Kommentare...
Hjalmar Kreutzer 10.11.2015
Verehrte Frau Lengsfeld,
danke für Ihren Bericht. Für diese Gymnasiasten, manchmal nicht zu Unrecht “die dummen Kinder von der Antifa” genannt, fürchte ich, sie werden z.T. von ganz anderen Leuten instrumentalisiert. 1976 hatten alle Angehörigen meiner NVA-Einheit eine Protestresolution gegen Biermann zu unterzeichnen, obwohl wir nie eine Zeile von ihm gelesen hatten.
Wenn heute der Lehrer vom Politik-Leistungskurs AfD und Pegida frisch-fromm-fröhlich mit NPD oder gar NSDAP gleichsetzt und “es erwartet wird”, dass die Schüler gegen rechts “Gesicht zeigen”, entsteht Gruppendruck a la DDR-EOS. So geschehen bei uns in Neuruppin anlässlich einer Anti-Pegida-Demo, ohne dass jemals Pegida in Neuruppin aufgetreten wäre. Einer der jungen Antifaschisten war dann wenige Tage später stolz mit seinem Antifa-Emblem bei mir in der Sprechstunde, dafür an der Hand von der Mutti, damit diese für ihn dem Doktor Fragen stellen und ihm seine Behandlung erklären konnte.
Wolfgang Schmid 10.11.2015
Sie schreiben: >Auf die Dauer ist es nicht hinnehmbar, dass die verfassungsrechtlich garantierte Meinungs- und Demonstrationsfreiheit nur mit Polizeieinsätzen gesichert werden kann.<
Nun, was erwarten Sie in einem Staat, in dem der Bundestagspräsident ihm unangenehme Demonstrationen mit Körpereinsatz blockert? In dem ein Justizminister, der verfassungswidrige Gesetze durchwinkt, politische Gegner denunziert? In dem eine thüringische Landesregierung linke Gegendemonstranten bezahlt, damit sie gegen politische Gegner demonstrieren kann? In dem telegene Aktionen die Diskussion ersetzen? In dem politisch Missliebige bei ihren Arbeitgebern denunziert werden?
Wie wollen Sie da jungen Gymnasiasten politischen Anstand und das Grundgesetz beibringen? BTW: Die werden mal unser Führungsnachwuchs!
Ich liebe dieses Land und ich habe mal geschworen, es mit meinem Leben zu verteidigen. Aber diesen Staat? Da bin ich mir nicht mehr so sicher.
Mike van Dyke 10.11.2015
Toller Artikel, der das Dilemma der politischen Landschaft grell aufzeigt. Denn, was ist eigentlich Links oder Rechts politisch heute? Mir ist diese Frage das erste Mal so richtig bewusst geworden, als quasi über Nacht seinerzeit kommunistische Sowjets in den Medien zu Rechten mutierten. Sie selbst hatten sich in keiner Hinsicht verändert und hätten weiterhin auf Nachfrage jedes kommunistische Bekenntnis treu aufgesagt.
Bis zur Wende im kommunistischen Ostblock hätte jeder westdeutsche Journalist mit Inbrunst zurückgewiesen, bei osteuropäischen Kommunisten hätte es sich um Rechte gehandelt. Was aber bleibt von Links übrig, wenn sogar ausgewiesene Kommunisten rechts sein können? Eigentlich doch nur das antikonservative Element, wenn man nicht für die ganz Bekloppten einfach links als Synonym für gut verwenden will. Auch wenn es scheint, dass man mit diesem Etikettenschwindel bei vielen heute damit durchkommt.
Wenn also einzig bleibt, dass rechts für überwiegend konservativ und links für überwiegend progressiv steht, dann ist gerade die heutige ganz junge Generation eher stramm rechts. Denn im Gegensatz zu uns früher scheinen sie völlig angepasst an den politischen und medialen Mainstream und vor allem an das, was ihnen ihre linksrotgrünen Lehrer vorgeben.
