Dienstag, 17. Februar 2015

Wenn die Welt zu viel wird

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Sie nehmen mehr wahr als andere und erleben alles intensiver. Etwa jeder sechste Mensch gilt als hochsensibel. Hochsensibilität hat Vor- und Nachteile, ist keine psychische Störung oder Krankheit, kann aber gesundheitliche Probleme auslösen.

Doris besucht eine Party. Sie geht hin, weil sie zwei ihrer Freundinnen gefragt haben, ob sie mitgeht. Doris hofft, dass es ein unterhalt­samer Abend wird, hauptsächlich geht sie aber wegen ihrer Freundinnen hin. Bei der Party amüsieren sich Doris’ Freundinnen gut. Sie kennen einige Partygäste, viel mehr als Doris. Außerdem ist die Musik sehr laut. Doris hat einen inneren Konflikt. Sie will das Event verlassen, aber ihre Freundinnen nicht enttäuschen. Und mit ihnen streiten will sie auch nicht, denn aus einem zwischenmenschlichen Konflikt kann sie nicht als Gewinnerin aussteigen. „In dem Moment, in dem ein Konflikt auftritt, hat eine hochsensible Person schon verloren“, sagt Georg Parlow, Obmann des Vereins „Zart besaitet“, im Gespräch mit der KirchenZeitung. Selbst wenn hochsensible Personen, kurz „HSP“, Konflikte für sich entscheiden, würden sie den Schmerz des Verlierers intensiv wahrnehmen und selbst darunter leiden. 

Probleme wie diese begleiten HSP im Alltag. Hochsensibilität hat aber auch Vorteile. „HSP nehmen in jeder Situation viel mehr Details und Einzelheiten wahr“, sagt Parlow. Das treffe genauso auf positive Dinge im Leben zu: „Die erlebt man tiefer, auch die kleinen Freuden des Alltags.“ Deshalb seien die meisten Hochsensiblen sehr intuitiv und gute Zuhörer. 



Informationen helfen

Hochsensibilität ist ein wenig erforschtes Thema. Eine eindeutige neurowissenschaftliche Definition gibt es nicht. Im deutschsprachigen Raum setzen sich eigene Vereine damit auseinander. Sie bieten Menschen, die durch ihre Hochsensibilität Probleme haben, Beratung an. Georg Parlow ist selbst hochsensibel und hat schwierige Lebensphasen durchgemacht. Er gründete den Verein „Zart besaitet“. Der Verein stellt auf seiner Homepage Informationen zur Verfügung, veranstaltet Seminare und berät HSP persönlich. 
„Alleine die Information zu bekommen und zu wissen, was Hochsensibilität bedeutet, ist für viele HSP schon ausreichend“, sagt Parlow. Wenn Hochsensible trotz dieses Wissens immer wieder in dieselben Problemsituationen schlittern, empfiehlt Parlow, sich beraten zu lassen von Personen mit Erfahrungen zum Thema Hochsensibilität. Tritt parallel dazu eine psychische Krankheit auf, können Betroffene wie Normalsensible einen Psychotherapeuten aufsuchen.



Nicht alle introvertiert

Laut der Webseite von „Zart besaitet“ sind 70 Prozent der HSP introvertiert, 30 Prozent extrovertiert. Introvertierte Hochsensible ziehen sich häufig zurück, wenn ihnen in einer Situation alles zu viel wird. Für sie ist wichtig, dass Rückzug nicht die einzige Bewältigungsstrategie ist, denn das könnte zur Isolation führen. Extrovertierte HSP sind sozial sehr aktiv und kontaktfreudig. Für sie besteht die Gefahr, dass sie sich dadurch selbst übernehmen. 

In der Forschung über hochsensible Menschen gebe es „noch einiges an Bedarf“, so Parlow. Er betont, dass Hochsensibilität nicht mit einer Neurose oder Sozialphobie zu verwechseln sei. Es handle sich um keine psychische Störung oder Krankheit. Auf der Webseite von Parlows Verein heißt es: „Hochsensibilität ist eine normale Spielart innerhalb der Verschiedenheit menschlicher An­lagen, ebenso wie zum Beispiel die Haarfarbe.“

Weitere Informationen zum Thema stellt der Verein „Zart besaitet“ zur Verfügung, etwa auf der Homepage www.zartbesaitet.net.

Zur Sache

Merkmale von Hochsensibilität

Die US-amerikanische Psychologin Elaine N. Aron prägte den Begriff „hochsensible Personen“, kurz „HSP“. Sie fand heraus, dass diverse Gehirnregionen von hochsensiblen Menschen stärker auf äußere Reize reagieren als bei normalsensiblen. Diese Besonderheit zeigt sich in verschiedenen Verhaltensmustern. Von diesen treffen nicht alle auf jede HSP zu. 


Streben nach Perfektion

Hochsensible haben einen verstärkten Willen, dass alles perfekt und vollkommen ist, auch sie selbst. Wenn sie einen Fehler machen, nehmen sie diesen als Teil eines perfekten Ganzen an. HSP versuchen aus dem Fehler zu lernen und ihm so einen Sinn zu geben. Der Perfektionismus betrifft auch den eigenen Lebensstil. Hochsensible Menschen ernähren sich gesund und machen regelmäßig Sport. Viele HSP bleiben dadurch bis ins hohe Alter fit. 


Komplexe Gedanken

Hochsensible Personen nehmen mehr Informationen auf und haben ein vielfältiges Innenleben. Ihre Gedankengänge sind kompliziert. Sie erkennen Zusammenhänge, die normalsensible nicht wahrnehmen. Viele HSP denken regelmäßig über das eigene Denken nach. Sowohl hochsensiblen Kindern als auch Erwachsenen sollte man ihre Denkweise lassen. Für eine HSP ist es am schlimmsten, nicht akzeptiert zu werden und sich verstellen zu müssen.

Kirchenzeitung
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