Schokoriese auf Plombenjagd
Von news.de-Redakteur Christian Mathea
Artikel vom 10.02.2011 Dass Süßigkeiten schlecht für die Zähne sind, weiß jedes Kind. Trotzdem erfreuen sie sich großer Beliebtheit. Vor allem die gefährlichen, deren Verzehr bei schlechter Vorbereitung fatale Schäden verursachen können.
Der arme kleine Michael. Wie oft musste er wohl schon auf dem Zahnarztstuhl Platz nehmen, nachdem er bei Frau Lange wieder einmal auf einen Storck Riesen gebissen hat? Wahrscheinlich ist immer ein Zahnarzt mit am Set, gleich neben der Maske, wenn wieder ein neuer Werbespot mit dem artigen Buben gedreht wird.
Diese braunen Leckerbissen sind nämlich eine äußerst gefährliche Ware und selbst innerhalb eines Mundes höchst umstritten: Während Zunge und Gaumen jeden Bonbon mit offenen Nervenzellen empfangen, steht den Backenzähnen der Angstschweiß auf der Stirn, sobald ihnen der Auftrag erteilt wird, ihre Kauflächen tief in diese klebrige Masse zu pressen.
Denn dann wird er eingeläutet, der Kampf um die Plombe. Riese gegen Backenzahn bzw. explosive Mischung aus Schokolade und Karamell gegen Zahnschmelz. Wer hat die meiste Zugkraft, um am Ende die Trophäe in Form von Amalgam, Keramik oder Zement in seinen Händen zu halten?
Der Veranstalter dieses brisanten Schlagabtauschs ist während der Kampfhandlungen stark betäubt, er befindet sich quasi in einem tiefen, süßen Traum. Nur das Aufwachen ist schrecklich, wenn einem ein Mann, ganz in Weiß gekleidet, gegenübersteht. Es handelt sich nicht um den lieben Gott, und man ist erst recht nicht im Himmel, sondern beim Zahnarzt. Und dieser verlangt mit seinem Bohrer Einlass in die Kampfarena.
Wenn der Zahnheiler dann traurig in den tiefen Krater blickt, wo der Storck vorher seine schöne Arbeit erneut zerstört hat, kann man richtig Mitleid bekommen. Das Einzige, was ihm bleibt: Den Backenzahn für den nächsten Kampf gegen den Riesen herzurichten.
Diese Risiken und Nebenwirkungen sind dem Hersteller übrigens durchaus bewusst: «Natürlich kommt es hin und wieder vor, dass sich ein Verbraucher bei uns meldet und den Verlust einer Plombe beklagt», bestätigt Storck-Pressesprecher Bernd Rößler auf Anfrage. Gleichzeitig betont er aber, dass es keinen für das Produkt spezifischen Plombenziehereffekt gebe, und verweist auf eine andere Ursache: «Der Verlust einer Zahnfüllung oder Plombe beruht in der Regel auf Vorschädigungen, die durch den Verzehr des Bonbons dann nur zutage treten.»
Für Rößler ist der Riese in seiner jetzigen Form perfekt. Man muss sich eben einfach besser für die Verführungen von Storck vorbereiten: «Unsere ‹Riesen› bedürfen daher keiner Änderung.»
Die Zahnärzte auf der anderen Seite wollen ihr Einknicken vor dem Riesen auch nicht eingestehen: «Sicherlich hört man hier und da von einzelnen Fällen, aber es ist kein überproportionales Problem», sagt Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer. Wenn eine Plombe qualitätsgerecht bearbeitet sei, müsse sie halten, erklärt er und betont: «Alle Füllungsmaterialien sind heute sehr zuverlässig.» Nur wenn der Zahn durch Karies schon zu sehr beschädigt oder die Plombe zu groß sei, könne es Probleme geben. Dann müsse man über eine Krone nachdenken.
Glücklich kann sich schätzen, wer starke Beißer sein eigen nennt. Denn nur die starken Beißer überleben. Am besten wäre es ohnehin, Storck ließe sich bei seiner Werbung von Fishermans Friend inspirieren. Der Slogan sollte lauten: «Ist der Riese zu stark, ist deine Plombe zu schwach.»
.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen