Freitag, 17. Januar 2014

Der Riese wacht auf



Foto: dpa picture alliance

   »Wir brauchen keine Weltmeisterschaft, wir brauchen Geld für Krankenhäuser und Bildung!«: Obwohl die Brasilianer den Fußball lieben, gehen sie gegen ihn auf die Straße. Sie prangern Geldverschwendung und Korruption an und fordern bessere Sozialleistungen.






Der Präsident der brasilianischen Protestanten über Umbrüche, protestantische Minderheit und Fußball


Wirtschaftsboom und grenzenloses Wachstum waren gestern. Nach Jahren des Aufstiegs vom Entwicklungsland zum »Global Player« zerbricht in Brasilien der schöne Schein. Die Einwohner wollen Korruption, Geldverschwendung und die Zustände in Schulen, Krankenhäusern und im Straßenverkehr nicht länger hinnehmen. Brigitte Vordermayer sprach mit Brasiliens evangelischem Kirchenpräsident Nestor Friedrich über das dem 200-Millionen-Einwohner-Land bevorstehende Jahr. Es wird ein spannendes - nicht nur wegen der Fußballweltmeisterschaft.
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 Nicht alle Brasilianer freuen sich auf die WM. Im letzten Jahr gab es immer wieder ungewöhnliche Bilder: Hunderttausende fußballbegeisterte Brasilianer demonstrierten bei den größten Protesten seit über 20 Jahren gegen das Fußballgroßereignis. Warum?

Friedrich: Die Menschen fragen sich natürlich, ob man wirklich so viel Geld ausgeben darf für nur einen Monat Fußball. Die Leute sehen, dass Arenen gebaut werden. Da wird viel Geld aufgewendet, auch staatliches. Und zur gleichen Zeit haben wir lange Schlangen in den Krankenhäusern. Die Menschen hier haben keine gute Krankenversicherung.

Und unser Verkehr: Er ist eine Katastrophe. Der Bus ist teuer und er ist schlecht. Es gibt zu wenige Straßen, man steht ewig im Stau. Warum wird das Geld nicht da investiert? Oder wir schauen auf das Schulsystem: Wenn ich eine gute Schule in Brasilien will, muss ich sie privat bezahlen. Wenn ich gute Gesundheitsversorgung will, muss ich sie privat zahlen. Durch die großen Ausgaben für die WM wurden die Leute plötzlich wach, vor allem die jungen. Und sie sagen: Wir müssen wirklich etwas verändern.



  Die Demonstranten forderten »Krankenhäuser mit FIFA-Standard«: Warum ist das staatliche Gesundheitssystem in Brasilien so schlecht?

Friedrich: Es wird sehr wenig Geld dafür aufgewendet. Wir haben eine staatliche Krankenversicherung. Aber die Krankenhäuser, die Ärzte, das alles wird sehr schlecht verwaltet. Es fehlt die Kontrolle. Zum Beispiel werden auch Medikamente kostenlos verteilt. Aber das ist so schlecht organisiert, dass viele längst abgelaufen sind und man sie nicht mehr benutzen kann. Es fehlt eine gute Verwaltung. Und die Ärzte sind sehr schlecht bezahlt. Deshalb haben wir Schwierigkeiten, Ärzte zu bekommen. In der Stadt gibt es viele, aber auf dem Land fehlen sie, dort fehlen auch die Geräte für richtige Untersuchungen.



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