Samstag, 5. Januar 2013

Auf dem Schlachtfeld der deutschen Animositäten

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Alle gegen alle – und besonders gegen Berlin. Die Thierse-Debatte zeigt nur einen kleinen Teil der landsmannschaftlichen Verfeindungen. Ein Rundgang über das Schlachtfeld der deutschen Animositäten.

Berliner versus Schwaben

Nichts Neues für den Berliner. Die hergezogenen Schwaben kriegen mal wieder Haue, und sie koffern zurück. Wolfgang Thierse ist nur eine neue Puppe in einem alten Kasperlstück.
Lust auf ein, zwei Ideen dazu? Hier die tiefenhistorische Erklärung: Seitdem die schwäbischen Hohenzollern den preußischen Laden vor knapp 600 Jahren übernahmen, sind beide Stämme nun mal schicksalhaft verbandelt. Und nachdem das schwäbische Preußenveredelungsprojekt vor knapp hundert Jahren auslief, muss man sich den Schwaben und den Berliner vorstellen wie zwei alte Knilche, die sich jeden Nachmittag um halb vier auf derselben Parkbank zum Zanken treffen.
Zu retro, Keule? Jut, hier die lebensnahe Erklärung: Berlin ist seit den 60er-Jahren die Deponie für
die renitente Westjugend. Schon die Hausbesetzer der Achtziger schwäbelten. Heute gehören ihnen die Häuser. Sie wollen's nett haben, wer will das nicht? Die, die neu in der Deponie sind. Die wollen noch e bissele Anarchie atmen, bevor auch sie kaufen und sanieren.
Und Opa Thierse erzählt dann ihren (seinen)   Kindern eine Geschichte aus wilder Zeit. Gut's Nächtle, Alter.
Wolfgang Büscher
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Hamburg versus Pinneberg

Pinneberg ist das kleine ungeliebte Anhängsel im Nordwesten von Hamburg. 43.000 Menschen leben in der schleswig-holsteinischen Kreisstadt. Stolz sind die Pinneberger auf Michael Stich (in Pinneberg geboren), Tim Mälzer (in Pinneberg zur Schule gegangen) und auf das kalendarische Highlight des Jahres, das Weinfest vor der Drostei. Und das war's dann auch schon.
Entsprechend verächtlich gucken die Hamburger nach Pinneberg. "Provinz-Idioten" nennen sie Autofahrer mit "PI"-Kennzeichen, "pennt immer" und "Perverse Irre". Die Provinzler werfen den Hansestädtern (HH) "Halbes Hirn" vor. Obwohl Speckgürtel und Hafenstadt eigentlich fest durch Arbeitsmigration miteinander verbunden sind.
Doch es geht auch noch schlimmer. In Pinneberg erzählt man sich folgenden Brüller: "Hamburg hat Pinneberg, aber Appen (Gemeinde im Kreis Pinneberg, Anm. d. Red.) hat Etz!" Etz wie Aids. Als wäre so ein kleiner Ort mit Baumschulen eine unheilbare Krankheit. Intimfeindschaften sind eben nicht immer niveauvoll.
Anne Klesse
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Ost versus West

Der eine witzelt: "Warum nennt der Ossi den Wessi 'Wessi'? Weil er das Wort 'Spezialist' nicht aussprechen kann!" Der andere kontert: "Was erhält man, wenn man einen Ossi mit einem Wessi kreuzt? Einen arroganten Arbeitslosen." Ein Dritter wirft ein: "In der DDR hat man 12 Jahre bis zum Abitur gebraucht, der Wessi braucht ein Jahr länger. Da ist ein Jahr Schauspielunterricht dabei."
Was wir hier erleben, ist nicht jener innerdeutsche Ost-West-Konflikt, den wir Deutschen uns seit gut 22 Jahren gern unterstellen. In Wahrheit gibt es diesen Konflikt nicht. Denn diese Witze entspringen – unabhängig von Geokoordinaten – dem urdeutschen Drang, Neid und Missgunst zu streuen, sich über Glück und/oder Leistung des anderen ganz und gar nicht freuen zu können.
Es ist dabei irrelevant, ob es sich um Neid auf materielle Besserstellung handelt oder um Missgunst angesichts der Tatsache, dass der andere es geschafft hat, seine Lebenssituation grundstürzend zu ändern.
Neid ist offenkundig Teil der deutschen DNA, vermeintliche Ost-West-Reibereien nur Substitutionshandlung dafür, dass wir uns selbst nicht leiden können. Sonst würden wir nämlich als fröhliches Volk wahrgenommen werden. Denn es geht uns sehr, sehr gut.
Oliver Michalsky

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