Samstag, 6. November 2010

Regierung reduziert Silberanteil der 10-Euro-Münzen

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Der Silberpreis bringt die Regierung in Verlegenheit. Sie muss den Silberanteil ihrer Gedenkmünzen senken – ein schlechtes Vorzeichen?


Die letzten "echten" Silbermünzen der Bundesrepublik: Ab Januar sinkt der Silbergehalt um 40 Prozent

Still und heimlich geht dieser Tage in Deutschland eine Ära zu Ende. Banken und Sparkassen geben die letzten 10-Euro-Gedenkmünzen mit altem Silbergehalt aus. Schon sind nur noch wenige Stück übrig, und viele Institute haben gar keine Silberlinge mehr vorrätig. An manchen Schaltern ist es zu einem Torschlusseffekt gekommen. Denn ab Januar 2011 ist Schluss mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel aus echtem Sterlingsilber.

Ab 2011 wird der Edelmetallgehalt der Gedenkprägungen deutlich reduziert. „Anpassung der technischen Parameter“, heißt es lapidar in einer Pressemitteilung des Finanzministeriums, das für die Prägungen zuständig zeichnet. Der Staat senkt den Silberanteil an der Legierung von 92,5 Prozent auf 62,5 Prozent, das edle Metall wird durch das unedle Kupfer ersetzt. Gleichzeitig wird das Gewicht der Münzen von 18 Gramm auf 16 Gramm reduziert. Die Silberlinge des Bundes enthalten dann nur noch zehn Gramm Edelmetall, eine Minderung um 39,9 Prozent.


Die Reduzierung „erfolgt vor dem Hintergrund des Anstiegs des Silberpreises“, heißt es in der dürren Erklärung weiter. Zudem beeilt sich der Bund, die hell klimpernden Metallplättchen schnell unters Sammlervolk zu bringen. Eigentlich sollten die beiden aktuellen Gedenkprägungen „175 Jahre Eisenbahn“ und „Alpine Ski WM 2011“ erst Mitte und Ende November ausgegeben werden. „Jetzt werden sie hastig über die Banken verteilt in den Verkehr gebracht“, sagt Karlheinz Jockel, Prokurist beim Edelmetallhandelshaus ProAurum.


„Der Bund wollte die Silbermünzen noch schnell ausgeben, ehe der Materialwert über den Nennwert steigt“, sagt Andreas Schikora, Geschäftsleiter der Staatlichen Münze Berlin. Die Alternative sei gewesen, die Münzen wieder einzuschmelzen. Aber das wäre mit Kosten verbunden gewesen. Wie bei anderen Finanzfragen ist das Finanzministerium offenbar auch vom schnellen Anstieg des Silberpreises überrascht worden. Dabei erlebt das weiße Metall schon seit vielen Monaten eine Hausse. Seit Anfang des Jahres ist der Preis für eine Feinunze (31,1 Prozent) um 59 Prozent gestiegen, seit Frühjahr 2009 hat sich der Preis sogar mehr als verdoppelt.

Bei aller Hast war der Staat nicht schnell genug. Am Freitag erreichte die Feinunze Silber mit 26,71 Dollar ein 30-Jahres-Hoch. Seit dem 1980, als die texanischen Brüder Hunt versuchten, den gesamten Silber-Markt in die Hand zu bekommen, (damit am Ende aber scheitern), stand der Preis nicht mehr so hoch. Umgerechnet kosteten die 16,65 Gramm Silber in den Gedenkmünzen am Freitag 10,18 Euro. Im Klartext: Jeder Sparer, der einen Silberling gegen einen 10-Euro-Schein eintauscht, macht rechnerisch einen Gewinn, obgleich einen bescheidenen. Ein schlechtes Geschäft ist die Ausgabe der Gedenkmünzen hingegen für Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Bei niedrigeren Silberpreisen konnte der Staat mit den beliebten Sammlerstücken einen Gewinn machen. Die Silber-Hausse hat dem Bund diese Zusatzeinnahme verdorben.

Während Geldscheine hierzulande von der Zentralbank ausgegeben werden, fallen Münzgeld, also auch die Gedenkprägungen, in die Zuständigkeit der Bundesregierung. Dieses sogenannte Münzregal stammt aus dem Mittelalter, und es ist eng mit dem weißen Metall verbunden. Denn ehe in Deutschland 1873 der Goldstandard eingeführt wurde, war Silber für die deutschen Fürsten und Reichstädte jahrhundertelang das vorherrschende Währungsmetall gewesen. Auch die meisten anderen Länder Europas bevorzugten Silber als Währungsmetall. In Frankreich ist sogar das landläufige Wort für Geld, argent, von „argentum“, dem lateinischen Namen für Silber abgeleitet.

Selbst in Nationen, in denen Goldmünzen kursierten, war Silber, „der kleine Bruder des Goldes“, im täglichen Gebrauch häufig dominierend. Schon damals dokterten Fürsten gern am Edelmetallgehalt der Münzen herum – etwa Friedrich der Große im Siebenjährigen Krieg, als er mit der gleichen Menge Silber mehr Taler prägen ließ, um die Militärausgaben zu bezahlen. Die Folge war Inflation, Wertverlust des Münzgeldes. „In früheren Zeiten war die Münzverschlechterung eine nicht unübliche Praxis“, sagt Hendrik Mäkeler, Geldhistoriker am Münzkabinett der Universität Uppsala in Schweden. Diese Möglichkeit der Geldpanscherei ist den heutigen Staaten genommen. Praktisch alle Umlaufmünzen auf dem Planeten bestehen aus unedlen Metallen, Euromünzen zum Beispiel aus Aluminium-Bronze und Kupfernickel. Dafür haben sich die Regierungen auf Tricks wie die "quantitative Lockerung" verlegt, die am Ende eine ähnliche Wirkung hat wie die Münzverschlechterung.

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich in vielen Staaten dann ein Bimetallstandard, bei dem Münzen aus Gold und Silber in Umlauf waren. Über Dekaden lag das Wertverhältnis zwischen beiden Metallen bei 15 bis 16. Der Übergang fast aller großen Staaten zur reinen Goldwährung zerbrach die traditionelle Relation. Heute sind viele Fans des weißen Metalls davon überzeugt, dass Silber zum alten Preisverhältnis zum Gold zurückkehren muss. Der große Bruder erreichte am Freitag ein Rekordhoch bei knapp 1400 Dollar. Um die alte Relation wieder herzustellen, müssten der Silberpreis auf rund 90 Dollar steigen – mehr als das Dreifache des jetzigen Niveaus.

Auch wenn das reine Zahlenmagie ist, gibt es gute Gründe, weshalb die Silberpreise weiter steigen könnten. Viel stärker als Gold wird Silber von der Industrie nachgefragt. Das weiße Metall profitiert also von einer starken Weltkonjunktur. Gleichzeitig ist es ähnlich wie Gold als Ersatzwährung gefragt. Ein Gutteil der Silber-Hausse der vergangenen Monate erklärt sich aus der wachsenden Papiergeld-Skepsis der Sparer. „Je größer der Vertrauensverlust, desto schneller wird der Silberpreis steigen“, ist Edelmetallspezialist Jockel überzeugt.

Quelle 06. November 2010


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