Mittwoch, 29. Januar 2014

Wie falsches Flussmanagement die Elb-Auen bedroht

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Technisch verstärkte Ufer, abgetrennte Auwälder und andere Eingriffe haben die Elbe stark verändert. Sie vertieft sich. Das schadet nicht nur Tieren und Pflanzen, sondern auch der Wasserqualität.  Von Angelika Hillmer



Jedes Jahr fehlen der Elbe oberhalb des Wehrs Geesthacht um die 450.000 Tonnen Sedimente. Weil Staustufen im tschechischen Teil und in den wichtigen Nebenflüssen Schwarze Elster, Mulde, Saale und Havel Sand, Kies und Geröll zurückhalten, bedient sich das strömende Wasser im Flussbett. Die Folge: Die Elbe vertieft sich und trennt sich dadurch von ihrer Aue. Dieser Prozess sowie technisch verstärkte Ufer, abgetrennte Auwälder und andere menschlichen Eingriffe haben die Elbe deutlich verändert.



Experten der Flussgebietsgemeinschaft Elbe, der Bundesländer im Elb-Einzugsgebiet, wollen nun ein Sedimentmanagement entwickeln, das die Gewässerstruktur verbessert und die Elbe wieder naturnäher macht. Die europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) gibt vor, dieses Ziel bis 2015 zu erreichen.


Ob ein Fluss gesund ist, entscheidet nicht allein die Wasserqualität. Auch seine Struktur und Dynamik (Hydromorphologie) macht ihn zu einem mehr oder minder wertvollen Lebensraum für Flora und Fauna. In einem Workshop zum Thema Sedimentmanagementkonzept legten Wissenschaftler der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) in Koblenz eine Sedimentbilanz vor, die die Schwachstellen der Binnenelbe (deutsch-tschechische Grenze bis Wehr Geesthacht) aufzeigt. Dr. René Schwartz von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) in Hamburg leitete die Bestandsaufnahme der Tideelbe (Geesthacht bis Cuxhaven).

Die Sohlenerosion durch Sedimentmangel hat gravierende ökologische Folgen. Die wichtigste sei die "Entkopplung von Flussbett und Aue" durch den sinkenden Flusswasserstand, erläutert Dr. Ina Quick von der BfG. Dies könne langfristig zum Rückgang von auetypischen Lebensräumen führen. Zu diesen Lebensräumen gehören Altarme, die noch in Verbindung zum Fluss stehen.


Kinderstube für viele Fischarten

Hier vermehren sich zum Beispiel Hechte, andere Fische nutzen die ruhigeren "Sackgassen" zum Überwintern oder zur Nahrungssuche. Manche Arten bevorzugen Altwässer, die nur bei Hochwasser mit der Elbe in Verbindung stehen, hier finden sich unter anderen Karpfen, Rotfeder, Moderlieschen. Sie leiden ebenso wie Amphibien darunter, dass viele Altwässer durch den tiefer gelegten Flusslauf im Sommer frühzeitiger austrocknen.

Auch die Wasserversorgung der Auwälder verschlechterte sich. Die Wälder im Bereich der Mittleren Elbe bei Dessau (Sachsen-Anhalt) waren über Jahrzehnte das letzte Refugium der Elbebiber, die sich inzwischen wieder bis in die Region Hamburg ausgebreitet haben. Hier leiden vor allem die alten Bäume. Und bei sommerlichem Niedrigwasser wird auch im Weltkulturerbe Dessau-Wörlitzer Gartenreich (Sachsen-Anhalt) das Wasser knapp.

"Der für die Mittelelbe derzeit noch typische Auencharakter droht verloren zu gehen", sagt René Schwartz von der BSU. Bäume der Hartholzaue, etwa Eichen und Ulmen, kämen in Wasserstress. Bäume der Weichholzaue, zum Beispiel Weiden, könnten ihren Konkurrenzvorteil, dass sie mehr als 100 Tage im Jahr überflutet sein können ohne Schaden zunehmen, nicht mehr ausspielen.


