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Kommende Woche werden 4,7 Millionen Hartz-IV-Empfänger gespannt auf Deutschlands Spitzenpolitiker schauen.
Am 11. Februar soll der Bundesrat über das neue Gesetz zu höheren Regelsätzen, Zeitarbeit und dem Bildungspaket für Kinder abstimmen. Ob sich die Parteien vorher im Vermittlungsausschuss einigen, ist fraglich.
Es ist Wahlkampf in Deutschland. In sieben Bundesländern kämpfen die Parteien um nichts Geringeres als die Macht im Land. In diesen Phasen politischen Daseins möchten sich Politiker abheben, ihr Profil schärfen, mit weitsichtigen Ideen auffallen, durch große Gesten von sich reden machen. Was sie nicht möchten: mühsame, kleinteilige Politik betreiben, Kompromisse machen, sich einigen müssen. Noch dazu unter Zeitdruck. Nein, das mag ein Politiker im Wahlkampf nicht.
Genau in diesem Konflikt aber befinden sich die Parteien der Bundesrepublik Deutschland und sie tragen ihn aus auf dem Rücken der Ärmsten. Denn der Hartz-IV-Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat wird in der kommenden Woche wieder zusammentreten – und mit Blick auf die Beteiligten scheint ein Scheitern der Verhandlungen durchaus wahrscheinlich.
Ausgangspunkt für die zähen Verhandlungen war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger als nicht transparent genug erachtete. Ein Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen wurde kurz vor Weihnachten zunächst vom Bundestag verabschiedet, dann aber vom Bundesrat mit der Mehrheit der Oppositionsparteien abgeschmettert. Nun suchen die Koalitionspartner Union und FDP zusammen mit SPD, Grünen und Linke nach einem Kompromiss. Vor allem verhandeln sie dabei über das Bildungspaket für die Kinder von Hartz-IV-Beziehern, über die Neuregelung von Zeitarbeit und eben über die umstrittenen Hartz-IV-Regelsätze.
Letztere werden auf der Basis der Einnahmen und Ausgaben von 60.000 zufällig ausgewählten Privathaushalten festgelegt. Der Paritätische Wohlfahrtsverband ist nun allerdings nach neuesten Berechnungen auf andere Zahlen gekommen als die Regierungsparteien, die eine Erhöhung um fünf Euro beschlossen haben. Danach stünden Langzeitarbeitslosen monatlich 35 Euro mehr zu - Wasser auf die Mühlen der SPD, die schon lange eine Neuberechnung fordert. Nun mischte auch noch die Kanzlerin mit und polterte im Hamburger Abendblatt, sie habe „bisher noch kein einziges Argument gehört, das Ursula von der Leyens Berechnungen überzeugend infrage stellt." Sie sähe damit keine Notwendigkeit, von der bisher geplanten Erhöhung auf 364 Euro abzuweichen.
Ein ähnliches Szenario gibt es beim 790 Millionen Euro schweren Bildungspaket: Seit Monaten wird darüber gestritten, wie und in welcher Höhe die zusätzlichen Gelder für Schulmaterialien, Sportvereinskosten oder Musikunterricht an die bedürftigen Familien weitergereicht werden sollen. Das Arbeitsministerium plant eine Chipkarte für die Eltern, die das Geld von den Kommunen bekommen sollen. Die aber seien mit der Verteilung überfordert, das Geld gehöre in die Hände von Pädagogen, heißt es bei den Kritikern.
Eher solle eine unbürokratische und flächendeckende Schulsozialarbeit eingeführt werden, wünscht sich die SPD. "Wir reden über das Wie, nicht über das Ob", heißt es dazu wenig kompromissbereit von Seiten der SPD-Verhandlungsführerin im Vermittlungsausschuss, Manuela Schwesig. Die Union lehnt das ab und stellt höchstens einen Bildungslotsen in Aussicht, der sich in den Kommunen um Kinder von Hartz-IV-Empfängern kümmern soll.
Bei der Frage der Zeitarbeit knirscht es sogar in den Reihen der Regierungsparteien. Ursula von der Leyen steht dem Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, neudeutsch Equal Pay, und einer Einführung des Mindestlohns grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. Die Frage ist, ab wann das Equal-Pay-Prinzip greifen soll. Die SPD fordert es nach einer Einarbeitungszeit von vier Wochen. Die CSU hat hier Entgegenkommen signalisiert.
Absolutes Unverständnis erntet sie dafür allerdings vom Koalitionspartner FDP: "Die Union muss erkennen, dass die Zeitarbeit ein flexibles Instrument am Arbeitsmarkt ist", so etwa FPD-Generalsekretär Christian Lindner. Frühestens nach neun Monaten soll das Prinzip des Gleichen Lohns seiner Ansicht nach greifen.
Am Ende werfen sich die Parteien abwechselnd und gegenseitig Blockadehaltung oder Zeitspiel vor. SPD und Grüne drohten in den vergangenen Tagen zudem immer wieder öffentlich mit dem Scheitern der Verhandlungen. Keine guten Aussichten also. Für den 7. Februar ist der nächste Termin im Vermittlungsausschuss angesetzt, bis zur Sitzung des Bundesrates am 11. Februar soll es eine Einigung geben. Für die Parteien geht es um Glaubwürdigkeit, Regierungsfähigkeit und Machtspiele. Leidtragende sind 4,7 Millionen Arbeitslose und Bedürftige, Aufstocker, Leiharbeiter und ihre Kinder. Sie müssen warten bis sich die Herren und Damen im Ausschuss einigen. Und das kann dauern.
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