Dienstag, 8. Februar 2011

Lagerhaus-Mentalität: Gott als Vorrat – Oder: Glaube verdorrt über Nacht

Quelle
.
Ein guter Gottesdienst ist für mich oft wie ein Sprungbrett zu Gedanken und Ideen, die mir durch Lieder, Predigt, Stillezeiten kommen – deswegen habe ich immer Stift und Notizblock dabei (bzw. den muss ich mir meistens von meiner Frau leihen, weil Frauen ja diese praktischen Handtaschen mit sich herum schleppen…) und schreibe auf.

Diesmal hakten meine Gedanken bei einer faszinierenden Bibelstelle ein, die uns allen vermutlich vertraut ist (2. Mose 16): Gott versorgt das Volk Israel mit Manna – Nahrung für den Tag. Immer nur für einen Tag – morgens suchen, bis abends essen, nichts über Nacht aufbewahren, sonst vergammelt die gute Speise. Gottes Manna reicht immer nur für einen Tag. Manna muss jeden Tag neu gesucht werden. Manna kann man nicht aufbewahren. 
 
Als Redakteur und Ideenmensch fasziniert mich dieser Gedanke ungeheuer: Dass man so etwas Gutes wie Manna nicht aufbewahren kann. Dass man jeden Tag neu suchen muss. Manna ist Nahrung für den Tag - nicht mehr.

Sowas ist für mich als Redaktionsmensch contra-intuitiv. Denn ich bin ein Sammler. Muss einer sein. Von guten Sachen kann man doch nie genug haben, oder? Ein Lagerhaus voller guter Sachen, Gedanken, Ideen - das gibt eine ungeheure Sicherheit. 

Auf meinem Schreibtisch stapeln sich Klarsichtordner voll mit Notizen aus Gottesdiensten: Zettel, Programme, Werbung - alles vollgeschrieben mit Ideen und Gedanken. Was man daraus
noch alles machen kann! Eingefrorene Gedankenblitze in der Redaktions-Tiefkühltruhe. Lagerhausmentalität. Lagerhaus = Sicherheit. Vorrat von Gott. Aber kann man einen Vorrat von Gott haben?

Und na klar, exegetisch gibt dieser Text nicht her, dass solch ein Verhalten generell falsch ist: Mose spricht über Gottes Manna - nicht über meine Ideenzettel. Aber irgendwie spricht dieser Zusammenhang trotzdem zu mir: Lagerhausmentalität entdecke ich überall in der christlichen Szene. Das Gute festhalten. Die tolle Erfahrung in die Tiefkühltruhe packen, damit ich sie wieder auftauen kann, wenn ich sie brauche. 

Gottes Segen von gestern - der uns Sicherheit für heute und morgen gibt. Gott auf Konserve gezogen. Aber wenn man es so darstellt, dann wird schnell klar: Das kann ja nicht nur gut sein. So schön es ist, Segen zu feiern, gute Ideen zu sammeln oder Schätze im Himmel zu wissen  - Sicherheiten von gestern sind eben gerade nicht das, was uns heute leben lässt. Lagerhaus-Mentalität aus Sicherheits-Streben - das kann eben auch der Versuch sein, sich von Gottes Versorgung heute zu emanzipieren.

Aber genau so sind wir als Menschen – nicht nur als Redakteure: Nicht sammeln ist contraintuitiv. Manna anzuhäufen entspricht unserem Wunsch, das Morgen zu sichern. Sich morgen eben nicht noch einmal auf Gott verlassen zu müssen. Weiß ich denn, ob es morgen noch Manna regnet -  oder Ideen? Gute Erfahrungen? Schöne Momente? Klare Visionen? Feste Grundsätze? Bessere Alternativen? Dann doch lieber festhalten, ins Lagerhaus stecken, aufstapeln - selber Sicherheit produzieren…
 
Ich weiß, dieser Gedanke stimmt ja nur halb - man darf sammeln und sichern und soll vorsorgen. Aber zugleich fasziniert mich das über Nacht verderbende Manna enorm - darin entdecke ich ganz viel wieder, was mir bekannt vorkommt. Da ist eine Gefahr abgebildet, die enorme Bandbreite hat. Gutes Sichern – und falsches Sichern. Frisches Vertrauen für jeden Tag - und angemessene Vorsorge. Beides gilt, beides ist richtig.

