Sonntag, 12. April 2015

Von der Kunst Recht zu bekommen, ohne Recht zu haben

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Die Kritik an PEGIDA kleidet die Kritiker nicht ansehnlicher, als die nichtvorhandenen Kleider weiland den Kaiser kleideten. Wollen wir also hier einmal ausrufen, “die Kritiker sind ja nackt!” auf dass die Täuschung, der Betrug, in sich zusammenfalle.
Nachdem Arthur Schopenhauer 1860 gestorben war, fand sich in seinem Nachlass ein Manuskript, das als “Eristische Dialektik” bekannt wurde. Darin beschrieb er anhand 38 sogenannter “Kunstgriffe”, wie es gelänge, in Disputen um jeden Preis Recht zu behalten.
Mit anschaulichen Beispielen gespickt zeigt Schopenhauer, dass der Mensch selbst die objektive Wahrheit leicht zu opfern bereit, wenn er damit nur Recht behält. Der Mensch, so der Philosoph, verhalte sich so wegen seiner angeborenen Schlechtigkeit, seiner angeborenen Unredlichkeit. Besonders aber seine angeborene Eitelkeit sei hinsichtlich der Verstandeskräfte, die besonders in Disputen zum Tragen kämen, äußerst reizbar und verlange stets nach Satisfaktion.
Deshalb revidiere der Mensch, wenn er mit einer abweichenden Position konfrontiert wird, nicht zuerst sein eigenes Denken, um den Fehler zu finden, sondern setze diesen grundsätzlich im fremden Denken voraus. Nur den wenigsten, an Herz und Verstand wirklich Gebildeten, wäre tatsächlich an der Wahrheit gelegen. Den allermeisten genüge es vollkommen, dass sie dem Augenscheine nach im Recht seien.
Schopenhauers 38 Kunstgriffe sind nun nichts anderes, als die Sammlung, Benennung und Niederschrift schon immer gebrauchter, manipulativer dialektischer Mittel, teils sogar derber, schikanöser Unverschämtheiten, die den Gegner verwirren, ihn in ein schlechtes Licht rücken, reizen und seine Position auf jede erdenkliche Weise angreifbar machen sollen.
Geradezu lehrbuchhaft nun vollzieht sich angewandte eristische Dialektik seit Wochen vor unser aller Augen und Ohren in der Art und Weise, wie mit PEGIDA umgegangen wird. Weshalb wir die Art und Weise, wie der Angreifer namens “mediale Öffentlichkeit” sein Gegenüber “PEGIDA” nach Strich und Faden mit eristischer Dialektik überzieht, einmal beleuchten wollen. Nicht jeder der 38 schopenhauerschen Kunstgriffe wird auf PEGIDA angewandt, doch die, mit denen dies in markanter, offensichtlicher Weise geschieht, seien im Folgenden kurz benannt.
Die ersten Kunstgriffe dienen dazu, Umfang und Bedeutung der gegnerischen Position zu manipulieren. Hernach bezieht man sich auf das, was der Gegner nur scheinbar, in Wirklichkeit jedoch nicht gesagt und gemeint hat, und greift ihn hierüber an. Stellvertretend für mehrere Kunstgriffe, die solches zum Ziel haben, sei hier der Kunstgriff 1- die Erweiterung – genannt.
Ausdehnung des Themas
Der Angreifer – in unserem Falle Politik und Medien – bläht den Disputationsgegenstand, nämlich dezidierte Kritik an Islamisierung und ungesteuerter Zuwanderung, zur generellen Ausländerfeindlichkeit auf. Ein Vorwurf, mit dem PEGIDA von Beginn an konfrontiert wurde. Selbst die ZDF-Kinder-Sendung logo wäscht den Kleinsten und Wehrlosesten schon das Hirn mit dieser Dialektik.
Gleichzeitig ignoriert der Angreifer PEGIDAs Positionspapier, aus welchem das exakte Gegenteil einer generellen Ausländerfeindlichkeit hervorgeht. Da Ausländerfeindlichkeit sämtliche hier lebenden Menschen, die keine deutsche Staatsbürgerschaft oder eine nicht-deutsche Herkunft besitzen, umfasst, lässt sich über die Erweiterung sehr leicht der Vorwurf des Rassismus konstruieren und PEGIDA in die “rechte Ecke” stellen. Dazu werden selbstredend Bilder von brennenden Asylheimen aus Rostock Lichtenhagen oder Hoyerswerda von vor über 20 Jahren gezeigt, als ob zwischen PEGIDA und den damaligen Vorfällen irgendwelche Verbindungen bestünden.
