Donnerstag, 3. Januar 2013

Steinbrück macht es Merkel recht leicht

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Der apolitische Steinbrück strapaziert die SPD

Nach dem Geld-Interview des SPD-Kanzlerkandidaten herrscht unter Sozialdemokraten Fassungslosigkeit. Vielen erscheint der Preis, ihn zu verteidigen, zu hoch. Will der Mann überhaupt Kanzler werden? Von

Eine kluge Antwort hatte sich Peer Steinbrück ausgedacht, als er in einem Interview gefragt wurde, ob er sich unterbezahlt fühle. Steinbrück brach in Lachen aus und bekundete: "Das ist eine tödliche Frage." Messerscharf war diese Analyse Peer Steinbrücks als Bundesfinanzminister vor gut sechs Jahren. Dabei drückte er sich mitnichten um eine Antwort. Nach den einleitenden Worten von der "tödlichen Frage" sprach er davon, er erhalte einen Nettostundenlohn von 35 bis 40 Euro, und sagte: "Das halte ich nicht für überbezahlt angesichts der Aufgaben, für die ich Verantwortung trage."

Wer wollte Steinbrück da widersprechen? Sein damaliges Interview beschäftigte die Republik eher einige Stunden denn einige Tage, wenn überhaupt, und kein Wahlkämpfer der SPD sah Anlass für Depressionen – anders als nach den Worten, die ihr Kanzlerkandidat vor wenigen Tagen fand. So wie der Ton die Musik macht, so kann die Einleitung einer Antwort die Aussage eines Interview verändern. Gewiss, Journalisten neigen anschließend dazu, Zitate zu pointieren. Politiker wiederum relativieren noch so prägnante Zitate aus dem eigenen Munde mit dem Hinweis, dieser oder jener Satz sei "verkürzt" wiedergeben worden.


Die Mitstreiter zahlen einen hohen Preis

Der nächste Fettnapf, den Steinbrück in Aussicht nimmt, ist schließlich wohl nur eine Frage der Zeit. Das äußern auch Sozialdemokraten, wenn sie ehrlich und souverän sind, was vielen in diesen Tagen besonders schwer fällt. Das sei wohl der Zwiespalt, mit dem SPD leben müsse, heißt es über den Kandidaten mit der losen Zunge. Er werde mit der Causa Kanzler-Gehalt nicht das letzte Mal derart irritiert haben. "Scheiße" ist das Wort, das intern derzeit besonders oft fällt, und andere Vokabeln lauten: unerklärlicher Fehler und taktische Mängel. Das Fazit? Allgemeine Fassungslosigkeit.

"Ich will mich nicht bis zur Unkenntlichkeit verbiegen", sagt Steinbrück, und mancher in seinem Umfeld will ihn inszenieren als authentisch, kantig, direkt, ganz anders also als die Kanzlerin. Mister Klartext gegen Schwurbel-Merkel, lautet diese Gleichung. Sie ist hochriskant, wie sich nun abermals zeigt. "Er sagt, was er denkt", heißt es oft über Steinbrück. Es ist ein Urteil, das einen erschaudern lassen muss. Man verkündet innere Überzeugungen nicht zu jeder Zeit, schon gar nicht jedem gegenüber. Das ist im privaten Leben nicht möglich, und im politischen noch weniger.

Steinbrück, der in wenigen Tagen 66 Jahre alt wird, hat den Vorteil, auf "alles oder nichts" setzen zu können. Das entspricht seinem Charakter. Diese "Ich will so bleiben, wie ich bin"-Philosophie aber erinnert nicht nur an eine cholesterinfreie Margarine, sondern auch an die Attitüde, mit der schon Kurt Beck als SPD-Vorsitzender in Berlin gescheitert ist. "Links" ist sie noch am wenigsten. Steinbrück aber, der in inhaltlichen Fragen hoch flexibel ist, will persönlich konsequent bleiben. Seinen Mitstreitern nötigt das einen hohen Preis ab.



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