Die Türkei vor offenem Kriegseintritt
Ankara zieht Truppen an der Grenze zu Syrien zusammen – Moskau äußert sich besorgt
03.03.16
In dem Maße, in dem der sogenannte
Islamische Staat (IS) in Syrien durch die russische Luftwaffe und die
syrischen Regierungstruppen an Boden verliert, scheint die Türkei
geneigt zu sein, aufzufangen, was ihrem Schützling verloren geht. Hat
sich Ankara bislang darauf beschränkt, den IS mit Waffen und
Versorgungsgütern zu beliefern und ihm Öl und geraubte Antiken
abzukaufen, so greifen die Türken jetzt aktiv in das Kampfgeschehen ein.
Im
Norden der syrischen Provinz Aleppo sollen örtlichen Medien zufolge
türkische Streitkräfte Teile eines Gebietes besetzt halten, das für
Flüchtlingslager vorgesehen war. Zudem wird berichtet, dass in einem
vorgeblichen Flüchtlingslager, das die Türken ebenfalls auf syrischem
Territorium errichtet haben, Familien von IS-Terroristen ein Unterkommen
gefunden hätten. Der Bau solcher Lager durch Ankara wurde begonnen, als
die syrischen Regierungstruppen ihre ersten strategischen Erfolge bei
der Rückeroberung von Aleppo errungen und dem IS die Nachschubwege aus
der Türkei abgeschnitten hatten.
Niemand geringerer als die deutsche
Kanzlerin lobte anlässlich ihres vor Kurzem erfolgten Besuchs in der
Türkei, dass die Türken in Syrien Lager bauen, denn durch die Angriffe
der russischen Luftwaffe komme es zu humanitären Katastrophen. Deshalb
begrüße sie, Merkel, den Bau türkischer Flüchtlingslager in Syrien.
Deutschland
hat darüber hinaus bereits Unterstützung für allfällige Bodeneinsätze
der USA in Syrien geäußert. Zunächst aber scheinen sich im Wesentlichen
die Türken auf noch umfassendere militärische Vorstöße vorzubereiten.
Der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor
Konaschenkow, teilte mit, dass die Aktivitäten an der
türkisch-syrischen Grenze von einer intensiven Vorbereitung der Türkei
auf ein militärisches Eingreifen in Syrien zeugten. So veröffentlichten
die Russen ein Video, auf dem zu sehen ist, wie türkische
Selbstfahrlafetten über die gemeinsame Grenze hinweg syrische
Ortschaften im Norden der Stadt Latakia mit Granatfeuer belegen.
Doch damit scheint es sein Bewenden noch lange nicht zu haben. Der türkische Regierungschef Ahmet Davutoglu erklärte: „Wir werden unserer historischen Pflicht nachkommen. Einst hatten unsere Brüder aus Aleppo unsere Städte Sanliufra, Gaziantep, Kahramanmaras beschützt, nun werden wir das heldenhafte Aleppo beschützen. Die Beschützer dieser Stadt haben die ganze Türkei hinter sich.“
Das ist die offenkundige Drohung, das türkische Militär werde in Aleppo eingreifen, jetzt, da es so gut wie von der Regierungsarmee zurückerobert und unter deren Kontrolle ist. Und es gibt niemanden außer der syrischen Regierung, der diese Drohung auf sich beziehen könnte.
Die Türkei zieht immer mehr Truppen an der
Grenze zu Syrien zusammen, worauf auch Russlands EU-Botschafter Wladimir
Tschischow hinweist. Gleichzeitig zweifelt der Diplomat daran, dass die
türkische Armee die Grenze für IS-Terroristen schließen will. „Es wäre
naiv zu glauben, dass die Türkei ihre Truppen an der syrischen Grenze
konzentriert, um diese dicht zu machen. Manche mögen das glauben. Aber
ich habe diesbezüglich großes Bedenken“, sagte Tschischow.
Ihre
Kriegsvorbereitungen und die anhaltende Versorgung des IS durch
türkische Stellen, so in großem Umfang über den Kontrollpunkt an der
türkisch-syrischen Grenze in der Nähe von Reyhanlı-Sarmada, haben die
türkische Regierung zum Bruch eines multilateralen völkerrechtlichen
Vertrages veranlasst. Es geht um das Abkommen über den „offenen Himmel“,
in dessen Rahmen Kontrollflüge von Ländern des Nordatlantik- und des
ehemaligen Warschauer Paktes über dem Territorium des jeweils anderen
Vertragspartners geregelt sind.
Nun hat Ankara Moskau die jetzt fälligen Kontrollflüge über der Türkei verboten. „Mit der Verweigerung der Beobachtungsflüge durch Russland versucht die Türkei, ihre rechtswidrige militärische Tätigkeit an der Grenze zu Syrien zu verbergen“, so Konaschenkow. „Derartige Schritte eines Landes, das ein Nato-Mitglied ist, tragen zur Stärkung des Vertrauens und der Sicherheit in Europa nicht bei. Wir bewerten diese Entscheidung der Türkei als einen gefährlichen Präzedenzfall und als Versuch, ihre rechtswidrige militärische Tätigkeit an der Grenze zu Syrien zu verheimlichen“, so Moskaus offizielle Stellungnahme.
Nun hat Ankara Moskau die jetzt fälligen Kontrollflüge über der Türkei verboten. „Mit der Verweigerung der Beobachtungsflüge durch Russland versucht die Türkei, ihre rechtswidrige militärische Tätigkeit an der Grenze zu Syrien zu verbergen“, so Konaschenkow. „Derartige Schritte eines Landes, das ein Nato-Mitglied ist, tragen zur Stärkung des Vertrauens und der Sicherheit in Europa nicht bei. Wir bewerten diese Entscheidung der Türkei als einen gefährlichen Präzedenzfall und als Versuch, ihre rechtswidrige militärische Tätigkeit an der Grenze zu Syrien zu verheimlichen“, so Moskaus offizielle Stellungnahme.
Ihre Zündeleien an der syrischen
Grenze und in Syrien selbst lassen indes der Türkei noch Potenzial
genug, auch die Souveränität des Irak gröblich zu verletzen. Russlands
Vizepremier Dmitri Rogosin erwähnte bei einem Besuch in Bagdad, dass
sich im Irak mindestens 1500 türkische Soldaten und einige
Panzer-Einheiten aufhalten. „Die in den Irak eingedrungenen türkischen
Militärs haben vorläufig nicht vor, auf gütlichem Wege das Land zu
verlassen“, so Rogosin in seinem Twitter-Account. Der Gast aus Moskau
unterstützte dabei ausdrücklich die Haltung des Irak, wonach sich die
Türken illegal im Lande aufhalten.
Außen- und das
Verteidigungsministerium des Irak bezeichnen die Präsenz der türkischen
Soldaten als „feindliche Handlung“, die mit den Behörden nicht
vereinbart worden sei, und sprechen von einer Verletzung der
Souveränität des Landes. Schon 2014 und dann im vergangenen Dezember war
türkisches Militär im Irak einmarschiert und hatte sich in der Nähe von
Mossul festgesetzt.
Bis heute weigert sich die Türkei, ihr Militär abzuziehen, obwohl eine Klage vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen anhängig ist, die von Russland unterstützt wird. Inzwischen droht dem Irak weiteres Ungemach: Gerüchten zufolge erwägen die Saudis, 150000 Mann durch den Irak nach Syrien zu schicken.
Florian Stumfall
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