(Ich möchte hinzufügen: Auch die Umkehrug dieses Verfahrens – die Verengung des Themas – fällt mMn unter diese Kategorie. So wird die auffällig hohe Zahl von Straftätern mit muslimischem Hintergrund als “Einzelfälle” abgetan und das wahre Ausmaß geleugnet. Wurde das Thema von einem allgemeinen Phänomen auf sogenannte “Einzelfälle” herunter gebrochen, lässt sich ebenfalls jeder Hinweis auf den ethnischen Hintergrund der Täter sofort wieder rassistisch ausdeuten.)
Nachdem dies geschehen ist, drängen sich die nächsten beiden Kunstgriffe fast von selbst auf:
Das Thema negativ besetzen
Kunstgriff 12 – den Gegenstand mit einer für den Angreifer günstigen Konnotation versehen, und Kunstgriff 32 – den Gegenstand unter eine verhasste Kategorie bringen
In beiden Fällen geht es darum, das Denken des unbeteiligten Zuhörers so zu manipulieren, dass dieser sich bezüglich des Disputationsgegenstandes von vornherein vom Angegriffenen distanziert und deshalb gar nicht mehr in der Lage ist, sich inhaltlich mit dessen Thema auseinander zu setzen.
Eine negative Konnotation (#12) ist beispielsweise, dass man die bei PEGIDA zum Ausdruck gebrachten Sorgen “Ängste” (oder gerne auch “Phobien”) und diese wiederum “diffus” nennt. Beidem haftet eine negative Aura an: Mit Ängsten / Phobien (= krankhaften Ängsten) will man nichts zu tun haben. Der Begriff “Phobie” ängstigt sogar mit einem üblen, psychisch-pathologischen Beiklang. Da ist die Gummizelle gar nicht mehr weit. Erlaubt man seinem Denken, sich doch einmal diesen Ängsten auseinanderzusetzen, dann kommt Gauck zu Weihnachten mit dem pastoralen Holzhammer und salbadert, man dürfe Ängsten nicht folgen.
“Diffus” wiederum penetriert das Denken mit der unterschwelligen Botschaft, hier wäre etwas Vages, nicht genau Abgrenzbares, nicht ganz Geheueres, eventuell psychisch Derangiertes, kurz: etwas für den Normalbürger Gefährliches, im Gange.
Wo Kunstgriff 12 noch mit verdeckten Karten spielt, durch die Blume spricht, wird Kunstgriff 32 offensiv und rücksichtslos. Er ist quasi die maximale Steigerung von Kunstgriff 12. Schopenhauer schreibt:
“Eine uns entgegenstehende Behauptung des Gegners können wir auf kurze Weise dadurch beseitigen oder wenigstens verdächtig machen, indem wir sie unter eine verhaßte Kategorie bringen, wenn sie auch nur durch eine Ähnlichkeit oder sonst lose mit ihr zusammenhängt (indem wir rufen): das ist Manichäismus, das ist Arianismus; das ist Pelagianismus; das ist Idealismus; das ist Spinozismus; das ist Pantheismus; das ist Naturalismus; das ist Atheismus; das ist Rationalismus; das ist Spiritualismus; das ist Mystizismus; usw.”
(Auffällig, wie viele -ismen offenbar Ausdruck des Verhassten sind, nicht wahr?)
Bei PEGIDA kreischt man nun: Das ist Rassismus! Das ist Nationalismus! Das sind Nazis! Das ist Hass im Herzen! Das ist Volksverhetzung! Das ist Unbarmherzigkeit gegenüber Schwächeren! Weder mit Rassisten, noch mit Nationalisten oder herzlosen Nazis möchte der gesetzestreue Bürger in Verbindung gebracht werden, denn dies sind “verhasste Kategorien” (teilweise sogar strafrechtlich belangbare), weshalb für viele PEGIDA ein rotes Tuch darstellt, ohne dass sie mit deren Positionen vertraut sind. Sie wurden erfolgreich manipuliert.