Ihre Sprachlosigkeit bei den beschriebenen Nachfragen deutet auf eine heftige Indoktrination eher hin als auf ein reflektiertes Auseinandersetzen mit der politischen Situation. Sie sind angepasst, ohne es zu merken. Rechts, ohne es merken. Antisemitisch, ohne es zu merken. An der Schwelle sogar vielleicht, faschistisch zu denken, ohne es zu merken. Und warum? Weil immer mehr Stellen des öffentlichen Lebens meinen, den Bürgern das selbstständige Denken sicherheitshalber abtrainieren zu müssen. Das ist einer Gesellschaft noch nie gut bekommen. Wir brauchen mehr Demokratie.
Nachdem ich mich von Habibi verabschiedet hatte, beschloss ich angesichts des milden Novemberabends, noch nicht gleich in die U-Bahn zu steigen, sondern ein oder zwei Stationen in Richtung Heimat zu laufen. Sobald ich den Alexanderplatz überquert hatte, sah ich in der Ferne auf der Liebknecht-Straße viele Blaulichter zucken. Die von der Polizei begleiteten Demonstranten trugen Fahnen, darunter die Deutschlandfahne. Das musste „Bärgida“ sein, der Berliner Ableger von Pegida. Da ich noch nie in der Nähe einer solchen Demonstration war, beschloss ich, die Gelegenheit beim Schopfe zu packen und mir das anzusehen.
Es waren nur etwa 300 Unentwegte, die sich aufgemacht hatten, wie jeden Montag seit einem Jahr gegen die Islamisierung des Abendlandes, vor allem gegen den importierten Antisemitismus, auf die Straße zu gehen. Diesmal Richtung Prenzlauer Berg, was ich für eine gewagte Route hielt, den hier lebt vor allem das grüne Establishment. Es waren kaum Plakate zu sehen, dafür Fahnen: die Berliner-, Brandenburger-, die Deutschlandfahne und die Wirmer- Flagge. Auch eine Israel- Fahne war dabei. Aus der mitfahrenden Anlage tönte die Internationale, das heißt die Melodie, der Text war ziemlich witzig umgedichtet worden. Meist schwiegen die Bärgidisten, dafür waren die Gegendemonstranten um so lauter. Wie viele es waren, ist schwer schätzen.
Wenn eine Gruppe von etwa dreißig Leuten an einer Stelle sich die Kehle aus dem Hals schrie, rannten ein paar von ihnen schon los, um sich weiter hinten erneut zu positionieren. „Bärgidisten-Pack, wir haben Euch zum Kotzen satt“ war häufig zu hören. Es war nicht die harte Antifa, die da am Straßenrand schrie, die musste sich wahrscheinlich noch von der AfD-Demo erholen, die zwei Tage vorher in Berlin stattgefunden hatte. Es waren blutjunge Schüler, viele von ihnen in teuren Markenklamotten, die da Antifa mimten. Die Kinder jener rot-grünen Wohlstandsschicht, die ihre Prosperität als Staatsdiener des Systems erwarben, das sie immer noch abschaffen wollen.
Diese Kinder werden zur Schule, zum Sport und zur Tanzstunde gefahren, sie dürfen nie allein durch die heimische Wildnis streifen, ihre Kräfte selbstständig entwickeln und erproben. Wenn schlechte Zensuren drohten, erscheinen die Eltern in der Schule und setzten die Lehrer unter Druck. Im Leben dieser Kinder wurde alles weggebügelt, was nach Hindernis aussah. Kein Wunder, dass die erlebte Glätte sie langweilt, dass sie nach einem Kick suchen. Da kommt der Kampf gegen einen zum rechten Popanz aufgeblasenen Gegner gerade recht. Antifaschist sein ist heute wohlfeil. Man kann sich selbst die gute Gesinnung lautstark attestieren, ohne das geringste Risiko.
Ich beschloss, ein paar von ihnen anzusprechen. Als besonders heftig geschrien wurde, während die Israelfahne vorbeigetragen wurde, fragte ich ein paar Jungs, was sie gegen Israel hätten. Ein kleiner Schreier in schwarzer Lederjacke antwortete sofort: „Israel schlachtet palästinensische Kinder! Israel muss weg!“ „Meint Ihr das wirklich?“ Den anderen war ihr Kumpel sichtlich peinlich. Nein, nein, sie hätten nichts gegen Israel. „Dann überlegt Euch, ob es klug ist, mit Israelhassern gemeinsame Sache zu machen.“
Der Kleine war inzwischen längst abgehauen. Ich habe ihn später noch ein paar Mal gesehen, in immer anderen Gruppierungen, mit denen er aber nichts zu tun hatte.
