Die Staatsanwalts
chaft Berlin muss endlich Auskunft über die  näheren Todesumstände der bekannten Jugendrichterin Kirsten Heisig  geben. Das entschied jetzt das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg  und gab damit dem Autor Gerhard Wisnewski Recht, der die  Staatsanwaltschaft auf Auskunft im Fall Heisig verklagt hatte. Der  Beschluss ist unanfechtbar.
chaft Berlin muss endlich Auskunft über die  näheren Todesumstände der bekannten Jugendrichterin Kirsten Heisig  geben. Das entschied jetzt das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg  und gab damit dem Autor Gerhard Wisnewski Recht, der die  Staatsanwaltschaft auf Auskunft im Fall Heisig verklagt hatte. Der  Beschluss ist unanfechtbar.
Am 28. Juni 2010 verschwand die Berliner Jugendrichterin Kirsten  Heisig und wurde fünf Tage später tot aufgefunden – Selbstmord, wie die  Behörden verlauten ließen. Über die näheren Umstände des angeblichen  Suizides verhängte die Staatsanwaltschaft Berlin jedoch eine strikte  Nachrichtensperre. Trotz hartnäckiger Nachfragen von Kopp-Autor Gerhard  Wisnewski verweigerte die Staatsanwaltschaft jegliche Auskunft über die  näheren Todesumstände der bekannten Richterin. Nicht einmal, dass sich  die Richterin – wie von den Medien berichtet – erhängt hatte, wollte sie  bestätigen. Auch ein Antrag Wisnewskis beim Verwaltungsgericht Berlin  auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde am 9. August 2010  abgewiesen.
Daraufhin zogen Wisnewski und sein Anwalt Dr. Wolfram Hertel (Raue  LLP) vor das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Und das gab dem  Autor nunmehr vollumfänglich Recht (OVG 10 S 32.10).
Danach wird die Staatsanwaltschaft Berlin
»… im Wege der einstweiligen Anordnungverpflichtet, dem Antragsteller Auskunft zu erteilen über diekonkrete Todesursache und den Todeszeitpunkt der Jugendrich-terin Kirsten Heisig, den genauen Fundort und dieAuffindesituation der Leiche, darüber, welche Fakten eineFremdverursachung des Todes ausschließen, und welche ob-jektiven Anhaltspunkte für ein planvolles Vorgehen von FrauHeisig in Bezug auf den eigenen Tod sprechen.«
»Blamage für die Staatsanwaltschaft«
»Der Beschluss ist eine ziemliche Blamage für die Geheimniskrämer von  der Staatsanwaltschaft Berlin, die auf die Rechte der Presse offenbar  keinen Pfifferling geben«, so Wisnewski nach dem Beschluss.
Tatsächlich ist der Beschluss ein Bekenntnis zur Pressefreiheit und  den Rechten der Medien. Der Auskunftsanspruch des Antragstellers  Wisnewski ergibt sich demnach aus § 4 Abs. 1 des Berliner  Pressegesetzes‚
»wonach die Behörden verpflichtet sind, den Ver-
tretern der Presse, die sich als solche ausweisen, zur Erfüllung ihrer öffentlichen
Aufgabe Auskünfte zu erteilen. Der Antragsteller gehört als ausgewiesener Vertre-
ter der Presse zu den auskunftsberechtigten Personen«,
so das Oberverwaltungsgericht. Das Auskunftsbegehren erfolge auch  »zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse, die darin liegt,  dass sie in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse Nachrichten  beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder in anderer  Weise an der Meinungsbildung mitwirkt«.
Kein schwebendes Verfahren
Eine Geheimhaltungsinteresse aufgrund eines »schwebenden Verfahrens«  verneint das Oberverwaltungsgericht. Es sei »jedenfalls zum jetzigen  Zeitpunkt nicht ersichtlich, welches Ermittlungsverfahren noch schweben  soll, nachdem der Antragsgegner dem Antragsteller bereits unter dem 16.  Juli 2010 mitgeteilt hat, dass aufgrund der Ermittlungen und der bereits  durchgeführten gerichtsmedizinischen Untersuchungen ein  Fremdverschulden am Tod von Frau Heisig ausgeschlossen werden könne, und  auch die zum damaligen Zeitpunkt noch ausstehenden Ergebnisse der  toxikologischen Untersuchungen inzwischen vorliegen dürften. Dass wegen  des Todes von Frau Heisig noch Ermittlungen geführt würden, ist danach  nicht ersichtlich.« 
Zwar seien »schutzwürdige private Interessen« gegen das  Auskunftsbegehren abzuwägen. Aber: »Im vorliegenden Fall geht diese  Abwägung zugunsten des presserechtlichen Auskunftsanspruchs aus.« Frau  Heisig sei eine Person des öffentlichen Lebens gewesen, die »durchaus  bewusst« auch den Kontakt zu den Medien gesucht habe, »um das Interesse  der Öffentlichkeit für ihr Anliegen zu wecken und zu nutzen«. Die  Öffentlichkeit habe daher »ein legitimes Interesse daran, die näheren  Umstände ihres jedenfalls für Außenstehende überraschend erscheinenden  Todes zu erfahren«. Gegenüber diesem öffentlichen Interesse »erscheinen  hier weder das Persönlichkeitsrecht der Verstorbenen noch das der  Hinterbliebenen als schutzwürdig«.
