(24. Juni 2016) Die Große
Koalition hat heute die Weichen für die Nutzung von Fracking in
Deutschland für die nächsten Jahre gestellt. Das heute beschlossene
Gesetzespaket enthält nicht – wie von Umweltorganisationen und
BürgerInnen seit Jahren vehement gefordert – ein vollständiges Verbot
von Fracking für die Öl- und Gasförderung in allen Gesteinsformationen.
Zumindest aber hat unser aller massiver Protest dafür gesorgt, dass die
gesetzlichen Regelungen nun wesentlich strenger sind als noch vor einem
Jahr zu erwarten war.
Was wurde beschlossen?
Fracking in Sandstein, das sogenannte Tight Gas-Fracking, ist erlaubt.
Auch die Entsorgung des Lagerstättenwassers, das teilweise giftige und
radioaktive Stoffe enthält, durch Verpressung in den Untergrund wird
trotz der ungeklärten Risiken nicht untersagt. Beides wird jedoch in
einigen besonders sensiblen Gebieten wie Natur- und Wasserschutzgebieten
sowie Einzugsgebieten für die Trinkwasserversorgung und
Lebensmittelherstellung ausgeschlossen. Zudem wird es in Zukunft eine
verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung und damit eingeschränkte
Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung bei Fracking-Vorhaben geben.
Verboten wird die kommerzielle Anwendung von
Fracking in Kohleflöz- und Schiefergestein. In diesen
Gesteinsformationen sollen aber vier wissenschaftlich begleitete
Probebohrungen zulässig sein. Die Bundesländer behalten ein Vetorecht,
müssen also diese Probebohrungen auf ihrem Gebiet nicht erlauben. Im
Jahr 2021 soll die „Angemessenheit des Verbots nach dem bis dahin
vorliegenden Stand von Wissenschaft und Technik überprüft werden“.
Was kritisieren wir?
Nicht umsonst hat die Öl- und Gasindustrie die Verabschiedung dieses
Gesetzespakets gefordert und es nun weitestgehend begrüßt. Die
Unternehmen erhalten – nach fünf frackingfreien Jahren in Deutschland –
Rechtssicherheit für Fracking im Sandstein. Dabei bestehen hier viele
der Umwelt- und Gesundheitsrisiken genauso wie bei Schiefergasfracking:
Eintrag oder Entstehung gesundheitsschädigender Substanzen im
Grundwasser, klimaschädliche Methanemissionen, gesundheitsschädliche
Emissionen in der Umgebungsluft, Erdbebengefahr. Durch die Einführung
der Fantasiedefinitionen „konventionelles“ und „unkonventionelles
Fracking“ suggeriert die Große Koalition, dass es eine harmlose und eine
gefährliche Variante des Fracking gäbe. Nirgendwo sonst auf der Welt
wird diese Unterscheidung getroffen.
Auch Schiefergasfracking wird eben nicht einfach
unbefristet verboten, wie SPD und Union selbstherrlich verkünden. Durch
die Erlaubnis von Probebohrungen signalisiert die Große Koalition die
Bereitschaft, auch diese Technik künftig in Deutschland zu etablieren.
Dazu passt, dass die Fortführung des Verbots in fünf Jahren erneut auf
den Prüfstand gestellt werden soll. Die Probebohrungen sind ein Versuch,
bis dahin die Unbedenklichkeit von Fracking in Schiefer- und
Kohleflözgestein nachzuweisen. Dabei wird ignoriert, dass die
wissenschaftlichen Erkenntnisse sowohl nationaler als auch
internationaler renommierter Universitäten und Forschungsinstitute
bereits heute ausreichend Argumente für ein uneingeschränktes
Fracking-Verbot liefern.
So haben WissenschaftlerInnen des Helmholtz Zentrum
München kürzlich herausgefunden, dass auch harmlose Fracking-Chemikalien
im Untergrund für den Menschen gefährliche Transformationsprodukte
bilden. KlimaforscherInnen des Karlsruher Instituts für Technologie
(KIT) hatten Anfang des Jahres mit atmosphärischen Hintergrundmessungen
bewiesen, dass der sprunghafte Anstieg des aggressiven Klimagases Methan
in der Atmosphäre seit 2007 in direktem Zusammenhang mit dem
Fracking-Boom in den USA steht. Sie widerlegten damit ebenso wie
Harvard-WissenschaftlerInnen die Angaben der US-Umweltbehörde EPA, dass
es keinen signifikanten Methan-Anstieg durch Fracking gebe.
Was haben wir erreicht?
Die jetzt getroffenen Regelungen sind strenger als es noch vor einem
Jahr möglich erschien. Das ist in ganz besonderem Maße dem hartnäckigen
Einsatz der Umweltorganisationen, Bürgerinitiativen und all der
einzelnen, politisch engagierten Menschen zu verdanken, die ihren
Abgeordneten im Bundestag keine Ruhe gelassen haben. Wir bedanken uns
bei allen, die diesen Kampf gemeinsam mit uns ausgefochten haben!
Zu den wesentlichen Änderungen im Vergleich zum
ursprünglich vorgelegten Regelungsentwurf gehört das im
Wasserhaushaltsgesetz verankerte Verbot von Fracking im Ton-, Schiefer-,
Mergel- und Kohleflözgestein zur Förderung von Erdgas und Erdöl. Zuvor
sollte Fracking in diesen Gesteinsformationen nur oberhalb von 3000
Metern und nur für die Gasförderung untersagt werden. Ebenfalls neu ist
die Begrenzung der Probebohrungen auf vier Stück. Im bisherigen Entwurf
gab es keine Limitierung. Auch das Vetorecht der Landesregierungen für
diese Bohrungen ist neu. Damit können die Länder klar signalisieren,
dass sie auch in Zukunft kein Schiefergasfracking wollen.
Ein großer Erfolg ist auch, dass die vom
Wirtschaftsflügel der Union in den ursprünglichen Entwurf
hineinverhandelte Expertenkommission nun doch keinen
Genehmigungsautomatismus für Schiefergasfracking mehr in Gang setzen
kann. Nach dem Willen der CDU/CSU sollte diese Kommission den Einsatz
von Fracking in bestimmten Gesteinsformationen für unbedenklich erklären
können, woraufhin unter Umständen schon ab 2019 auf dieser Grundlage
Genehmigungen für kommerzielles Fracking im Schiefergestein erteilt
worden wären.
Wie geht es jetzt weiter?
Trotz der erzielten Teilerfolge ist Fracking nicht vom Tisch. Es kann
ab sofort – nach fünf Jahren Moratorium – wieder in Niedersachsen im
Sandstein gefrackt werden. Doch es wird massiven Widerstand vor Ort
gegen diese Fracking-Vorhaben geben. Gemeinsam mit unserem breiten
Bündnis aus Umweltverbänden und Bürgerinitiativen werden auch wir uns
weiter dafür einsetzen, dass die neue Bundesregierung den nächsten
Schritt geht und ein vollständiges und unbefristetes Fracking-Verbot
erlässt.
Umweltinstitut.org
...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen