Samstag, 26. Januar 2013

Sprachpflege tut not

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Thomas Paulwitz, Historiker und Sprachpfleger, wurde 1973 in Eichstätt geboren und studierte Biologie, Politik und Geschichte in Erlangen. Er ist Gründer der Zeitschrift “Deutsche Sprachwelt” und seither ihr Chefredakteur. 2006 erhielt er den Gerhard-Löwenthal-Preis für Journalismus. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.


Ist Sprachpflege rechts? Ganz gewiß nicht. Sprachpflege ist ein Anliegen, das über den Lagern und Parteien stehen muß. Nicht nur für Konservative, sondern auch für Liberale und Linke gibt es gute Gründe, die Sprache zu pflegen. Diese Gründe schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich. 

Der eine wird möglicherweise stärker das Identitätsstiftende einer hochentwickelten Sprache und ihre Bedeutung für die Kultur des Landes in den Vordergrund stellen. Der zweite betont vielleicht eher die wirtschaftspolitischen Vorteile einer präzisen und gründlichen Sprache und die Meinungsfreiheit, die ein klares Wort ermöglicht. Der dritte wird vielleicht das aufklärerische Argument hervorheben, daß eine allgemein verständliche Sprache die Voraussetzung für den Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit ist. 

Infame Verdächtigungen
Daneben gibt es selbstverständlich auch völlig unpolitische Gründe, die Sprache zu pflegen, etwa das Streben nach Schönheit, Lebendigkeit und Vollkommenheit im Ausdruck oder das Ansinnen, seine Gedanken so fein wie möglich zu entwickeln und dem anderen mitzuteilen. All diese Beweggründe sind wichtig, und das Anliegen der Sprachpflege wäre nicht vollkommen vertreten, wenn es sich ausschließlich auf einen einzelnen dieser Antriebe beriefe. 

Leider wird jedoch das Wort „Sprachpflege“ aufgrund mancher Übertreibungen im 19. und 20. Jahrhundert mit Nationalismus und Purismus in Verbindung gebracht. Daher wollte der Vorstand der Wiesbadener „Gesellschaft für deutsche Sprache“ 1992 sogar das Wort „Pflege“ aus der Satzung streichen lassen. Glücklicherweise scheiterte er damit allerdings am Einspruch der Mitglieder; zu Recht, denn es ist unverschämt und infam, Bürger dem Verdacht gemeingefährlicher Bestrebungen auszusetzen, obwohl sie sich einem ehrenwerten Anliegen verschrieben haben. Auch ich bin es leid, mich für eine gute Sache immer wieder rechtfertigen zu müssen, werde aber ganz bestimmt nicht nachlassen, mich für die deutsche Sprache einzusetzen. 

Extremistisch sind andere
Denn mit diesen beiden verträgt sich Sprachpflege überhaupt nicht: mit Extremismus und Totalitarismus, mögen sie von ganz Rechtsaußen oder von ganz Linksaußen kommen oder gar aus der Mitte der Macht. Extremisten legen es darauf an, die Sprache zu manipulieren; anderen vorzuschreiben, was sie sagen und denken dürfen. Sie werfen sprachliche Nebelkerzen, um ein schändliches Anliegen zu verbergen. Sie scheuen das klare Wort und verstecken sich hinter Floskeln und Worthülsen. Sie verwenden Totschlagwörter, um den eigenen Standpunkt nicht in Frage stellen zu müssen. 

Insofern ließe sich der Spieß umdrehen: Die eigentlichen Extremisten sind die Manipulierer und Sprachverderber; diejenigen, die andere unter Verdacht stellen, nur weil sie sich für gutes Deutsch einsetzen; diejenigen, die andere Menschen ausgrenzen, indem sie sich unverständlich äußern oder gleich ganz die Sprache wechseln; diejenigen, die am Status des Hochdeutschen rütteln und die Gesellschaft spalten; diejenigen, die Wörter tabuisieren, damit über bestimmte Dinge nicht mehr gesprochen werden kann; diejenigen, die eine reduzierte Einheitssprache auf Kosten anderer Sprachen und Denkweisen vorantreiben; diejenigen, die eine To-Go-Gesellschaft aus Jasagern und Sale-Trotteln formen wollen. Es gilt daher heute mehr denn je: Sprachpflege tut not!

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