Mittwoch, 24. November 2010

Die Schindlers

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Von Frank A. Meyer |
Aktualisiert um 01:22 | 21.11.2010

Die «SonntagsZeitung» publizierte am vergangenen Wochenende ein bemerkenswertes Bild: im Hintergrund eine mächtige Villa mit Säulen und Säulchen an Balkon, Balustrade und Veranda, im Vordergrund der Hausherr, die Zigarre zwischen den Fingern, einen Reisigbesen über der Schulter.

Bernhard Alpstaeg, der Villenbesitzer und Swisspor-Chef, äusserte sich zur sozial­demokratischen Steuerinitiative: «Wenn die Reichtumssteuer kommt, müssen wir auswandern oder das Unternehmen verkaufen.»

Wer ihm und seinesgleichen böse will, kann das Foto in der «SonntagsZeitung» als Symbolbild des Abstimmungskampfs betrachten.

Protziger Reicher vor geschmackloser Prunkkulisse droht den Schweizern: Wenn ihr nicht macht, was ich will, bestrafe ich euch mit Entzug – mit Wegzug.

Auch der Liftbauer Alfred Schindler droht der Schweiz mit Auswanderung, sollten Volk und Stände die Steuerinitiative annehmen. Er jongliert dazu mit den Millionen, die er, der vielfache Einkommensmillionär, in diesem Falle zusätzlich zahlen müsste.

Eine kleine Reihe extrem reicher Schweizer bläst die Backen auf und kokettiert mit dem Steuerexil. So versuchen sie, die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zu erpressen: Diese sollen den angedrohten Exodus verhindern, indem sie am 28. November Nein stimmen.

Es geht bei der Steuerinitiative der Sozialdemokraten um viel Geld – vor allem das Geld derer, die sehr viel davon haben.

Geld aber ist stets eine überaus ernste Angelegenheit, eine der ernstesten überhaupt. Für den, der es herausrücken muss, hört der Spass auf. Es ist das gute Recht der Betroffenen, sich gegen mehr Steuern zu wehren. Wer möchte da den ersten Stein werfen?

Doch sollten auch jene das Steinewerfen unterlassen, die im Glashaus ihres Reichtums sitzen. Wer reich ist in der Schweiz, hat unserem Land in der Regel viel zu verdanken.

Je reicher, desto mehr. Reich wird man nicht allein aus eigener Kraft. Reichtum ist immer auch einer Gesellschaft geschuldet, die das materielle Glück ermöglicht und sichert, bei aller Leistung, die Patrons wie Alpstaeg oder Schindler gewiss erbringen.

Auch der Satz «Wir schaffen die Arbeitsplätze» ist in diesem Lichte besehen unzulässige Protzerei. Keiner schafft Arbeitsplätze ­allein. Unternehmer zaubern ihre Unternehmen nicht einfach aus dem Hut. Sie ­gehen zwar voran, mit dem Einsatz von Kapital und ­Ideen, doch folgen ihnen die Mitarbeiter, die daraus die realen Werte schöpfen – und so für ihren Patron den Mehrwert schaffen, der ihn schliesslich reich macht.

Eine Patron-Idee ist nur eine Idee. Erst die Mitarbeiter verwandeln sie in Realität, vom Ingenieur über den Arbeiter an der Werkbank bis zum Marketingspezialisten.

Schindlers Lift, geschätzt in aller Welt, ist nicht Schindlers Lift. Er ist der Lift der Schindler-Crew, die ihn entworfen und entwickelt, die ihn gebaut und verkauft hat.

Darauf sind die Schweizer stolz, wenn sie in Tokio oder Shanghai oder New York die Stockwerke nach oben sausen und dabei den Namen Schindler lesen. In der Tat ist Schindlers Lift ein Stück Schweiz. Tausende Schweizerinnen und Schweizer haben dieses Stück geschaffen, die Schweiz hat es ermöglicht – wie auch den Reichtum Schindlers.

Wer dieser Schweiz und diesen Schweizern mit Wegzug droht, wenn sie einer Volksinitiative zustimmen, die ihm nicht passt, der hat nichts verstanden von der Demokratie, in der er lebt. Ebenso wenig hat er etwas verstanden von der Gesellschaft, in der er lebt. Gar nichts hat er verstanden vom Land, in dem er lebt.

Gäbe es einen Grund, der sozialdemokratischen Steuerinitiative jenseits aller fiskal-politischen Erwägungen zuzustimmen – es wären die Schindlers.

Quelle
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