaukasusstaat hat sich 1991 von der Sowjetunion unabhängig erklärt. In den Jahren des Umbruchs hatten die Eltern von Satenik G. gegen die Machthaber demonstriert und wurden deshalb von der Polizei drangsaliert. Auch nach der Unabhängigkeit ihres Landes sahen sie keine Zukunft mehr in Armenien und entschlossen sich deshalb zur Flucht.

Der Antrag wird abgelehnt – nach zehn Jahren

Nach der Ankunft in Deutschland beginnt das große Warten auf die Entscheidung der Behörden. Die Familie kommt in verschiedenen Asylantenheimen in Mecklenburg-Vorpommern unter. Satenik G. besucht erst den Kindergarten, dann die Grundschule und schließlich das Schloßgymnasium in Gützkow. Erst 2003, fast zehn Jahre nach ihrer Einreise, wird die Familie plötzlich zur Ausreise aufgefordert – der Asylantrag wurde abgelehnt.
Satenik G. geht zu diesem Zeitpunkt in die achte Klasse, spricht fließend Deutsch und nur ein paar Brocken Armenisch. Ihr kleiner Bruder, inzwischen neun Jahre alt, kennt die alte Heimat nur aus den Erzählungen seiner Eltern. Sateniks Mutter zieht vor Gericht und erreicht eine so genannte "vorübergehende Aussetzung der Abschiebung" – die Familie wird geduldet. Weitere fünf Jahre später wird die Duldung aufgehoben und in einen Aufenthalt aus humanitären Gründen umgewandelt, der alle sechs Monate verlängert werden muss. Satenik G. und ihre Familie können zwar in Deutschland bleiben, dürfen aber das Bundesland nicht verlassen und nur mit Genehmigung einer Arbeit nachgehen.
Ich bin gut integriert und habe fast mein ganzes Leben hier verbracht. Warum wird mir der letzte Schritt der Integration verwehrt – die Staatsbürgerschaft?
Satenik G.
Angehende Juristin
Satenik G. hat sich in Deutschland immer wohlgefühlt. Ihr Wunsch war es vor allem, dazuzugehören. "Ich habe kaum Erinnerungen an Armenien, meine Heimat ist hier", sagt sie. "Abgesehen vom Aufenthaltsstatus, hatte ich eine Kindheit wie jede andere Deutsche auch." Nach dem Abitur absolviert Satenik G. ein freiwilliges soziales Jahr in einer Greifswalder Kita, bevor sie 2009 für ein Jurastudium nach Berlin zieht.
Doch nur kurze Zeit später steht plötzlich ihr Aufenthaltstitel auf der Kippe: Im Frühjahr 2010 stellt sich heraus, dass die Familie den Asylantrag unter einem falschen Namen gestellt hat. Mit ihrem echten Namen wäre ihre armenische Identität sofort nachweisbar gewesen. Und Armenien galt nicht als Land, in dem politische Verfolgung stattfindet. Und die Behörden dürfen einen Asylbewerber aber nur abschieben, wenn die Identität zweifelsfrei bewiesen ist. Aber niemand aus Armenien konnte eine Aussage treffen über die Familie mit dem falschen Namen.

Die Familie kommt mit einem blauen Auge davon

2010 wird also ein Verfahren gegen die Familie eingeleitet, die Möglichkeit der Abschiebung nach Armenien steht plötzlich wieder im Raum. Satenik G. erinnert sich noch gut an die Anspannung: "Ein Beamter der Ausländerbehörde sagte vor Gericht aus, dass wir längst abgeschoben worden wären, wenn meine Mutter damals unseren richtigen Namen angegeben hätte", erzählt sie.
"Ich kann verstehen, dass meine Eltern bei der Einreise unter großem Druck standen und deshalb falsche Angaben gemacht haben – aber in diesem Moment hatte ich richtig Angst um meine Zukunft." Doch die Familie kommt mit einem blauen Auge davon: Sateniks Mutter zahlt eine Geldstrafe, danach wird der Aufenthalt aus humanitären Gründen weiter gestattet. Alle zwei Jahre muss die Genehmigung verlängert werden.

Jetzt soll ein Brief an den Bundespräsidenten helfen

Migrationsexperten sehen bei der rechtlichen Situation von qualifizierten Migranten großen Nachholbedarf – die geplante Reform des Bleiberechts sei nur ein erster Schritt in die Richtung: "Es gibt im deutschen Zuwanderungsrecht noch viele weitere problematische und reformbedürftige Regelungen", sagt Johannes Giesecke vom Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung an der Humboldt-Universität.
Den Behörden seien dabei oft die Hände gebunden, so Giesecke: "Oft können sie eben nur das umsetzen, was im Gesetz steht." Der Ermessensspielraum sei in den meisten Fällen gering gehalten, um subjektiv geprägte Entscheidungen zu vermeiden.
Auf eine sogenannte Ermessenseinbürgerung hatte Satenik G. vergeblich gehofft. Die Behörden können eine positive Entscheidung fällen, wenn ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung besteht und der Bewerber einige Grundvoraussetzungen erfüllt. Doch für Migranten mit einem Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen besteht derzeit kein rechtlicher Anspruch auf Ermessenseinbürgerung. Ihren Berufstraum möchte Satenik G. trotzdem noch nicht aufgeben: Sie schreibt jetzt einen Brief an den Bundespräsidenten.


....

Keine Kommentare: