Montag, 12. September 2011

Brutaler Überfall auf jüdischen Jungen

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Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs K.d.ö.R. (IRGW)
3. Presseerklärung: Brutaler Überfall auf jüdischen Jungen

Stuttgart, 01.09.11 - Mit großem Entsetzen haben wir vom Übergriff auf einen Jungen unserer Gemeinde erfahren, der sich in der Nacht vom letzten Donnerstag auf Freitag in Stuttgart ereignete. Hierbei wurde der Fünfzehnjährige so schwer verletzt, dass er im Krankenhaus behandelt werden musste.
Dem Vernehmen nach wurde das Opfer auch als „Jude“ und „Scheißjude“ beschimpft. Die Polizei ermittelt wegen schwerer Körperverletzung. Gewaltausbrüche und Mobbing unter Kindern und Jugendlichen sind ein wachsendes Problem. 

Die „Andersartigkeit“ des Opfers – sei es, dass es eine andere Hautfarbe hat, eine andere Sprache spricht oder einer anderen Religion angehört – ist häufig Ansatzpunkt für die wiederholten Attacken. Diese Erfahrung machen auch jüdische Kinder und Jugendliche leider immer wieder. 

Dass zunehmend auch Kinder als Täter in Erscheinung treten, ist seit dem Vorfall in Hannover allgemein bekannt, als bei einer Tanzveranstaltung im Juni 2010 Kinder jüdische Tänzer mit Steinen bewarfen. Doch das Ausmaß der Brutalität und der Enthemmung beim Überfall in Stuttgart lässt aufhorchen: 
  • es stand zehn zu eins – zehn 
schüchterten das Opfer ein. Zwei, darunter dem Vernehmen nach ein Zwölfjähriger, schlugen unter dem Beifall der Umstehenden zu.

Angeblich soll dies kein antisemitisch motivierter Gewaltakt gewesen sein. Warum wurde das Opfer dann als „Jude“ und „Scheißjude“ tituliert, während die Schläge und Tritte auf Kopf und Bauch einprasselten? Handelte es sich dabei nur um eine Art Begleitmusik für einen ansonsten alltäglichen, brutalen Akt von Jugendgewaltkriminalität? – Es bleibt ein Gefühl der Beklommenheit. 

Können unsere Gemeindemitglieder weiterhin unbekümmert über die Straße gehen? Dürfen unsere Schüler auch in Zukunft unbekümmert zu ihrem Judentum stehen?
 
Eine ausgeprägte antisemitische oder fremdenfeindliche Ideologie vorauszusetzen, um Gewalt als antisemitisch oder fremdenfeindlich zu problematisieren, greift viel zu kurz. So werden Probleme erst erkannt, wenn es längst zu spät ist. Derjenige, der wiederholt gehänselt, gemobbt oder gar verprügelt wird und dabei immer wieder seine Andersartigkeit vorgehalten bekommt, ist längst Opfer solcher Gewalt.

Im Laufe des Wochenendes konnte der Junge das Krankenhaus wieder verlassen. Er befindet sich jedoch weiter unter Schock. Wir hoffen, dass er sich bald wieder erholen wird und dieser Überfall ein Anlass mehr sein wird, die Fundamente unseres Zusammenlebens mit Nachdruck zu thematisieren. In der Öffentlichkeit. In den Schulen. In den Familien.

LANDESRABBINAT
Netanel Wurmser, Landesrabbiner
DER VORSTAND
Barbara Traub M.A., Vorstandssprecherin
Susanne Jakubowski
Michael Kashi

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