Plädoyer für die Pressefreiheit
Anschließend verwandelt sich der Beschluss in ein Plädoyer für die  Pressefreiheit: Die freie und unabhängige Presse sei »im freiheitlichen  demokratischen Staatswesen von besonderer Bedeutung«,  so die Richterinnen Fitzner-Steinmann, Dr. Broy-Bülow und Sieveking:  »Sie dient der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung und  ist in ihrer Eigenständigkeit von der Beschaffung der Information bis  zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen geschützt ... erst der  prinzipiell ungehinderte Zugang zur Information versetzt die Presse in  die Lage, die ihr in der freiheitlichen Demokratie eröffnete Rolle  wirksam wahrzunehmen.«
Laut dem Beschluss reichen dafür spärlich gesäte Informationsbrocken  nicht aus. Vielmehr betonen die Richterinnen »die Pflicht der  staatlichen Behörden, der Presse Auskunft zu erteilen und durch eine  großzügige Informationspolitik eine genaue und gründliche  Berichterstattung zu ermöglichen«.
Besonderes Interesse der Öffentlichkeit
Der Antragsteller Wisnewski habe »hier nachvollziehbar ein besonderes  Interesse der Öffentlichkeit an Informationen zum Tod von Frau Heisig  dargelegt«. Und noch etwas Wichtiges schrieben die Richterinnen den  Staatsanwälten ins Stammbuch, nämlich »dass die Bewertung des  Informationsanliegens grundsätzlich der Presse selbst obliegt. Diese  muss nach publizistischen Kriterien selbst entscheiden dürfen, was sie  des öffentlichen Interesses für wert hält und was nicht, wobei zu  respektieren ist, dass die Presse regelmäßig auch auf einen bloßen, und  sei es auch nur schwachen Verdacht hin recherchiert und es geradezu  Anliegen einer Recherche ist, einem Verdacht nachzugehen.« 
Vor dem Hintergrund der bundesweiten Bekanntheit Heisigs sei »von  einem breiten öffentlichen Interesse an Informationen über die Umstände  des Todes von Frau Heisig auszugehen«, wobei es dem Antragsteller  Wisnewski darum gehe, die Einschätzung der Staatsanwaltschaft, »dass es  sich um einen Suizid gehandelt habe, nachvollziehen zu können«. Das  öffentliche Interesse gehe also »über die allgemeine Neugierde wegen des  Todes einer bekannten Persönlichkeit hinaus, weil auch die Frage im  Raum steht, ob der Tod der Richterin möglicherweise im Zusammenhang mit  ihrem beruflichen, rechtspolitischen oder publizistischen Engagement  stehen könnte«.
Im vorliegenden Fall gehe es ja nicht darum, »die näheren Umstände  und Hintergründe eines Selbstmords darzustellen«, sondern darum, »die  Bewertung als Selbsttötung überhaupt nachvollziehen zu können«. Der  postmortale Persönlichkeitsschutz gehe nicht so weit, dass »die  Öffentlichkeit sich mit der bloßen Mitteilung des Todes und einer  zusammenfassenden Bewertung – Ausschluss von Fremdeinwirkungen –  begnügen müsste. Dies würde weder dem Informationsinteresse der  Öffentlichkeit noch der Kontrollfunktion der Presse gerecht.«
Wisnewskis Berliner Anwalt Dr. Wolfram Hertel hat der  Staatsanwaltschaft nunmehr eine Frist bis zum 18. November 2010 gesetzt,  die begehrten Auskünfte zu erteilen.
Beschluss der Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. November 2010Quelle
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