Das Thema vermeiden
Zum Anti-PEGIDA-Einsatz kommen die ebenfalls verwandten Kunstgriffe 18, die Unterbrechung, und # 29 – die Ablenkung. Beide sind besonders gut in Talkshows oder Interviews zu beobachten. Es wird nach A gefragt und auf B geantwortet. Diese Methode ist in der politischen Auseinandersetzung Gang und Gäbe. “Merken wir”, so Schopenhauer, “daß der Gegner eine Argumentation ergriffen hat, mit der er uns schlagen wird, so müssen wir es nicht dahin kommen lassen, ihn solche zu Ende führen zu lassen, sondern beizeiten den Gang der Disputation unterbrechen, abspringen oder ablenken, und auf andre Sätze führen.”
Bei einer Unterbrechung (“Moooment, das müssen sie jetzt genauer erklären”) verlangt der Angreifer, einen Gegenstand näher erläutert zu bekommen, obwohl dieser auf das Thema bezogen völlig nebensächlich ist. Sie wirft man über PEGIDA die Frage auf, wieso man in Dresden gegen Islamisierung demonstriert, obwohl die Stadt einen so niedrigen Ausländeranteil hat, wie kaum eine andere deutsche Großstadt.
Kunstgriff 29, die Ablenkung, bedeutet, gar nicht erst auf irgendetwas in Rede Stehendes einzugehen, sondern völlig am Thema vorbei von dritten oder vierten Dingen zu schwadronieren. Etwa, indem man ausführlich über die Gegenbewegung – das sogenannte “breite Bündnis” – berichtet, die kleinkriminelle Vergangenheit Lutz Bachmanns thematisiert oder die vermeintlichen Beziehungen seines Grafik-Büros zur Springer-Pesse. (Letztere wären sowohl ein argumentum ad personam als auch eines ad hominem, welche im Kunstgriff 38 noch betrachtet werden.) Grünen Chef Özdemir empfahl sogar, grundsätzlich jeglichen Dialog mit PEGIDA zu verweigern, was wiederum die maximal groteske Überzeichnung der beiden Punkte wäre: ein Disput, der als solcher negiert wird.
Ängste aufbauen
Ein weiterer Kunstgriff ist # 24 – das Konstruieren falscher Konsequenzen.
Man diskreditiert die Position des Gegners, indem man aus seiner Behauptung völlig verdrehte Schlüsse zieht. So unterstellt man PEGIDA, ihre Haltung zu Flüchtlingen würde mittelfristig zu Progromen gegen Ausländer führen. (Hier ist auch wieder #32 – die verhasste Kategorie – mit von der Partie.)
Auch die immer wieder gebrauchten Argumente, die Bevölkerung würde ohne Zuwanderung überaltern, der Industrie würden ohne Zuwanderung die nötigen Fachkräfte fehlen usw. gehören in die Kategorie der falschen Konsequenzmacherei.
Autoritäten auffahren
Ein Kunstgriff, der stets Erfolg verspricht, der aber aufgrund der Gegenöffentlichkeit im Internet nicht wenig seiner früheren Macht eingebüßt hat, ist Kunstgriff 30, die Argumentation mit Autoritäten, anstatt mit Gründen. Weil Schopenhauer dies so trefflich formulierte, soll er hier wieder selbst zu Wort kommen:
“Man hat leichtes Spiel, wenn man eine Autorität für sich hat, die der Gegner respektiert. Es wird aber für ihn desto mehr gültige Autoritäten geben, je beschränkter seine Kenntnisse und Fähigkeiten sind. (…) Die gewöhnlichen Leute (haben) tiefen Respekt für die Leute vom Fach jeder Art. (Findet man) keine ganz passende (Autorität), so nehme man eine scheinbar passende, führe an, was einer in einem andern Sinn, oder in anderen Verhältnissen gesagt hat.
Autoritäten, die der Gegner gar nicht versteht, wirken meistens am meisten. Ungelehrte haben einen eignen Respekt vor griechischen und lateinischen Floskeln. Auch kann man die Autoritäten nötigenfalls nicht bloß verdrehen, sondern gradezu verfälschen, oder gar welche anführen, die ganz aus eigner Erfindung sind: meistens hat er das Buch nicht zur Hand und weiß es auch nicht zu handhaben. (…)

Zwei Sätze sind hier besonders bemerkenswert: Erstens – es erbittert den Gegner meist schon, ja wird sogar als Vermessenheit aufgefasst, dass der Andere sich überhaupt erdreistet, eine eigene (abweichende) Meinung zu haben – ganz egal, wie diese nun konkret aussieht. Auch diesen Eindruck bekommt man im Umgang mit PEGIDA oft: Der eigentliche Dresdener Sündenfall ist es, vom befohlenen Paradigma, alle Flüchtlinge seien arm, verfolgt, bedürften unserer Auf- und Annahme und wären für Deutschland besonders wertvoll, abzuweichen.
Zweitens: Das Volk akzeptiert bereits die allgemeine gültige Ansicht über eine Sache als Autorität. Ähnliches hat Elisabeth Noelle-Neumann in ihrer “Schweigespirale” genannten Kommunikationstheorie formuliert.
Die Medien brauchen sich also im Prinzip gar nicht mehr die Mühe machen, den vermeintlichen Imam, von dem noch nie ein Mensch gehört hat, zu interviewen, auf dass dieser der Nation die absolute Ungefährlichkeit der “Religion des Friedens” erkläre. Es genügt völlig, wenn die Medien durch nichts unterfütterte Floskeln wie “Experten sind der Meinung, dass…” anführen und dem Volke so permanent “gut” (offene Gesellschaft) und “böse” (Nazi) vorkauen.
Die Person angreifen
Gelingt es mit keinem der genannten Instrumente, insbesondere nicht mit dem alten Autoritäten-Trick, den Gegner entscheidend zu schwächen und in ein sehr schlechtes Licht zu rücken, dann bleiben immer noch der etwas moderatere Kunstgriff 16, die Argumentation ad hominem und der widerlichste von allen, Kunstgriff 38, die Argumentation ad personam.
Beide Kunstgriffe lenken die Auseinandersetzung vom Inhalt des Themas auf denjenigen, der das Thema einbrachte. Mit #16 sucht man nach Aussagen, die der Gegner in anderen Zusammenhängen machte – oder auch nur vermeintlich machte – um diese dann gegen seine jetzigen ins Feld zu führen. Über PEGIDA schreibt man besipielsweise, diese Forderungen könnte ohne weiteres jedes Parteimitglied der NPD (bzw. jeder Rechtsradikale) unterschreiben. So diskreditiert man PEGIDA, indem man vermeintliche Aussagen von (verhassten Kategorien zugehöreden) Dritten in eine Reihe mit PEGIDA-Positionen stellt. Doch wie sagte Sarrazin? Wenn die NPD behaupte, die Erde sei eine Kugel, würde er deshalb nicht sagen, die Erde wäre eine Scheibe…
Im letzten Kunstgriff – #38 – verlässt der Angreifende endlich jeglichen noch vorhandenen Anstand und geht hinab auf die Ebene des Viehischen, indem er den Gegner persönlich auf’s Unflätigste beleidigt. Er will nun nichts anderes mehr, als ihn zum Zorn reizen, damit der andere sich im Zustand der Erregung und Empörung vergisst und entblößt.
Hören wir noch einmal Schopenhauer:
“Wenn man merkt, daß der Gegner überlegen ist und man Unrecht behalten wird, so werde man persönlich, beleidigend, grob. Das Persönlichwerden besteht darin, daß man von dem Gegenstand des Streites (weil man da verlorenes Spiel hat) abgeht auf den Streitenden und seine Person irgend wie angreift. (…) Es ist eine Appellation von den Kräften des Geistes an die des Leibes, oder an die Tierheit. Diese Regel ist sehr beliebt, weil jeder zur Ausführung tauglich ist, und wird daher häufig angewandt.”
In der Tat wurde in den letzten Wochen über kaum eine Personengruppe solch eine kränkende Häme ausgegossen wie über die Teilnehmer an PEGIDA. Begriffe wie Ratten, Chaoten, Nazis, Hetzer, von diffusen Ängsten Getriebene bis hin zur “Schande Deutschlands” lassen wenig an beleidigender Unflätigkeit zu wünschen übrig. (Würde dies zu Personengruppen gesagt, Personengruppen, welche staatlichen Minderheitenschutz genießen – sagen wir: zu Moslems – würde sich sofort der Verfassungsschutz einschalten und ermitteln, bräche ein Feuersturm der Empörung in Politik und Medien aus. Auch diese Reaktion verfolgte lediglich das Ziel, den Gegner mittels hochschießender Emotionen zu diskreditieren und vom Thema abzulenken.)
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P.S.: Schopenhauers “Die Kunst, Recht zu behalten” ist im Buchhandel für nicht einmal 5 Euro zu bekommen.
Hier komplett lesen >>> Ihr Marko Wild




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