EU-Kommissar will zurück auf Anfang
 
 Brüssel torpediert Verhandlungen zur Erweiterung der deutsch-russischen Nord-Stream-Pipeline
 01.03.2016 
Von 2013 bis 2015 stieg der Umfang des  
von Russland unter der Ostsee durch die beiden Röhren der 
Nord-Stream-Pipeline nach Deutschland transportierten Gases von 23,8 
Milliarden über 35,5 Milliarden auf 39,1 Milliarden Kubikmeter. Damit 
stieg die Auslastung von 43 über 65 auf 71 Prozent. Angesichts dieses 
Trends ist der Bau von zwei weiteren Röhren unter der Bezeichnung 
„NordStream 2“ in Planung.
Eine Gasleitung von Russland unter der Ostsee ohne Umweg nach Deutschland – das ist eine verlockende Perspektive der beiden Partner im Gasgeschäft: Da die Leitung durch keine anderen Länder ginge, fiele die Gefahr weg, dass jemand sie als politisches Druckmittel oder aber als Möglichkeit der kostenlosen Selbstbedienung nähme. Dass derlei nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt das ukrainische Beispiel. Es gäbe außerdem eine erhebliche Ersparnis an Durchleitungsgebühren, was sich günstig auf die Kosten für den Verbraucher auswirkte, und insgesamt einen ungefährdeten, reibungslosen Ablauf des Gastransports. Die bereits bestehenden zwei Röhren der Pipeline NordStream zeigen das.
Es ginge also um eine 
runde Sache, und eigentlich wäre sie das auch, wenn nicht wieder einmal 
die EU mitspielen müsste. Der Vizepräsident der EU-Kommission und 
Kommissar für die Energieunion, der Slowake Maroš Šefcovic, will die 
ganzen Verhandlungen um die Gaspipeline Nord Stream 2 von vorne 
aufrollen. Er bezweifelt, dass es sich dabei um ein rein kommerzielles 
Projekt handelt und sogar, dass es mit dem EU-Recht vereinbar ist. 
 
Mit
 seiner Argumentation gleicht Šefcovic auffällig derjenigen der USA und 
der Ukraine. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos hatten US-Vizepräsident 
Joe Biden und der ukrainische Präsident Petro Poroschenko erklärt, es 
handele sich bei Nord Stream 2 um ein eminent „politisches Projekt“, das
 verhindert werden müsse. Poroschenko gab nach dem Treffen mit Biden 
bekannt: „Im Gespräch wurde deutlich, dass das Projekt Nord Stream 2 ein
 rein politisches Projekt ist, und wir müssen effektiv handeln, um es zu
 stoppen.“
 
Ein Grund dafür ist, dass das Projekt Deutschland eine größere Bedeutung bei der Gasversorgung Europas verschaffen würde. Das allein fürchten die EU-Freunde ebenso wie die USA. Es gibt aber noch andere Bedenken der Nord-Stream-Gegner. Polen sieht sich wieder einmal von Deutschland und Russland eingekesselt, die Ukraine und die Balkanländer maulen, weil ihnen angeblich Durchleitungsgebühren entgingen.
Tatsächlich soll Nord Stream 2 aus demselben Grund fallen,
 aus dem das Projekt South Stream, eine Leitung durch das Schwarze Meer 
und über den Balkan, gescheitert war. Damals, Ende 2014, waren die 
Verträge für die Durchleitung alle unter Dach und Fach, als die USA in 
Brüssel intervenierten. Brüssel zeigte sich wie üblich willfährig und 
gab den Druck an Bulgarien weiter, das in den sauren Apfel beißen und 
das Projekt gegen das eigene Interesse blockieren musste. Dem ärmlichen 
Balkanland gehen damit jährlich 400 Millionen Euro an 
Durchleitungsgebühren verloren. Der Grund für den Aufwand: Die USA 
wollen Russland aus dem Gasgeschäft drängen.
 
Dennoch ist Russlands 
EU-Botschafter Wladimir Tschischow zuversichtlich. Er ist überzeugt: „Im
 Gegensatz zu South Stream gibt es hier keine rechtlichen Grundlagen für
 Brüssel, die Verlegung der Gasleitung zu verweigern.“ Tatsächlich wird 
sich an diesem Projekt erweisen müssen, ob ein EU-Mitgliedsland, in 
diesem Falle Deutschland, noch so viel Selbständigkeit besitzt, dass es 
einen bilateralen Außenhandelsvertrag mit einem Land außerhalb der EU, 
hier Russland, abschließen kann. Und es muss sich erweisen, welche 
Bedeutung der Einfluss der USA auf die EU und ihre Mitgliedsländer hat. 
 
Auf
 der einen Seite stehen die Bundesrepublik, Russland und Österreich 
zusammen mit der Energiewirtschaft für NordStream 2, auf der anderen die
 USA, die EU und einzelne ihrer Mitgliedsländer, im wesentlichen die 
mittelosteuropäischen Staaten, die Verluste oder eine deutsch-russische 
Annäherung oder aber beides fürchten. Unklar ist zunächst, mit welchen 
Recht sich die USA in den Handel einmischen. Führt man sich aber vor 
Augen, dass sie überall zur Stelle sind, wo es gilt, Russland einen 
Schaden zuzufügen, ist auch dies beantwortet.
 
Washington, Brüssel und
 Warschau haben sich sogar zu der Aussage zusammengefunden, die Pipeline
 könne zu einer „diplomatischen Keule“ Moskaus werden, und es den Russen
 erlauben, die Gaslieferungen nach Mitteleuropa zu lenken, ohne den 
deutschen Markt zu beeinflussen. Das berichtet das US-Propagandablatt 
„Politico“ und zitiert dabei John Emerson, den US-Botschafter in 
Deutschland: „Einige europäische Länder signalisieren, dass die Folgen 
der Umsetzung des Projekts nicht nur die Beziehungen zwischen Moskau und
 Berlin betreffen würden. Wir äußern sowohl auf der gesamteuropäischen 
Ebene als auch in Deutschland weiter unsere Besorgnis wegen des 
NordStream-2-Projekts.“ Die daraufhin erfolge Pflichtübung des deutschen
 Botschafters in den USA, Peter Wittig, lautet: „Es gibt Fragen, die die
 Europäer selbst lösen sollten.“
Inzwischen stoßen die EU-Behörden 
bei dem Versuch auf Schwierigkeiten, einen rechtlichen Vorwand für das 
Verbot der Pipeline zu finden. Jedenfalls kam die Rechtsdirektion der 
EU-Kommission zu dem Schluss, dass sich die Regulierungsvorschriften für
 den EU-Energiemarkt nicht auf Nord Stream anwenden lassen. Doch Hilfe 
naht aus der Ukraine. Sie hat eine offizielle Klage gegen das Vorhaben 
eingereicht: „Wir bitten die EU-Kommission, eine Ermittlung aufzunehmen 
und dieses antiukrainische, antieuropäische, antislowakische und 
antipolnische Projekt zu stoppen.“ Auf jeden Fall hat man sich in der EU
 insgesamt darauf verständigt, die Einfuhr von russischem Gas zu 
verringern. Andere Abhängigkeiten würden das Ergebnis sein.
    Florian Stumfall
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