Mittwoch, 2. Februar 2011

Michael Spreng: "Der Lobbyismus ist schon in die Politik eingebaut"

.
Interview mit Michael H. Spreng


Er managte die Marken Stoiber und Rüttgers, für viele gilt er als Inbegriff des Spin-Doktors, auch wenn er selber keiner sein will: Der Berater Michael Spreng spricht im Interview mit Cicero Online über die Schwächen unserer Politiker, ihre Deals mit Medien und ihre PR-Experten. Dazu erklärt er, warum der Politiker Guido Westerwelle „irreparabel beschädigt“ ist.


Herr Spreng, würden Sie sich selbst als Spin Doktor bezeichnen?
Nein, würde ich nicht. Erstens, weil man darunter auch versteht, Nachrichten einen bestimmten Spin, also einen so starken Drall zu geben, womit sie nicht mehr der Wahrheit entsprechen, und das tue ich nicht. Und zweitens hat das Wort in Deutschland keinen guten Klang. Ich hab meine Aufgabe als Kommunikationsberater immer darin gesehen, das Auftreten von Politikern und Unternehmen zu professionalisieren. Aber eben nicht im Sinne eines Spin Doktors.
 
Wen beraten sie momentan?
Kundennamen werden sie von mir nicht hören. Meist Unternehmen, aber immer mal wieder auch projektbezogen für die Politik. Meist geht es dann darum, ein bestimmtes Problem in den Griff zu kriegen und die Kommunikation neu aufzustellen. Nur die persönliche Beratung einzelner Politiker, die mache ich nicht mehr.

Warum nicht?
Weil mir für diese enge Bindung zu Politikern der Preis der Selbstverleugnung dann doch zu hoch ist. Wenn man nach 30 Jahren als Journalist auf einmal Vollzugsorgan eines Politikers wird, ist das auf Dauer kaum zu ertragen. Dafür ist mein journalistisches Gen zu stark.

Sie waren 2002 Edmund Stoibers Wahlkampfberater, 2004 polierten sie die Marke Jürgen Rüttgers. Wie genau geht man als Berater an die Entwicklung solcher Politikermarken heran?
Man entwickelt – zusammen mit den engsten Mitarbeitern – eine Kampagnenstrategie. Und geht auch ins Detail: Bei Rüttgers Beispiel war ja damals das Problem, dass er als arrogant und wenig volksnah galt. Als erstes mussten wir ihn deshalb den Menschen näher bringen. Dafür haben wir unter anderem neue Veranstaltungsformen erfunden, talkshowartig, mit einer Moderatorin, und seine Frau trat mit ihm auf. Das war ein Versuch, ihn menschlicher zu machen. Stoiber dagegen, galt als effizient und kompetent, aber nicht so sympathisch. Da gegen Schröder das Rennen um die Sympathie sowieso nicht zu gewinnen war, haben wir uns deshalb mit der Frage gar nicht lange aufgehalten. Stattdessen haben wir Stoibers Kompetenz in den Mittelpunkt der Kampagne gestellt: Der Mann ist vielleicht nicht so sympathisch wie Schröder, aber er kann es einfach besser. Die Kampagne wurde also als Gegenbild zum Konkurrenten entwickelt, nach dem Motto: Stärken stärken, und sich nicht zu lange mit den Schwächen aufhalten.

Bis in welche Details gehen solche Kampagnen eigentlich? Empfehlen Sie Ihren Kunden auch Dinge wie Wortwahl, Garderobe, Körperhaltung oder Mimik?
Wie weit man gehen kann, hat damals zum Beispiel Klaus-Peter Schmidt-Deguelle als Berater von Hans Eichel gezeigt: Als Eichel sich einen Hexenschuss holte, streute Schmidt-Deguelle er hätte sich den beim Putzen zuhause zugezogen. Das war erfunden, aber gut für Eichels Image. Aber natürlich gehört auch das Wording dazu, und die Art des Auftretens oder sogar die Körperhaltung. Es beginnt ja schon damit, wie einer in der Talkshow sitzt. Ob er eine herablassende, verächtliche Mimik hat, oder vielleicht zu aggressiv wirkt. Das gehört alles dazu. Kleidung eher weniger, deutsche Politiker haben meist ohnehin dieselbe Einheitsuniform.

