Kanzlerin Angela Merkel will die deutschen Steuerzahler schützen, doch am Ende könnte sie mit leeren Händen dastehen
In der Eurozone liegt etwas in der Luft, was dereinst als Merkel-Crash in den Geschichtsbüchern stehen könnte, benannt nach der deutschen Kanzlerin. Investoren ziehen ihr Kapital in Scharen aus den Anleihen finanzschwacher Euroländer ab. Die Lage an den Bond-Märkten ist so dramatisch wie vor der Verabschiedung des EU-Rettungspakets im Frühjahr.
Die Renditen zehnjähriger Portugal-Anleihen stiegen in den vergangenen sieben Handelstagen um 65 Punkte auf 6,15 Prozent. Das gleiche Schicksal ereilte irische Papiere, die um mehr als einen Prozentpunkt auf nunmehr 7,22 Prozent nach oben schnellten. Die Verzinsung griechischer Staatsbonds kletterte inzwischen auf beunruhigend hohe 10,9 Prozent. Im Gegenzug verbilligten sich die Finanzierungsbedingungen solider Staaten wie Deutschland. Zehnjährige Bundesanleihen rentierten wieder deutlich unter 2,5 Prozent. Der Zinsabstand zwischen deutschen und irischen Staatstiteln markierte ein Rekordhoch von 4,7 Prozentpunkten.
Auslöser des Krachs ist ausrechnet der Verhandlungserfolg, den Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dem Gipfel der Europäischen Union (EU) vergangene Woche erzielte. Der deutschen Regierungschefin ging es nach eigenem Bekunden darum, Defizitsünder zu disziplinieren. Ein wichtiger Punkt ihres Plans: Bei künftigen Staatspleiten in der Eurozone sollen nicht nur die Steuerzahler bluten, sondern auch Banken und andere private Anleihen-Halter.
Was sich gut anhört, führte am Markt zu einer Flucht eben jener Investoren aus den riskanten Papieren. Im Falle einer Staatspleite in der Eurozone müssten die Akteure horrende Verluste fürchten. „Die Beschlüsse der vergangenen Woche haben neue Unsicherheit in die Märkte gebracht“, erklärt Birgit Figge, Analystin der DZ Bank in Frankfurt. „Die Investoren lassen sich das Risiko bezahlen, dass sie künftig bei Umschuldungen mit zur Verantwortungen gezogen werden sollen.“ Den Zinsrückgang bei Bundesanleihen erklärt sie mit einer Flucht in die Sicherheit.
Der Crash bei Peripherieanleihen trägt Züge einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung – und er kommt zur Unzeit. Gerade erst hatte sich zum Beispiel die Minderheitsregierung in Lissabon mit der Opposition nach langem Gezerre auf einen Sparhaushalt 2011 geeinigt hat.
„Es besteht die Gefahr eines Negativkreislaufs“, sagt Figge. Sie verweist auf die hohen Altlasten der Staaten. Wenn jetzt die Zinsen der Schuldensünder weiter stiegen, könnten diese ihre milliardenschweren Verbindlichkeiten aus der Vergangenheit kaum noch schultern. Dann würden auch keine strikten Sparprogramme mehr helfen, um die Länder vor dem finanziellen Aus zu retten. „Diese Unsicherheit treibt die Risikoaufschläge weiter hoch.“
Nach Ansicht von Marktbeobachtern könnten Irland und Portugal bald gezwungen sein, den europäischen Rettungsschirm anzuzapfen. Darauf könnte später eine Umschuldung folgen.
Die prekäre Situation in der Eurozone wird durch die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) verschärft, die zu einem Unsicherheitsfaktor geworden ist. Marktteilnehmer sehen die Gefahr, dass die EZB die Sparkurse in der Eurozone nicht im gleichen Maße unterstützt wie die Notenbanken anderer Länder, deren Hauptstädte auf Konsolidierung setzen.
In Großbritannien zum Beispiel hat sich die liberal-konservative Koalition ebenfalls dem Sparen verschrieben. London kann indes darauf setzen, dass die Bank of England weiter eifrig Geld ins System pumpen wird, um die konjunkturdämpfenden Effekte zu kompensieren oder sogar überzukompensieren.
Die europäischen Währungshüter hingegen sind zutiefst zerstritten, ob sie ebenfalls eine solche Geldpumpe (im Fachjargon Quantitative Lockerung genannt) am Laufen lassen wollen. Bundesbankpräsident Axel Weber hat den Aufkauf von Staatsanleihen durch die Notenbank am Markt an kritisiert. EZB-Chef Jean-Claude Trichet verteidigt solche Maßnahmen hingegen vehement. Kritiker bezeichnen die Quantitative Lockerung als das Anwerfen der Notenpresse und sehen Inflationsgefahren heraufziehen.
.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen