Alle gegen alle – und besonders gegen Berlin. Die Thierse-Debatte zeigt
nur einen kleinen Teil der landsmannschaftlichen Verfeindungen. Ein
Rundgang über das Schlachtfeld der deutschen Animositäten.
Berliner versus Schwaben
Nichts Neues
für den Berliner. Die hergezogenen Schwaben kriegen mal wieder Haue,
und sie koffern zurück. Wolfgang Thierse ist nur eine neue Puppe in
einem alten Kasperlstück.
Lust auf ein,
zwei Ideen dazu? Hier die tiefenhistorische Erklärung: Seitdem die
schwäbischen Hohenzollern den preußischen Laden vor knapp 600 Jahren
übernahmen, sind beide Stämme nun mal schicksalhaft verbandelt. Und
nachdem das schwäbische Preußenveredelungsprojekt vor knapp hundert
Jahren auslief, muss man sich den Schwaben und den Berliner vorstellen
wie zwei alte Knilche, die sich jeden Nachmittag um halb vier auf
derselben Parkbank zum Zanken treffen.
Zu retro, Keule? Jut, hier die lebensnahe Erklärung: Berlin ist seit den 60er-Jahren die Deponie für
die renitente Westjugend. Schon die Hausbesetzer der Achtziger schwäbelten. Heute gehören ihnen die Häuser. Sie wollen's nett haben, wer will das nicht? Die, die neu in der Deponie sind. Die wollen noch e bissele Anarchie atmen, bevor auch sie kaufen und sanieren.
die renitente Westjugend. Schon die Hausbesetzer der Achtziger schwäbelten. Heute gehören ihnen die Häuser. Sie wollen's nett haben, wer will das nicht? Die, die neu in der Deponie sind. Die wollen noch e bissele Anarchie atmen, bevor auch sie kaufen und sanieren.
Und Opa Thierse erzählt dann ihren (seinen) Kindern eine Geschichte aus wilder Zeit. Gut's Nächtle, Alter.
Wolfgang Büscher
.
Hamburg versus Pinneberg
Pinneberg ist
das kleine ungeliebte Anhängsel im Nordwesten von Hamburg. 43.000
Menschen leben in der schleswig-holsteinischen Kreisstadt. Stolz sind
die Pinneberger auf Michael Stich (in Pinneberg geboren), Tim Mälzer
(in Pinneberg zur Schule gegangen) und auf das kalendarische Highlight
des Jahres, das Weinfest vor der Drostei. Und das war's dann auch schon.
Entsprechend
verächtlich gucken die Hamburger nach Pinneberg. "Provinz-Idioten"
nennen sie Autofahrer mit "PI"-Kennzeichen, "pennt immer" und "Perverse
Irre". Die Provinzler werfen den Hansestädtern (HH) "Halbes Hirn" vor.
Obwohl Speckgürtel und Hafenstadt eigentlich fest durch
Arbeitsmigration miteinander verbunden sind.
Doch es geht auch noch schlimmer. In Pinneberg erzählt man sich folgenden Brüller: "Hamburg hat Pinneberg, aber Appen (Gemeinde im Kreis Pinneberg, Anm. d. Red.)
hat Etz!" Etz wie Aids. Als wäre so ein kleiner Ort mit Baumschulen
eine unheilbare Krankheit. Intimfeindschaften sind eben nicht immer
niveauvoll.
Anne Klesse
. Ost versus West
Der eine
witzelt: "Warum nennt der Ossi den Wessi 'Wessi'? Weil er das Wort
'Spezialist' nicht aussprechen kann!" Der andere kontert: "Was erhält
man, wenn man einen Ossi mit einem Wessi kreuzt? Einen arroganten
Arbeitslosen." Ein Dritter wirft ein: "In der DDR hat man 12 Jahre bis
zum Abitur gebraucht, der Wessi braucht ein Jahr länger. Da ist ein
Jahr Schauspielunterricht dabei."
Was wir hier
erleben, ist nicht jener innerdeutsche Ost-West-Konflikt, den wir
Deutschen uns seit gut 22 Jahren gern unterstellen. In Wahrheit gibt es
diesen Konflikt nicht. Denn diese Witze entspringen – unabhängig von
Geokoordinaten – dem urdeutschen Drang, Neid und Missgunst zu streuen,
sich über Glück und/oder Leistung des anderen ganz und gar nicht
freuen zu können.
Es ist dabei
irrelevant, ob es sich um Neid auf materielle Besserstellung handelt
oder um Missgunst angesichts der Tatsache, dass der andere es geschafft
hat, seine Lebenssituation grundstürzend zu ändern.
Neid ist
offenkundig Teil der deutschen DNA, vermeintliche Ost-West-Reibereien
nur Substitutionshandlung dafür, dass wir uns selbst nicht leiden
können. Sonst würden wir nämlich als fröhliches Volk wahrgenommen
werden. Denn es geht uns sehr, sehr gut.
Oliver Michalsky
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