Nach Angaben des irakischen Verteidigungsministeriums starben mindestens sechs Menschen, über 35 wurden verletzt, darunter auch Kinder. Am Abend zuvor waren im Westen der Hauptstadt zwei Häuser von Christen in Schutt und Asche gelegt worden, in denen sich zur Tatzeit allerdings niemand aufhielt.
"Alle rufen jetzt ihre Bischöfe und Pfarrer an und wollen nur noch eins - den Irak verlassen", sagte ein Mitarbeiter der vatikanischen Nuntiatur in Bagdad gegenüber unserer Zeitung, der aus Angst vor muslimischen Racheakten seinen Namen nicht nennen wollte. Wie der Kleriker weiter berichtete, hätten alle angegriffenen Familien Drohbriefe vor ihrer Türe gefunden mit der Aufforderung, ihre Häuser sofort zu verlassen. An jedes Kuvert sei eine Gewehrpatrone angeklebt gewesen. Nach seinen Angaben gehören die Opfer der chaldäischen, der syrisch-katholischen und syrisch-orthodoxen Kirche an. "Die Mordtaten richten sich gegen alle christliche Kirchen, ohne jede Ausnahme", sagte er.
Erst vor zehn Tagen waren bei dem bisher schwersten Angriff von Al-Qaida-Terroristen auf die christliche Minderheit in der syrisch-katholischen Kathedrale von Bagdad 58 Menschen getötet worden, darunter zwei Priester. In den Tagen danach hatten viele Gemeindemitglieder als Zeichen ihres Protestes Fotos der beiden ermordeten Geistlichen Taher al-Qasboutros und Wassim Sabih an ihren Haustüren befestigt. Ausnahmslos alle diese Familien erhielten in den letzten Tagen Drohungen islamischer Radikaler, die Fotos zu entfernen oder das Land zu verlassen. "Was können wir tun. Sie jagen die Christen inzwischen in jedem Stadtviertel" erklärte der chaldäische Kardinal Emmanuel III Delly gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. "Wir haben keine Möglichkeit, diese Verbrechen zu stoppen. Wir können nur zu Gott beten, dass diese Leute mit dem Morden aufhören". Der christliche Parlamentsabgeordnete Yonadam Yousef Kanna kritisierte erneut den mangelhaften Schutz seiner Mitgläubigen durch den Staat. Die Anschläge offenbarten "starke Schwächen in Struktur und Arbeit der irakischen Sicherheitskräfte" und seien Ergebnis der politischen Lähmung im Land, sagte er.
Derweil sind die dreitägigen Spitzengespräche über die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit offenbar erneut gescheitert. Die Hauptkontrahenten sind Ex-Premier Iyad Allawi und der bisherige Regierungschef Nuri al-Maliki. Allawi lag bei den Parlamentswahlen vor acht Monaten mit seiner überkonfessionellen "Irakischen Nationalbewegung" bei Stimmen und Mandaten knapp vorne und beansprucht den Auftrag zur Regierungsbildung. Maliki jedoch will seinen Platz nicht räumen. Anfang der Woche kündigte sein Sprecher an, die gegnerischen Lager hätten sich auf eine Machtverteilung geeinigt. Maliki bleibe Regierungschef und das Parlament werde am Donnerstag einen Repräsentanten der "Irakischen Nationalbewegung", der viele Sunniten angehören, zum neuen Parlamentspräsidenten wählen. Dies allerdings wurde von Allawis Sprecherin umgehend dementiert.
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