Erdogan hatte die Gleichschaltung der Türkei geplant
Napoleon wurde in Deutschland vor 200 Jahren vorgeworfen, er habe eine „Revolution von oben“ betrieben, sei blutiger Diktator und Kriegsfürst geworden, indem er vorgab, den vermeintlichen Volkswillen brutal gegen Putschisten durchsetzen zu müssen. Recep Tayyip Erdogan hat von Napoleon gelernt: Am erfolgreichsten ist ein Putsch immer dann, wenn er von ganz oben kommt. Der türkische Staatspräsident nutzt den Mini-Putsch einiger Offiziere, um selber einen Mega-Putsch zu wagen. Er weitet seine Macht in der Türkei aus wie Napoleon 1799 in Frankreich und spricht ungeniert von einer massenhaften „Säuberung aller staatlichen Institutionen“.
Nur wenige Stunden nach dem gescheiterten Putschversuch wurden auf einen Schlag 2.745 Richter abgesetzt, darunter oberste Verfassungsrichter und Staatsanwälte. Rund 6000 Soldaten wurden festgenommen, fast 13.000 Staatsbeamte abgesetzt, 8000 Polizisten suspendiert. Sie alle werden binnen Stunden beschuldigt, an der vereitelten Machtübernahme beteiligt gewesen zu sein. „Die Säuberung aller staatlichen Institutionen von diesem Geschwür wird weitergehen“, dröhnt Erdogan. Seither wird in seinem Namen drangsaliert, gerächt, gefoltert und getötet. Er verbreitet gezielt Angst und lässt alle verfolgen, die ihm schon immer zu kritisch gewesen sind. Er will sogar die Todesstrafe wieder einführen und wähnt sich bei alledem von Allah beschenkt.
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Kurzum: Seine Despotie zeigt
dieser Tage seine grausame Fratze.
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Es muss vorgefertigte Säuberungslisten mit Namen von Erdogans Gegnern
gegeben haben – anders ist die blitzartige Verhaftungswelle in der
Türkei nicht zu erklären. Erdogan hat die Gleichschaltung der Türkei
offenbar generalstabsmäßig geplant. Schon kurz vor dem Putsch waren 1500
Richter und Staatsanwälte in den Präsidentenpalast „eingeladen“ worden,
um auf Linie gezwungen zu werden. Die Juristen mussten in ihren Roben
erscheinen, die Teilnahme war verpflichtend – so hat Erdogan erkennen
können, welche Juristen ihm loyal gegenüberstehen und welche nicht. Und
Ende Juni hatte das Parlament zudem einen umstrittenen Gesetzesvorschlag
der islamisch-konservativen Erdoganpartei AKP verabschiedet, der einen
Abbau von Richterstellen vorsieht und Erdogan das Recht einräumt,
Richter persönlich zu benennen. Bereits das war ein Anschlag auf die
demokratische Verfassung und Gewaltenteilung. Nun macht Erdogan die
Justiz im Handstreich zum Handlanger der Exekutive.
Erdogans unverhohlenes Ziel ist ein islamistisches Sultanat
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Erdogans unverhohlenes Ziel ist ein islamistisches Sultanat – dabei
stehen ihm unabhängige Richter und Staatsanwälte im Weg. Denn seit
Gründung der Türkischen Republik 1923 gilt die Justiz als eine Bastion
der laizistischen Kemalisten.
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SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann spricht nun Klartext: „Wenn
Tausende Richter und Staatsanwälte, die offensichtlich nichts mit dem
Putsch zu tun hatten, abgesetzt werden, ist das ein Angriff auf den
demokratischen Rechtsstaat.“ Erdogan versucht nicht einmal mehr, seine
Putschistenabsicht zu kaschieren: „Dieser Aufstand ist für uns eine Gabe
Gottes (J. Teufels Anmerk.), denn er liefert uns den Grund, unsere Armee zu säubern“,
verkündet er und verbreitet Angst auch bei kritischen Journalisten,
Abgeordneten, Intellektuellen. Binnen 48 Stunden hat die
Aufsichtsbehörde für Telekommunikation (TIB) auf Anweisung des Büros des
Ministerpräsidenten bereits mehr als ein Dutzend Nachrichtenwebseiten
gesperrt.
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Europa droht nun vor der eigenen Haustür eine islamistische
Großdiktatur. Ein EU-Beitritt der Türkei wird schlagartig undenkbar.
Erdogans Regime entfernt sich rasend schnell vom Menschenrechtskodex und
den Grundwerten der parlamentarischen Demokratie. Auch das NATO-Bündnis
mit der Türkei gerät ins Wanken, denn das Verteidigungsbündnis kann
schlecht eine islamische Aggressionsdespotie in ihren Reihen
akzeptieren, zumal Erdogan in Syrien offen Terrorgruppen unterstützt und
die Kurden (immerhin treue NATO-Partner) mit Kriegen überzieht.
Angela Merkels Türkei-Politik ist schlagartig blamiert
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Angela Merkels Türkei-Politik ist schlagartig blamiert, ihre
Anbiederung an Erdogan zum Kaschieren der eigenen Fehler in der
Flüchtlingsfrage wirkt heute geradezu beschämend. Schon die
Böhmermann-Affäre entlarvte die moralische Schieflage der Kanzlerin mit
Blick auf die Türkei. Das setzt sich nun fort: Für den Schein-Putsch der
niederen Offiziere hatte sie rasch markige Worte parat, beim
Staatsstreich Erdogans wirkt sie ebenso dünnlippig wie bei der
Demütigung des Deutschen Bundestags in der Bundeswehrfrage. Deutschland
wird es nun nicht mehr dulden können, dass Bundestagsabgeordneten der
Besuch der eigenen Bundeswehrtruppe vor Ort verweigert wird, nur weil
sich Erdogan durch die Armenien-Resolution des Bundestages beleidigt
fühlt.
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Europas Türkeipolitik kommt damit an einen historischen Wendepunkt.
Die EU hatte ihre Verhandlungen mit der Türkei über einen EU-Beitritt im
Juni ausgeweitet – als Gegenleistung für die Rücknahme von Flüchtlingen
aus Griechenland. Doch der Flüchtlingsdeal mit der Türkei, sich Erdogan
als dubiosen Grenzpolizisten einzukaufen, war von Anfang an moralisch
fragwürdig und machtpolitisch fatal. Denn Europa hat sich erpressbar
gemacht, nur weil man seine Grenzen nicht selber schützen wollte. Nun
wird Europa eine neue Wehrhaftigkeit brauchen. Denn in Ankara baut
Erdogan im Zeitraffertempo ein Neo-Sultanat, das Europa unverhohlen mit
der Migrationswaffe droht. Die kleinen Putschisten sind weg, der große
Putschist kennt keine Skrupel.
Dieser Beitrag erschien zuerst im The European hier.
Achse des Guten
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