Die meisten Menschen existieren und vegetieren – sie leben nicht
Udo Ulfkotte
Es gibt nichts Selteneres auf der
Erde als Leben. Die meisten Menschen existieren – weiter nichts. Sie
vegetieren vor sich hin, schauen ständig auf ihr Smartphone, träumen vom
nächsten Urlaub und haben jeglichen Kontakt zum wahren Leben verloren.
Es ist fast 27 Jahre her, dass renommierte Krebsmediziner meinen Tod
binnen 3 Tagen vorausgesagt haben. Statt zu sterben, hatte ich in diesen angeblich 3 letzten Lebenstagen eine Nottrauung und habe mich wieder auf das Leben besonnen.
Seither hatte ich drei Hinterwandinfarkte, habe quer durch die
Republik die kardiologischen Intensivstationen kennengelernt und zuletzt
erst vor wenigen Wochen in Hamburg eine mehrstündige Herzoperation
gehabt. Dennoch bin ich vielleicht innerlich zufriedener als viele von
denen, die kerngesund sind und nicht im Traum daran denken, ihre
Gesundheit zu schätzen.
Was mir Lebenskraft gibt? Neben meiner Familie vor allem jene
Dankbarkeit, die ich zurückbekomme, wenn ich anderen helfe. So helfen
wir vielen Tieren, kaufen Schlachttiere auf und lassen sie auf Weiden
natürlich leben und in Würde alt werden. Unter den Tieren scheint sich
das herumgesprochen zu haben.
Vor einem Jahr fand ich ein Stockentenküken, dessen Mutter von einem
Jäger abgeschossen worden war. Das kleine Küken war kaum 2 Tage alt, die
Geschwister hatten sich schon die Elstern, Krähen und ein Fischreiher
schmecken lassen. Nur durch die Ansammlung dieser Raubvögel war ich
auf das letzte Küken, welches verzweifelt piepste und seine Mutter
suchte, aufmerksam geworden. Wir haben das Wildentenküken an einem
Weiher großgezogen, es ist halbwild und hat seine natürlichen Instinkte.
Vor etwa einem Monat hat dieses seit einem Jahr zu einer stattlichen
Wildenten-Dame herangereifte, gefiederte Wesen einen Meter von unserer
Haustüre entfernt mit dem Nestbau begonnen.
Weil wir mehrere Wachhunde haben und der Fuchs ums Gebäude streicht,
zweifelten wir, ob das gutgehen würde, aber gestern schlüpften elf Küken
der Wildente, die ich heute früh mitsamt Stroh, in dem sie schlüpften,
zu einem Weiherrand gebracht habe, wo sie zusammen mit dem Erpel und der
Mutter nun schon fleißig fürs Leben üben.
Es gibt viele Menschen, die sich um Tiere kümmern und helfen – wir
sind da ganz sicher kein Einzelfall. Von diesen vielen anderen Menschen,
die sich um Tiere kümmern, kenne ich nicht einen, der unglücklich oder
unzufrieden wäre. Von denen schaut ganz sicher keiner ständig auf sein
Smartphone. Und nicht einer träumt vom nächsten Urlaub. Übrigens: Meine
Frau und ich haben unlängst darüber nachgedacht, wann wir den letzten
Urlaub hatten – wir konnten uns nicht daran erinnern, es muss deutlich mehr als 10, eher 15 Jahre her sein.
Jeden Tag sagen wir uns: Es gibt nichts Selteneres auf der Erde als
Leben. Die meisten Menschen existieren – weiter nichts. Sie vegetieren
vor sich hin. Es gibt nichts Schöneres, als am Leben teilhaben zu dürfen
und nicht zu vegetieren.
Ich habe viele schwere Krankheiten, aber neben meiner Familie geben
mir die vielen Tiere in meiner Umgebung das wundervolle Gefühl, dass ich
am Leben teilhaben kann. Vor allem: Wer so lebt, der übersteht jede Krise. Denn auch unsere Großeltern haben so gelebt und alle Krisen gemeistert.
Die Fotos auf dieser Seite habe ich von jener Wildente und ihrem
Nachwuchs gemacht, die neben unserer Haustüre schlüpften und nun am
Leben teilnehmen. Gibt es etwas Schöneres, als am Leben teilhaben zu
dürfen und nicht zu vegetieren?
Kopp-Verlag
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