09. November 2010 19.11 Uhr,
Markus Harmann/Krüger/Peter/Göttert/Irmak
Sozialarbeiter Knorr sprach öffentlich
über Missstände an seiner Schule.
Nun ist er arbeitslos.
Ohne diesen Elternabend, ist sich Thomas Knorr (48)
sicher, wäre das alles nicht passiert. „Dann hätte ich meinen Job noch.“ Den
Job als Sozialarbeiter an einer Sekundarschule in Schöneberg. In einem kurzen
Vortrag erzählte er den Eltern an jenem Abend, welch schroffer Umgangston unter
den Schülern herrsche. Und dass türkisch- und arabischstämmige Schüler ihre
deutschen Klassenkameraden einschüchtern. Eine Woche später war er gefeuert.
Anfang Oktober hatte die Lehrergewerkschaft GEW eine Debatte zum
Thema Deutschenfeindlichekeit an Schulen angestoßen. Lehrer berichteten,
Beschimpfungen wie „Schweinefleischfresser“ seien auf Schulhöfen häufig zu
hören. Ja, sagt Thomas Knorr, schwarze Locken, sportlicher Typ. „So habe ich es
erlebt. Einmal sagte ein Schüler in meiner Gegenwart, hier stinkt es nach
Schwein.“
Knorr hat 20 Jahre Erfahrung als Erzieher und
Sozialarbeiter. Er arbeitete mit Behinderten, betreute eine
Jugendwohngemeinschaft, kümmerte sich um Grund- und Realschüler. Auch deshalb,
sagt er, habe er im Sommer den Job beim Nachbarschaftsheim Schöneberg e.V.
bekommen. Der Verein schickte ihn als Koordinator für den Ganztagsbetrieb an
die Gustav-Langenscheidt-Schule in Schöneberg. Der Anteil der Schüler mit
Migrationshintergrund beträgt dort 70 Prozent.
„Unterricht war häufig nicht möglich. Es ging nur
darum, Ruhe in den Klassenraum zu bekommen“, erzählt Knorr.
Fassungslos machte ihn der Umgangston. „Schüler
beleidigten sich als Hurensohn, sagten f… dich zueinander, benutzten das Wort
Jude als Schimpfwort.“ Und: „Die Deutschen kriegen es immer wieder ab, weil sie
in der Minderheit sind.“
Das bestätigt Schüler Alexander (15, Name
geändert): „Beleidigungen sind üblich. Ich wurde von arabischen Mitschülern
Kartoffel genannt.“
Auf dem Elternabend berichtete Knorr den Eltern
davon. Er sprach auch über das Mädchen, das aufgelöst im Flur stand. „Es machte
sich Sorgen um seine Freundin. Die traute sich nicht mehr in die Schule, weil
sie Angst hatte vor den Türken.“
Kurz nach dem Vortrag, so Knorr, sei er von der
Schulleitung zur Seite genommen worden. „Danach wehte mir ein eisiger Wind
entgegen.“
Eine Woche nach dem Vorfall teilte ihm sein
Arbeitgeber mit, dass die Zusammenarbeit beendet sei. „Ohne Angabe von Gründen,
ich war ja noch in der Probezeit.“
Knorr ist sich sicher, dass ihm seine offenen Worte
zum Verhängnis wurden. B.Z.-Nachfrage bei Schulleiterin Ruth Jordan: „Ich
möchte nichts dazu sagen.“ Georg Zinner, Chef des Nachbarschaftsheims
Schöneberg, streitet einen Zusammenhang ab: „Bei der Kündigung haben andere
Gründe eine Rolle gespielt, die ich nicht nennen muss.“ Eine Sprecherin der
Senatsschulverwaltung sagt: „Ich weiß nicht, warum ihm gekündigt wurde, er war
nicht Mitarbeiter unserer Behörde.“ Schönebergs Bildungsstadtrat Dieter Hapel
(CDU) erklärte gegenüber der B.Z., er kenne den Fall nicht und sei nicht
zuständig.
Knorr ist jetzt arbeitslos, zum ersten Mal in
seinem Leben. Er sagt, er sei es den Eltern schuldig gewesen, ihnen die
Wahrheit zu sagen. „Das erwarten die von mir.“
Quelle
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