Artenzusammensetzung verändert sich

Die Nutznießer seien zum Beispiel Pappeln, die in den trockeneren Flussauen verstärkt Fuß fassen, so Schwartz. Neben der Sohlenvertiefung haben Eingriffe zur Landgewinnung, für den Hochwasserschutz und die Schifffahrt über Jahrhunderte das Gesicht des Flusses verändert. Die deutsche Elbe habe ein Großteil seiner Auen eingebüßt, steht im Auenzustandsbericht des Bundesamts für Naturschutz. Mit Ausnahme des südlichsten, gebirgigen Abschnitts liegen die Verluste "zwischen 50 und mehr als 90 Prozent".

Während die Binnenelbe dennoch als naturnahes Gewässer eingestuft wird, gilt die Tideelbe als "erheblich veränderter Wasserkörper". Neben der Fahrrinnenvertiefung zwischen der Elbmündung und dem Hamburger Hafen rückten die Deiche immer stärker an den Hauptstrom heran. Vorländer gingen verloren, Nebenflüsse wurden abgeschnitten, Flachwasserzonen aufgefüllt (berühmtestes Beispiel: die Teilzuschüttung des Mühlenberger Loch). Vieles davon ist angesichts der heutigen Nutzungen nicht rückgängig zu machen. Dennoch suchen Experten nach Potenzialen, mehr Naturnähe zu schaffen.


Verlust des Freizeitwertes

Etwa 150 der 330 Uferkilometer der Tide-Elbe vom Wehr Geesthacht bis zur Nordsee sind so stark verbaut, dass dort kaum noch Pflanzen wachsen können. Was Ufer und Deiche schützt, beeinträchtigt den Artenschutz, die Gewässerqualität und den Freizeitwert. Im Raum Hamburg dominieren Steinschüttungen und Spundwände das Ufer.

Das BfG-Projekt "ElbService" an dem sich die Universitäten Göttingenund Kiel beteiligen, befragt derzeit die Menschen entlang der Tideelbe, wie sie die Ufer nutzen und was sie dort für schön und wichtig halten. Die Fragebogenaktion dient dem Ziel, die Uferbefestigungen teilweise zurückzubauen – im Einklang mit dem Hochwasserschutz, der Schifffahrt und den Ansprüchen der Anwohner.

Auch der Umgang mit den Sedimenten, die sich im Hafenbereich ablagern, wird überdacht. Der ungeliebte Sand und Schlick kommt zum einen mit der Flut die Elbe hinauf und setzt sich während des Stillwassers (Wechsel zwischen Flut und Ebbe) in den Hafenbecken und -einfahrten ab. Zum anderen stammen die Sedimente aus dem Oberlauf. Gerade sie verursachen Probleme, denn sie können Schadstoffe enthalten, die sich vor Jahren und Jahrzehnten in Nebenflüssen (u.a. Mulde, Saale) oder in den Buhnenfeldern am Rande des Hauptstrom abgelagert hatten.

Vor allem bei Hochwasser wird das Sediment aufgewirbelt und damit die Schadstoffe mobilisiert. Das ist ein großes Problem für den Hamburger Hafen: Von den rund fünf Millionen Tonnen Sedimente, die die Hamburg Port Authority (HPA) alljährlich ausbaggern lässt, ist eine halbe bis eine Tonne so stark mit Schadstoffen belastet, dass das Material teuer an Land deponiert werden muss. Dies verursacht drei Viertel der Gesamtkosten der Baggerarbeiten.


Der Fluss muss geschickt gemanagt werden

Um das Problem zu bekämpfen hat die Stadt im April 2010 ELSA ins Leben gerufen, das Projekt "Schadstoffsanierung Elbsediment". Es fördert die Zusammenarbeit der Bundesländer im Elb-Einzugsgebiet sowie tschechischer Behörden mit dem Ziel, die Schadstoffquellen im Flusssystem zu reduzieren. Dabei stehen zunächst drei Altlasten im Vordergrund: die aufgegebenen Bergbaureviere des Erzgebirges, der Muldestausee und Bereiche der Elbaue, in denen sich bei Hochwasser schadstoffbelastete Schwebteilchen abgelagert haben.

