Freitag, 3. Dezember 2010

Soziales Heer

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Der »Bundesfreiwilligendienst« ersetzt Pflicht durch freien Willen

Von Lutz Taubert

Wenn die Wehrpflicht stirbt, dann hat sich auch der Zivildienst überlebt! Diesen per se unlogischen und merkwürdigen Wenn-Dann-Zusammenhang sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen, bevor man den »Bundesfreiwilligendienst« unter die sozialpolitische Lupe nimmt, den es ab Mitte 2011 geben wird.

Also: Wenn unser politisches Gemeinwesen zur vollkommen richtigen Überzeugung gelangt ist, dass für internationale Militärmissionen die Wehrpflicht nicht mehr das geeignete Instrument ist (konkret: dass man die Menschenrechte in Afganistan am ehesten mit einer Truppe von freiwilligen Berufssoldaten herstellt) - wenn also die Wehrpflicht aus diesen Gründen fällt, dann hat das die Nebenbei-Wirkung, dass ein Pflegedürftiger im Sozialstaat Deutschland künftig zwischen Frühstück und Mittagessen nicht mehr so viel Ansprache haben könnte wie bisher. Denn die erhält er nicht von den Pflegeprofis, die dafür gar keine Zeit haben und zu teuer wären, sondern von den »Zivis«, wie man die einst gedemütigten Kriegsdienstverweigerer mittlerweile liebevoll und anerkennend nennt.

Nun will Bundesfamilienministerin Kristina Schröder mit einem »Bundesfreiwilligendienst« den Wegfall des Zivildienstes kompensieren. Es ist dies, mit den Maßstäben der Moral und der Logik betrachtet, die richtige Lösung eines sozialpolitischen Prob­lems, ja eines sozialen Umstandes, den wir bisher unkorrekt, ja schizophren gelöst haben. Unsere Gesellschaft ist in der Tat auf gelebten Gemeinsinn und aktiv erbrachter sozialer Verantwortung dringend angewiesen. Aber die sollte bitteschön nicht in einer sozialen Zwangsveranstaltung vollzogen werden (wie das nun einmal der Zivildienst ist), sondern aus freien Stücken entstehen.

Und so schlagen wir den Bogen zurück zum ursächlichen Zusammenhang: So wie das soziale Jahr ein freiwilliges ist, ist auch der Wehrdienst freiwillig. Beides definieren wir als Dienst für das Gemeinwohl. Und darin spiegelt sich auch ein Stück Nachkriegs- und Zeitgeschichte: Die »Fronten« in diesem Einsatz haben sich verschoben, nicht mehr nur vor einem äußeren Feind, sondern im Umgang mit Alten, Kranken, Behinderten muss sich unser Staat bewähren - nicht als Nationalstaat, sondern als freiwillig funktionierendes Gemeinwesen.

Und zum Schluss die gute Nachricht: Die Bereitschaft zum sozialen Engagement ist da. Die Verbände rechnen damit, dass die 35000 neuen Plätze im Bundesfreiwilligendienst schnell aufgefüllt sind. Nimmt man die bereits existierenden und gut angenommenen Dienste dazu (Freiwilliges Soziales und Ökologisches Jahr), steuert unser Land auf ein 100000 junge Leute zählendes »Heer des sozialen Engagements« zu. Der Wehrersatzdienst ist ersetzbar; die Pflicht wird vom freien Willen abgelöst.

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