»Neue Stufe der Gewalt«
Linksextreme »Terroraktionen« treffen zunehmend auch Politiker etablierter Parteien
19.02.16
Berlin erlebt eine neue Welle linker
Gewalt. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg steht dabei im Zentrum, die
Szene um Rigaer und Köpenicker Straße ist ihr regelmäßiger
Ausgangspunkt.
Am Morgen des 11. Februar brannte in Berlin erneut ein Auto – der Staatsschutz ermittelt unter anderem gegen mögliche Brandstifter aus der linksextremen Szene. Nur das schnelle Eingreifen der Feuerwehr verhinderte weitere Schäden. In der Nacht zum 6. Februar zündeten vermummte Linksextreme in einem Neubauviertel um 1 Uhr gezielt „hochwertige Fahrzeuge“ an, wie der Polizeibericht festhielt. Bis zu 40 Vermummte, viele auf Fahrrädern, zogen laut Augenzeugen durch die Flottwellstraße. Vier Autos gingen in Flammen auf, 28 wurden beschädigt, die Täter entkamen. Im Internet bekannte sich ein sogenanntes „Kommando Noske und Ebert“ zu diesem Anschlag auf Privatfahrzeuge. Auch in der Nacht zum darauffolgenden Sonntag gingen die Zerstörungen nach einer Demonstration von Links weiter: 20 Fahrzeuge wurden laut Zeugen von einer Gruppe von 50 bis zu 100 Tätern demoliert. Es entstand ein Schaden von mehreren Hunderttausend Euro.
Längst
ist die Räumung der von Linken besetzten Häuser in der Liebigstraße 2011
nicht mehr der Vorwand der Szene. Auch das willkürliche Anzünden von
Autos, wie es die Szene vor Jahren etablierte, womit es Trittbrettfahrer
anstachelte, steht nicht mehr im Mittelpunkt. Jüngste Anschläge auf
Wahlkreisbüros von CDU, SPD und Grüne sowie die Wohnhäuser der Politiker
Peer Steinbrück (SPD) und Eva Högl (SPD) kennzeichnen eine „neue Stufe
der Gewalt“, sagte Berlins SPD-Landesvorsitzender Jan Stöß. Der Jurist
gilt als Parteilinker. Sozialdemokraten sehen sich zunehmend im
Fadenkreuz: Insbesondere der sich gegen linken Extremismus einsetzende
Berliner Abgeordnete Tom Schreiber ist, wie das neuste Bekenntnis des
„Kommandos Noske und Ebert“ erkennen lässt, eine Hassfigur der
Extremisten. Die beschmierten zudem die Wohnungen Högls und Steinbrücks
mit Parolen. Im Internet schmähten linksextreme Seiten die Geschädigten
als „Elendsverwalter der Asylpolitik“. Mit roter Farbe übergossen die
Täter die Fassade des Wohnhauses, in dem Steinbrück wohnt, und
entfalteten ein zwei mal fünf Meter großes Spruchband gegen die aktuelle
Asylpolitik. Mit der Asylpolitik der Bundesregierung rechtfertigt die
Szene auch einen Brandanschlag Anfang dieses Monats auf die Trasse der
Deutsche Bahn, Höhe Staaken – der Anschlag schlug fehl.
Attacken in
großen Gruppen lassen erahnen, wie sicher sich die Szene fühlt.
Innensenator Frank Henkel (CDU) nannte die Angriffe „Terroraktionen“:
„Nichts und niemand kann solche Taten als politischen Protest
rechtfertigen.“ Für eine neue Selbstsicherheit der Täter spricht auch
eine Art Straßenkampf nur wenige Tage nach dem Überfall vermummter
Linker auf einen einzelnen Polizisten in der Rigaer Straße (die PAZ
berichtete). Linksextreme griffen ein Fahrzeug, das vor einem Haus in
der Rigaer Straße anhielt, mit Eisenstangen an und zerschlugen die
Scheiben. Sie wollten Rechtsextreme beim Fotografieren „ihrer Gegend“
erkannt haben, wie die Polizei später mitteilte. Den Anschlag auf den
Kollegen hatte die Polizei zuvor mit einer Großrazzia beantwortet. In
Reaktion darauf fordert SPD-Mann Schreiber nun eine „mittel- und
langfristige Strategie“. „Dazu gehört auch, sich mit der Szene an einen
Tisch zu setzen.“ Bisher gibt es wenig Anzeichen, dass die Szene daran
interessiert ist. Eine groß angekündigte linke Demonstration gegen
besagte Razzia am 6. Februar in Friedrichshain verlief zwar vor Ort
weitgehend friedlich, aber nur, weil die Polizei dort inzwischen durch
eine große Zahl uniformierter und ziviler Beamte vorbeugt. Die Täter
wichen entsprechend aus, die beschädigten Fahrzeuge sind ihre Antwort.
Solche Guerilla-Strukturen bestimmen zunehmend das Bild. Absprachen und im Internet bekundete Solidarität bereiten neue Angriffe vor. Nach einer Polizeirazzia gegen mutmaßliche Linksextreme in Hamburg erwiderte die Szene auf der linksextremen Netzseite „Indymedia“, kein Angriff auf „unsere Strukturen bleibt ohne Antwort“, unmittelbar gefolgt von einer Solidaritätsadresse an Gleichgesinnte in „Berlin-Friedrichshain“. Im Internet bekannte sich die radikale Linke auch zu jüngsten Angriffen auf das Gemeinschaftsbüro der Grünen-Abgeordneten Antje Kapek und Dirk Behrendt in Berlin. Die Grünen bestätigten den Angriff in Kreuzberg. Der Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak (CDU) wurde im privaten Umfeld bedroht: Ein Fenster der Eingangstür seiner Mietwohnung wurde eingetreten, das ganze Gebäude mehrerer Mietparteien großflächig mit schwarzer Farbe beschmiert.
Polizisten vermuten, die Szene übt für Ausschreitungen um den bevorstehenden 1. Mai. Dazu passt ein weiteres, neues Bekennerschreiben zu den geballten Autobrandanschlägen. Ein „Kommando Klaus Jürgen Rattay“ verkündet darin, jeder Angriff auf „Projekte“ werde mit „Sachschäden von einer Million Euro“ vergolten. Das erste Bekenntnis wird darin als gefälscht bezeichnet. Die Polizei hält das zweite Schreiben für echt.
Sverre Gutschmidt
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