Gibt es Entscheidungen und Ideen aus ihrer Zeit mit Stoiber und Rüttgers, die sie als persönlichen Coup, als PR-Triumph bezeichnen würden?
Na ja, was heißt Coup, es geht dabei ja nicht um Einzelereignisse, sondern um eine Gesamtstrategie, die dann vollzogen wird. Bei Stoiber ging es um die Schlüsselbegriffe Kompetenz und Team, immer als Gegenbild zu Schröder, der nicht teamfähige, nicht so kompetente. Und das hat ja auch lange funktioniert. Dazu kamen dann auch das Briefing für die Agenturen, der Internetauftritt und Dinge wie die Sloganentwicklung und die Spots. Was zum Beispiel mit auf meinem Mist gewachsen ist, war Stoibers Plakat: „Kantig, echt, erfolgreich“, oder bei Rüttgers der Wahlkampfslogan: „NRW kommt wieder“.

Im Endergebnis sind heute sowohl Stoiber als auch Rüttgers politisch gescheitert. Sind ihre Ratschläge am Ende nach hinten losgegangen?
Nein, Rüttgers hat ja 2005 gewonnen. Und Stoiber wurde auch ein Opfer der Verhältnisse. Noch im Juli war man im Kanzleramt kurz davor, die Papiere zu verbrennen. Aber dann kam die Flut, bei der Schröder als Regierungschef im Vorteil war, und anschließend seine Irak-Kampagne, während die Union in dieser Frage gespalten war. Bis dahin lief der Wahlkampf für Stoiber eigentlich sehr gut, aber damit war es dann gegen ihn gelaufen.

Externe Kommunikationsberatung wie ihre ist in der deutschen Politik noch immer relativ unüblich, jedenfalls im Vergleich zu den USA oder Großbritannien. Warum eigentlich?
Weil es bei uns noch immer keine normale Durchlässigkeit zwischen Politik, Medien und Wirtschaft gibt. Journalisten sind anschließend stigmatisiert. Und dass ich beispielsweise Stoiber beraten habe, kam nur durch eine besondere persönliche Nähe. Weil ich bei der “Bild am Sonntag“ damals gerade als Chefredakteur gefeuert worden war, konnte ich für die Politik eine Rolle spielen, die für sie sehr wichtig ist: Nämlich ihr vermitteln, wie eine Botschaft beim Empfänger ankommt. Die Politiker denken normalerweise immer nur daran, was sie absenden wollen, aber versetzen sich nicht in die Rolle des Empfängers.

Genau für diese, überlebenswichtige Perspektive ist unsere Politik aber doch von externer Beratung abhängig.
Richtig, und es gibt sie ja auch – aber dann geht es meist um konkrete Sachpolitik. Roland Berger oder McKinsey beraten zum Beispiel die Bundesregierung. Aber erstens hat die Politik kaum Geld, besonders die Parteien nicht. Und zweitens ist unsere Politik viel zu misstrauisch, um unabhängige Köpfe von außen in den „Inner Circle“ zu lassen. Da war ich 2002 eine Ausnahme. Besonders bei den Parteien gibt es wieder mehr den Trend, sich abzuschotten, und alles hausintern zu regeln. Besonders ausgeprägt ist das bei der Kanzlerin.

Haben Sie selbst durch ihren Seitenwechsel eigentlich auch eine neue Perspektive auch ihre Kollegen von der Presse bekommen?
In erster Linie habe ich neue Einsichten in die Seele von Politikern bekommen. Wie viel Angst sie teilweise vor den Medien haben, wie sie vor „Spiegel“-Berichten zittern und sich um die Talkshowplätze balgen. Mir ist also hautnah klar geworden, wie abhängig die Politiker von der medialen und öffentlichen Aufmerksamkeit sind. Das war mir zwar bekannt, aber es so direkt zu erleben, ist doch etwas anders.

Kommunikationsexperten, PR-Berater, Spin-Doktoren, sie alle nehmen ja nicht nur Einfluss auf die Politik, sondern in erster Linie auf die Presse. Leute wie der Spin-Doktor Klaus Kocks behaupten, die Medien fräßen der Branche mittlerweile aus der Hand. Wie erleben Sie das?  
 


.

Keine Kommentare: