Sonntag, 13. Januar 2013

Wundersame Rettung

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Kanada Drama im Eismeer

VON JÖRG MICHEL


EDMONTON/MZ. Das Drama der Natur spielt im Norden der Hudson Bay nahe einer kleinen Inuit-Gemeinde mit dem Namen Inukjuak. Und es fand offenbar in der Nacht ein gutes Ende. Zwölf Schwertwale, die tagelang im dicken Eis vor der Küste eingeschlossen waren, sind Augenzeugenberichten zufolge wieder frei.
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Vor den Augen der Inuit kämpften die vom Eis eingeschlossene „Giganten des Meeres“ tagelang ums Überleben. Die Inuit versuchten verzweifelt, die schwarz-weiß gefleckten Killerwale zu retten. Am Mittwoch hatten sie im Wettlauf mit der Zeit auch die kanadische Regierung um Hilfe gebeten.
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Ein Jäger der Inuit hatte die um Luft ringenden Meeressäuger am Dienstag etwa 30 Kilometer vor der Küste Inukjuaks in einer Öffnung im Eis entdeckt. Das Atemloch hatte nur etwa die Größe eines Lastwagens und zog sich aufgrund der Meeresströmungen immer weiter zusammen. Um das Loch herum sah man nur Eis, so weit das Auge reicht.
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Der Bürgermeister von Inukjuak vermutet, dass die Tiere bei der Robbenjagd vom Eis überrascht wurden und Opfer des Klimawandels wurden. „Das Eis kam in diesem Jahr wegen der ungewöhnlich warmen Temperaturen später als normal und dann auf einmal ganz plötzlich“, berichtete Peter Inukpuk im kanadischen Sender CBC. Die Wale hätten den Kontakt zum offenen Wasser verloren und seien den Augenzeugenberichten zufolge völlig verängstigt gewesen. Immer wieder tauchten sie für eine längere Zeit ab, offenbar auf der Suche nach der offenen See. Danach kehrten sie abwechselnd doch wieder zum Loch zurück und schnappten panisch nach Sauerstoff.
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Mindestens einer der Wale hatte sich bei den Tauchmanövern an den scharfen Kanten des Eises verletzt und blutete stark, berichteten Bewohner, die sich bis auf etwa drei Meter dem Atemloch nähern konnten. Offenbar hatte es vor zwei Tagen auch ein Eisbär auf die geschwächten Tiere abgesehen; er wurde von den Inuit erschossen. Mit Kettensägen und Stemmeisen versuchten die Bewohner, das Atemloch so lange wie möglich offen zu halten, doch angesichts der Temperaturen von bis zu minus 30 Grad war dies kein leichtes Unterfangen. „Ohne Hilfe von außen werden wir die Wale auf Dauer nicht retten können“, sagte der Bürgermeister noch am Mittwoch. An die kanadische Regierung appellierte er, einen Eisbrecher zu entsenden, um den Walen einen Fluchtweg zu schaffen.
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Die Fischereibehörde Kanadas schickte ein zunächst Expertenteam in die entlegene Region. Inukjuak liegt etwa 1 500 Kilometer nördlich von Montréal und ist im Winter nur mit dem Flugzeug zu erreichen. Die Wissenschaftler sollten herausfinden, ob es überhaupt eine Möglichkeit gäbe, die Wale zu retten. Der nächste in der Region kreuzende Eisbrecher war zu weit entfernt, um rechtzeitig eingreifen zu können.
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„Wir alle beten, dass sich der Wind dreht und das Treibeis von der Küste wegfegt“, hatte der Bürgermeister gesagt. Und seine Gebete wurden am Donnerstag überraschend erhört: Der Wind drehte über Nacht, und den Tieren gelang es offenbar, sich selbst zu befreien.
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Killerwale kommen im Januar normalerweise nicht in der Hudson Bay vor, da sie sich im Winter gewöhnlich in wärmeren Gewässern aufhalten. Biologen glauben, dass die Klimaerwärmung die so genannten Orcas in immer nördlichere Gebiete lockt. Derzeit leben in der östlichen Arktis zwischen 250 und 1 000 erwachsene Tiere. Von den Inuit werden sie wegen ihrer geringen Zahl und dem ungenießbaren Fleisch nicht bejagt.
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Es war nicht das erste Wal-Drama dieser Art. Vor 25 Jahren nahm vor der Küste Alaskas ähnlicher Vorfall ebenfalls ein glückliches Ende. Damals waren drei Grauwale vom Eis eingeschlossen, am Ende konnte ein Eisbrecher der US-Küstenwache ihnen eine Fahrrinne ins offene Meer freimachen. Die spektakuläre Rettung wurde letztes Jahr in dem Hollywood-Streifen „Der Ruf der Wale“ verfilmt. 

mz-web.de
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