Ein paar „Deutschland muss weg“-Rufer fragte ich, wo Deutschland denn hin soll. Sie waren verwirrt. „Na, es soll ja nicht weg, wir wollen hierbleiben. Hier gefällt es uns. Die Anderen sollen weg und auch das System.“ „Wo sollen die Anderen hin? In den Gulag?“„Wieso Gulag? Was ist das?“
Ich wiederholte das Spiel noch ein paar Mal. Immer wieder verblüffte mich die Verwandlung einer Hassmaske in den netten Gymnasiasten von nebenan. Ich hatte noch nie zuvor gesehen, dass man sich in eine Art Trance schreien kann, aus der man jäh erwacht, oder auch nicht, wenn die Trance zu einer Art Albtraum wird, den man nicht so leicht abschütteln kann. Von allen, die ich angesprochen habe, hat nur einer aggressiv reagiert. Der war schon etwas älter und härter als der Durchschnitt. Er schrie „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda!“ Wo er Nazipropaganda sähe, wollte ich von ihm wissen. „Mach Dich da rein, in den Haufen!“ Das unterstrich er mit einer Geste in Richtung Demo, gefolgt von einem lautstarken „Wer bei Bärgida marschiert, ist ein Nazi!“ So einfach ist das antifaschistische Weltbild.
Als der Zug durch die Straßen am Kollwitzplatz zog, gab es auch vereinzelte Stimmen von oben. Die fand ich besonders klasse. Leute, die hinter ihrem Ofen bleiben und feige die Gefahr aus sicherer Distanz bekämpfen sind würdige Vertreter Helldeutschlands.
Einmal kam ein Pressefotograf zu mir und fragte mich, ob ich wüsste, dass der Bärgida-Fotograf der Sohn eines weltberühmten DDR- Schriftstellers sei. Er sei bei jeder Demo dabei und hätte auch die Fotos auf der AfD-Demo gemacht. Wie ich das fände? Nun, ich fand gar nichts. Ich kannte den Vater flüchtig und den Sohn nur als Kleinkind. Allerdings hätte ich gern mit ihm gesprochen, um seine Motiven zu erfahren.
Für alle, die sich besorgt fragen, ob ich keine Kritik an Bärgida hätte: Doch, einmal, als die Gegenstimmen besonders laut wurden, ließ sich ein Teil dazu hinreißen zu rufen: “Wir kriegen Euch alle!“ Auch wenn ich das nur einmal gehört habe und der Ruf ziemlich schnell wieder erstarb, war das mehr als unangenehm.
Ich kann diesen Bericht nicht schließen, ohne der Berliner Polizei ein ganz großes Lob, nein, meine Hochachtung auszusprechen. Ich habe zum ersten Mal so einen Einsatz erlebt und die Disziplin und Präzision der Beamten bewundert. Auch wenn es sicher ein leichterer Einsatz war, denn die Gymnasiasten machten keine ernsthaften Versuche, die Polizeiketten zu durchbrechen, herrschte doch durch das konstante aggressive Gebrüll eine Art Bürgerkriegsatmosphäre, die an den Nerven zerrte. Aber außer dieser verständlichen Nervosität, die ich bemerkte, wenn ich wieder meinen Presseausweis zeigen musste, um eine Sperre passieren zu können, habe ich keinerlei Übergriffigkeiten festgestellt. Ich habe auch nur eine Festnahme gesehen. Das war aber kein Schüler, sondern ein Aktivist mit Migrationshintergrund.
Auf die Dauer ist es nicht hinnehmbar, dass die verfassungsrechtlich garantierte Meinungs- und Demonstrationsfreiheit nur mit Polizeieinsätzen gesichert werden kann. Wir brauchen eine Verfassungsoffensive. Nicht nur die Einwanderer, auch alle Schüler in unserem Land sollten spätestens mit 14 Jahren ein Grundgesetz überreicht bekommen und später nachweisen, dass sie es gelesen und verstanden haben.
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