Aber es steckt auch eine enorme Verführungskraft in einer Lagerhausmentalität. Wie leicht und schön ist es, den Bestand des Glaubens und das schon mal Erlebte oder Gehabte im Glauben scheinbar gesichert im Lagerhaus zu wissen. Ich teile dann jeden Tag nur noch ein Schlückchen von dem aus, was ich sicher habe - und merke vielleicht gar nicht mehr, dass es längst nicht mehr schmeckt; dünne, braune Soße ist - die nur noch ein bisschen christlich aussieht, aber nicht mehr frisch, vital, wirklich Nahrung für heute ist. Nicht Manna, sondern Eingemachtes.

Leben vom Eingemachten. Kann man ja machen. Muss man manchmal machen. Warum aber suchen wir oft nicht das Manna von heute? Wenn wir doch vertrauen darauf, dass Gott  jeden Tag gibt! Und dass Gott wirklich gestern, heute und morgen derselbe ist. 

Sammeln, sichern, wegstauen, besitzen - contra heute suchen. Heute neu auf Gott setzen. Jeden Morgen Vertrauen wagen. Ganz klar, man riecht das schon von weitem: Sichern und sammeln ist viel risikoloser. Ist in meiner Gewalt. Kann ich alleine.

Aber manchmal verrechnen wir uns eben dabei - und deswegen sehe ich in diesem Text diese starke Warnung Gottes, nicht in falsche Lagerhausmentalität zu fallen. Wir sichern - und sind gar nicht sicher. Zum Beispiel meine Notizzettel, die kann ich oft schon Tage danach nicht mehr lesen, weil ich meine Schrift nicht entziffern kann. Die tollen Sätze - entfalten kein Feuer mehr in mir, weil ich den Geist des Moments nicht aufs Papier gebracht habe. 

Im Lagerhaus verliert sich manches - was man sicher glaubte. Ich bin fest überzeugt: Das gilt für Vieles im Glauben. Lehrsätze und geistliche Besitzstände, die wir als Kirche Gemeinde, Familie, einzelne sicher glaubten - und deswegen nicht aufgefrischt haben. Frisch  - oder verdorben und mit verloschenem Feuer irgendwo im Lagerhaus unserer Sicherheiten?

Beim Reden mit meiner Frau über diese Lagerhaus-Mentalität und das Contra-Intuitive des Nicht-Sammelns und das Mühsame des täglichen Suchens - sagt sie mal wieder das, was ja bei diesem Thema das Wichtigste bleibt: "Aber Gott will uns doch täglich versorgen, darum geht es doch!" Stimmt ja überhaupt - das ist doch die wichtigste Aussage an dem Ganzen!

Das hätte ich schon beinahe wieder aus dem Blick verloren, dass es ja um diese positive Zusage geht. Aber genau um diese Tendenz, diese anstrengende Zusage Gottes zu verdrängen, geht es wohl bei diesem Text. Es ist mühsam, jeden Tag zu vertrauen  - und nicht auf gesammelte Sicherheiten von gestern zu setzen. 

Redakteure müssen sammeln. Menschen müssen sammeln – darin liegt nichts Verkehrtes. Aber in falschen Sicherheiten und im Vermeiden des Wagnisses, Gott jeden Tag neu suchen zu müssen, darin eben schon. Glaubenskonserven gibt es nicht - Glauben verdorrt über Nacht. Und muss wieder neu begonnen werden, wenn wir am Morgen aufstehen.

Oder habe ich mich da jetzt zu weit vorgewagt? Was kann man sichern - und was nicht? Der Manna-Gedanke wird mich noch länger beschäftigen …
 
Viel Freude am neuen AUFATMEN – als regelmäßiger Bezieher können Sie sich freuen auf
ein neues Heft voll mit guten Gedanken. Nahrung für heute.


.

Keine Kommentare: