von Marc-Christoph Wagner
Jetzt ist es amtlich: Der Karikaturist Kurt Westergaard ist mehr als er selbst. Er ist Symbol der Meinungsfreiheit und der freien Gesellschaft. Das bestätigte ihm unlängst ein dänisches Gericht. Tatsächlich aber ist der 75-jährige in seiner Heimat isolierter denn je.
Kurt Westergaard zeigte sich erleichtert. Dass Muhudiin Mohamed Geele ihn nur habe erschrecken wollen, wie dieser es während des Prozesses geäußert hatte, habe er nie geglaubt. Im Gegenteil. Stets habe er, Westergaard, in dem 29-jährigen Somalier einen „Terroristen und heiligen Krieger gesehen, der mich töten und anschließend als Märtyrer sterben wollte.“ Das Strafmaß von neun Jahren Haft, gefolgt von der Ausweisung Geeles aus Dänemark, sei nur gerecht, so Westergaard.
Tatsächlich war es weniger die Höhe der Strafe, die am Ende des Prozesses in Aarhus, Dänemarks zweitgrößter Stadt und Westergaards Wohnort, Aufsehen erregte.
Welche Genugtuung muss dieser Richterspruch für den seit Jahren verfolgten und unter permanenten Personenschutz lebenden Karikaturisten gewesen sein?
Wahrhaftig könnte man meinen, mit dem Urteil habe sich ein Kreis geschlossen, hätten Kurt Westergaard und die Initiatoren der zwölf Mohammed-Karikaturen bei der Tageszeitung Jyllands-Posten nun bekommen, was man ihnen lange verwehrt hatte – die Anerkennung ihres Eintretens für das freie Wort und die offene Gesellschaft, kurzum die Grundwerte der westlichen Demokratie. Denn genau das war das Räsonnement, mit dem die ursprüngliche Veröffentlichung der Karikaturen im September 2005 begründet wurde. Sie sollten als Zeichen gegen eine steigende Selbstzensur in der Gesellschaft sowie Berührungsängste gegenüber dem Islam verstanden werden. In Dänemark wie im Westen überhaupt.
Der Publikation voraus gegangen war eine ganze Reihe von Ereignissen. Ein dänischer Autor, der ein Kinderbuch über den Koran und den Propheten Mohammed geschrieben hatte, hatte keinen Illustrator finden können. Ein dänischer Stand-up-Komiker hatte zugegeben, er würde auf der Bühne niemals Spaß machen mit dem Islam. Die Tate-Gallery in London hatte ein Kunstwerk aus einer Ausstellung entfernt – aus Angst, es könne moslemische Besucher provozieren. Mehrere Übersetzer der niederländischen Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali hatten auf Anonymität bestanden, nachdem der niederländische Filmregisseur Theo van Gogh wenige Monate zuvor ermordet worden war.
All dies wollten die Jyllands-Postler nicht akzeptieren. Die in Aarhus beheimatete, jedoch überregional erscheinende Zeitung lud sämtliche Blattzeichner im Lande ein, den Propheten Mohammed darzustellen, wie sie ihn sehen. Am 30. September 2005 wurden sämtliche eingesendete Zeichnungen in der Zeitung veröffentlicht – selbst jene, die das Blatt selbst aufs Korn nahmen. In dem die Karikaturen begleitenden Text heißt es: „Alle diese [oben genannten, mcw] Beispiele geben Anlass zur Sorge, egal ob die gefühlte Furcht auf einer falschen Grundlage beruht oder nicht. Tatsache ist, dass es sie gibt und dass sie zu Selbstzensur führt. Es kommt zu einer Einschüchterung des öffentlichen Raumes.“ Eine Sonderbehandlung muslimischer Bürger in der modernen, säkularen Gesellschaft könne es nicht geben: „Dies ist unvereinbar mit einer weltlichen Demokratie und Meinungsfreiheit. Hier muss man bereit sein, Hohn, Spott und Lächerlichmachung zu akzeptieren.“ Der Autor dieser Zeilen, Jyllands-Postens Feuilletonchef Flemming Rose, später auch Kurt Westergaard sollten immer wieder betonen, dass diese fehlende Rücksichtnahme nicht als Diskriminierung der muslimischen Bürger zu verstehen sei. Im Gegenteil! Darin liege ihre Anerkennung als gleichberechtigter Teil der Gesellschaft. Eben darum sei es legitim, den Propheten ebenso zu karikieren, wie man das mit der eigenen Königin, dem Ministerpräsidenten, der Volkskirche, Jesus Christus und vielen anderen mehr tue.
In Dänemark selbst entbrannte seinerzeit eine breite öffentliche Debatte um das Vorgehen der Zeitung, lange bevor die Karikaturen mit monatelanger Verzögerung um die Welt gingen und im Nahen Osten zu Bränden, Anschlägen und Massendemonstrationen führten. Viele andere Blätter, allen voran die linksliberale Tageszeitung Politiken, die im selben Verlagshaus wie Jyllands-Posten erscheint, vertraten die Auffassung, Jyllands-Posten habe zwar das prinzipielle Recht, zu drucken, was die Zeitung für richtig halte. Der Hinweis auf die Meinungsfreiheit rechtfertige jedoch nicht jede Provokation. Oder, wie es der ehemalige Außenminister Dänemarks Uffe Ellemann-Jensen sinngemäß formulierte, nicht alles, was man drucken dürfe, müsse man auch drucken. Ebenso zahlreich wie die Kritiker aber waren die Stimmen, die der Argumentation von Jyllands-Posten folgten und die Karikaturen nicht zuletzt mit dem Hinweis auf eine lange Tradition der Satire im Lande rechtfertigten.
All diese Differenzen waren vergessen, als die dänischen Sicherheitsbehörden vor knapp drei Jahren schon einmal einen konkreten Mordanschlag auf Kurt Westergaard vereitelten. Dieser hatte mit dem zu einer Bombe umgeformten Turban die wohl bekannteste Karikatur des Propheten Mohammed gezeichnet hatte. Damals war die Solidarisierung ebenso spontan wie eindeutig. Alle großen Tageszeitungen inklusive Politiken betrachteten die Attentatspläne als einen ernsthaften Anschlag auf die Meinungsfreiheit im Lande und druckten die zwölf Karikaturen noch einmal ab. Ein Protest vielmehr als eine Provokation. Niemand sollte sich der Illusion hingeben, die freie Debatte im Lande könne mit Mitteln der Gewalt eingeschüchtert werden.
Lesen Sie im zweiten Teil, wie die Solidarität mit dem Karikaturisten abnimmt und warum der Fall Westergaard zu einer Selbstzensur unter dänischen Intelektuellen führt.
Jetzt ist es amtlich: Der Karikaturist Kurt Westergaard ist mehr als er selbst. Er ist Symbol der Meinungsfreiheit und der freien Gesellschaft. Das bestätigte ihm unlängst ein dänisches Gericht. Tatsächlich aber ist der 75-jährige in seiner Heimat isolierter denn je.
Kurt Westergaard zeigte sich erleichtert. Dass Muhudiin Mohamed Geele ihn nur habe erschrecken wollen, wie dieser es während des Prozesses geäußert hatte, habe er nie geglaubt. Im Gegenteil. Stets habe er, Westergaard, in dem 29-jährigen Somalier einen „Terroristen und heiligen Krieger gesehen, der mich töten und anschließend als Märtyrer sterben wollte.“ Das Strafmaß von neun Jahren Haft, gefolgt von der Ausweisung Geeles aus Dänemark, sei nur gerecht, so Westergaard.
Tatsächlich war es weniger die Höhe der Strafe, die am Ende des Prozesses in Aarhus, Dänemarks zweitgrößter Stadt und Westergaards Wohnort, Aufsehen erregte.
Vielmehr war es die Tatsache, dass die drei Richter und sechs Schöffen einstimmig und damit in unerwarteter Einigkeit der Argumentation von Staatsanwältin Kirsten Dyrman gefolgt waren. Immer wieder hatte sie während des Verfahrens betont, der Angriff auf den Karikaturisten sei nicht nur als versuchter Mord, sondern auch als ein versuchter Akt des Terrors zu bewerten. Westergaard sei zentrale Figur des Karikaturenstreits und somit Symbol der Meinungsfreiheit. Der Angriff auf ihn sei ein Angriff auch auf die freie Gesellschaft. Dieser habe zum Ziel gehabt, die Sicherheit des Landes zu gefährden, die Gesellschaft zu destabilisieren, die Bevölkerung zu ängstigen, gar internationale Unruhen zu verursachen.
Welche Genugtuung muss dieser Richterspruch für den seit Jahren verfolgten und unter permanenten Personenschutz lebenden Karikaturisten gewesen sein?
Wahrhaftig könnte man meinen, mit dem Urteil habe sich ein Kreis geschlossen, hätten Kurt Westergaard und die Initiatoren der zwölf Mohammed-Karikaturen bei der Tageszeitung Jyllands-Posten nun bekommen, was man ihnen lange verwehrt hatte – die Anerkennung ihres Eintretens für das freie Wort und die offene Gesellschaft, kurzum die Grundwerte der westlichen Demokratie. Denn genau das war das Räsonnement, mit dem die ursprüngliche Veröffentlichung der Karikaturen im September 2005 begründet wurde. Sie sollten als Zeichen gegen eine steigende Selbstzensur in der Gesellschaft sowie Berührungsängste gegenüber dem Islam verstanden werden. In Dänemark wie im Westen überhaupt.
Der Publikation voraus gegangen war eine ganze Reihe von Ereignissen. Ein dänischer Autor, der ein Kinderbuch über den Koran und den Propheten Mohammed geschrieben hatte, hatte keinen Illustrator finden können. Ein dänischer Stand-up-Komiker hatte zugegeben, er würde auf der Bühne niemals Spaß machen mit dem Islam. Die Tate-Gallery in London hatte ein Kunstwerk aus einer Ausstellung entfernt – aus Angst, es könne moslemische Besucher provozieren. Mehrere Übersetzer der niederländischen Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali hatten auf Anonymität bestanden, nachdem der niederländische Filmregisseur Theo van Gogh wenige Monate zuvor ermordet worden war.
All dies wollten die Jyllands-Postler nicht akzeptieren. Die in Aarhus beheimatete, jedoch überregional erscheinende Zeitung lud sämtliche Blattzeichner im Lande ein, den Propheten Mohammed darzustellen, wie sie ihn sehen. Am 30. September 2005 wurden sämtliche eingesendete Zeichnungen in der Zeitung veröffentlicht – selbst jene, die das Blatt selbst aufs Korn nahmen. In dem die Karikaturen begleitenden Text heißt es: „Alle diese [oben genannten, mcw] Beispiele geben Anlass zur Sorge, egal ob die gefühlte Furcht auf einer falschen Grundlage beruht oder nicht. Tatsache ist, dass es sie gibt und dass sie zu Selbstzensur führt. Es kommt zu einer Einschüchterung des öffentlichen Raumes.“ Eine Sonderbehandlung muslimischer Bürger in der modernen, säkularen Gesellschaft könne es nicht geben: „Dies ist unvereinbar mit einer weltlichen Demokratie und Meinungsfreiheit. Hier muss man bereit sein, Hohn, Spott und Lächerlichmachung zu akzeptieren.“ Der Autor dieser Zeilen, Jyllands-Postens Feuilletonchef Flemming Rose, später auch Kurt Westergaard sollten immer wieder betonen, dass diese fehlende Rücksichtnahme nicht als Diskriminierung der muslimischen Bürger zu verstehen sei. Im Gegenteil! Darin liege ihre Anerkennung als gleichberechtigter Teil der Gesellschaft. Eben darum sei es legitim, den Propheten ebenso zu karikieren, wie man das mit der eigenen Königin, dem Ministerpräsidenten, der Volkskirche, Jesus Christus und vielen anderen mehr tue.
In Dänemark selbst entbrannte seinerzeit eine breite öffentliche Debatte um das Vorgehen der Zeitung, lange bevor die Karikaturen mit monatelanger Verzögerung um die Welt gingen und im Nahen Osten zu Bränden, Anschlägen und Massendemonstrationen führten. Viele andere Blätter, allen voran die linksliberale Tageszeitung Politiken, die im selben Verlagshaus wie Jyllands-Posten erscheint, vertraten die Auffassung, Jyllands-Posten habe zwar das prinzipielle Recht, zu drucken, was die Zeitung für richtig halte. Der Hinweis auf die Meinungsfreiheit rechtfertige jedoch nicht jede Provokation. Oder, wie es der ehemalige Außenminister Dänemarks Uffe Ellemann-Jensen sinngemäß formulierte, nicht alles, was man drucken dürfe, müsse man auch drucken. Ebenso zahlreich wie die Kritiker aber waren die Stimmen, die der Argumentation von Jyllands-Posten folgten und die Karikaturen nicht zuletzt mit dem Hinweis auf eine lange Tradition der Satire im Lande rechtfertigten.
All diese Differenzen waren vergessen, als die dänischen Sicherheitsbehörden vor knapp drei Jahren schon einmal einen konkreten Mordanschlag auf Kurt Westergaard vereitelten. Dieser hatte mit dem zu einer Bombe umgeformten Turban die wohl bekannteste Karikatur des Propheten Mohammed gezeichnet hatte. Damals war die Solidarisierung ebenso spontan wie eindeutig. Alle großen Tageszeitungen inklusive Politiken betrachteten die Attentatspläne als einen ernsthaften Anschlag auf die Meinungsfreiheit im Lande und druckten die zwölf Karikaturen noch einmal ab. Ein Protest vielmehr als eine Provokation. Niemand sollte sich der Illusion hingeben, die freie Debatte im Lande könne mit Mitteln der Gewalt eingeschüchtert werden.
Lesen Sie im zweiten Teil, wie die Solidarität mit dem Karikaturisten abnimmt und warum der Fall Westergaard zu einer Selbstzensur unter dänischen Intelektuellen führt.
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