Diese auch Feinsediment genannten Schwebstoffpartikel sind – im Gegensatz zu den gröberen Sedimenten Sand, Kies, Geröll – in der Elbe überreichlich vorhanden. Sie verteilen nicht nur Schadstoffe elbabwärts, sondern können im Sommer auch zu Sauerstoffdefiziten führen: Viele Schwebstoffe sind winzige Algen, die irgendwann absterben und dann zersetzt werden. Dieser Prozess verbraucht Sauerstoff. Zudem trüben die Partikel das Wasser, so dass weniger Licht an die Unterwasserflora dringt, die dadurch weniger Sauerstoff produziert.

Der Weg zur naturnäheren Elbe ist ein Balanceakt, der die Interessen der Flussanrainer, der Schifffahrt und des Hochwasserschutzes wahren muss. Die BfG-Experten schlagen mehrere Maßnahmen vor. So könnten Vorländer, die dem Wasser den Weg in die Auen abschneiden, parallel zum gesunkenen Wasserstand tiefer gelegt werden. Das abgebaggerte Material könnte, wenn es nicht schadstoffbelastet ist, an Stellen mit starker Sohlenerosion gezielt dem Fluss zurückgegeben werden, um sein lädiertes Bett wieder aufzufüllen. Mit der Frage, in welchen Flussabschnitten solche "Geschiebezugaben" angebracht sind, befasst sich die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Schließlich soll die Elbe im Einklang mit seinen Nutzern gesunden.






Janis Anmerkung: 

Darüber sollte die Tourismusbranche gut nachdenken, denn ein großer Teil der Gastwirte - Hoteliers - Pensionen etc. in Mitteldeutschland lebt von der naturnahen Elbe. Die Schifffahrt, wie es sie einmal gab, mit jede Menge Lastkähnen auf der Elbe, gibt es schon lange nicht mehr. Da sich in dieser Gesellschaft alles nur noch um die Maximierung des Profits dreht. Ob unsere Nachgeborenen uns einmal danken werden oder doch wohl eher fluchen? Denn wir haben die Erde immer nur von unseren Kindern geborgt! 
Der Herr gab sie uns, damit wir verantwortlich damit umgehen. Aber irgendwie muss der Mensch das anders verstanden haben, was im 1. Buch Mose geschrieben steht. Wo wir dann wieder beim Leseverständnis wären..... ;-)))



Dörfler im Interview: Das Elbe-Problem ist nicht lösbar





Was würden Sie anstelle eines Binnenschiffers tun, wenn sich Gütertransport auf der Elbe nicht mehr rechnet? Eine Umschulung zum Gastronom mitmachen, wie es ganz lapidar im Bund-Flusslandschaften-Bericht vorgeschlagen wird?



Wie überall in der Wirtschaft, man muss sich nach Alternativen umsehen. Als das Pferdefuhrwerk meines Vaters nicht mehr wettbewerbsfähig war, musste er sich neu orientieren. Das ging hier vielen nach der Wende genau so. Klar ist das ein schmerzhafter Prozess. Als leidenschaftlicher Elbschiffer würde ich die Ladung wechseln und Passagiere befördern. Mit kleinen, elbangepassten Schiffen kann man hier Natur- und Flusstourismus vom Feinsten betreiben. Dazu muss man offen sein und seine Kommunikationsfähigkeit entwickeln. An dieser Art „Ladung“ muss man Jahre lang arbeiten, die kommt nicht auf einen Schlag. Aber das ist nur eine Möglichkeit. Man könnte auch auf Kanu-Tourismus setzten. Ich wünsche jedem, dass er lange fahren kann. Aber auf der Elbe funktioniert das nicht ewig.


Vielen Dank für das Gespräch.



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