Sonntag, 5. Dezember 2010

Sonntag, Dezember 05, 2010

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Knecht Ruprecht bei den Buddenbrooks Er wurde hereingebeten, dieser alte Mann, und kam schlurfenden Schrittes, in einem langen Pelze, dessen rauhe Seiten nach außen gekehrt und der mit Flittergold und Schneeflocken besetzt war, ebensolcher Mütze, schwarzen Zügen im Gesicht und einem ungeheuren weißen Barte, der wie die übernatürlich dicken Augenbrauen mit glitzernder Lametta durchsetzt war.

Er erklärte, wie jedes Jahr, mit eherner Stimme, dass dieser Sack – auf seiner linken Schulter – für gute Kinder, welche beten können, Äpfel und goldene Nüsse enthalte, dass aber andererseits dies Rute - auf seiner rechten Schulter - für die bösen Kinder bestimmt sei. Es war Knecht Ruprecht.

Das heißt, natürlich nicht so ganz und vollkommen der echte und im Grunde vielleicht bloß Barbier Wenzel in Papas gewendetem Pelz; aber soweit ein Knecht Ruprecht überhaupt möglich, war er dies, und Hanno sagte auch dieses Jahr wieder, aufrichtig erschüttert und nur ein- oder zweimal von einem nervösen und halb unbewußten Aufschluchzen unterbrochen, sein Vaterunser her, worauf er einen Griff in den Sack für die guten Kinder tun durfte, den der alte Mann dann überhaupt wieder mit sich zu nehmen vergaß.
Thomas Mann, Buddenbrooks. Verfall einer Familie, 8. Teil, Achtes Kapitel

EKD - Adventskalender

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