Donnerstag, 31. Januar 2013

Massenvergegwaltigung auf dem Tahrir-Platz

  
Einst wurde auf dem Tahrir-Platz in Kairo für Freiheit demonstriert. Doch nun wird aus dem Symbol für Demokratie ein Ort des Schreckens. Allein am Jahrestag der Revolution wurden dort mindestens 25 Frauen vergewaltigt. 


Kairo. Blitzartig umringen die Täter ihr Opfer, sofort machen sich Horden junger Männer auf offener Straße über die gefangene Frau her. Letzten Freitag, am zweiten Jahrestag der Revolution, wurde eine 19-Jährige auf dem Tahrir-Platz in eine Seitenstraße gezerrt, nackt ausgezogen und mit einem Messer vergewaltigt. Völlig verstört und mit schweren Schnittwunden an ihren Genitalien liegt sie nun im Krankenhaus. 

Organisierte Vergewaltigungen im Zentrum von Kairo werden immer schlimmer und immer häufiger. 25 missbrauchte Frauen zählten die Selbsthilfeorganisationen "Operation Anti-Sexual Harassment" (OpAntiSH) und "Tahrir Bodyguard" allein am vergangenen Freitag. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen, weil viele Betroffene sich schämen, ihre Tortur anzuzeigen. "Einige der Opfer wurden begrapscht, andere von dem Mob mit Fingern vergewaltigt. Die Frauen haben Bisswunden am ganzen Körper, alle ihre Sachen wurden gestohlen", erklärte OpAntiSH-Sprecherin Leila Zahra. "Es war einer der schlimmsten Tage, die wir bisher erlebt haben."

Eine junge Frau, die eine solche brutale Attacke im November überlebte, entschloss sich am Wochenende, ihre traumatischen Erfahrungen auf der Nazra-Website für feministische Studien zu veröffentlichen: "Es waren hunderte von Händen, die mir die Kleider vom Leib rissen. Es gab keinen Ausweg, jeder behauptete, er wolle mich schützen und retten, doch alles, was ich von denen um mich herum spürte, waren Vergewaltigungen mit den Fingern – von vorne und von hinten - einer hat sogar versucht, mich zu küssen. Ich war total nackt und wurde von der Menge in eine Gasse gestoßen nahe dem Restaurant Hardee’s. Jedes Mal, wenn ich zu schreien versuchte oder mich wehrte, steigerten sie ihre Vergewaltigungen."

Ein Reporter der Zeitung "Egypt Independent", der letzten Freitag gegen 18 Uhr in der Nähe von Hardee’s stand, war Augenzeuge eines Angriffs auf eine etwa 40-jährige Ägypterin. Hier an der Kreuzung der Qasr-Al-Ainy und Mohammed Mahmoud Straße treiben sich die meisten der Dauerkrawallmacher herum, von hier geht ein Netz von schmalen, dunklen Seitengassen ab. Hunderte Männer umdrängten die Frau, die voller Panik um Hilfe schrie.

Sie lag auf dem Pflaster, völlig nackt


Die Menge drückt sie gegen den grünen, schmiedeeisernen Straßenzaun, dann verlor der Journalist sie aus den Augen, der vergeblich versuchte, an das Opfer heranzukommen. Als er sie in dem Gewühl das nächste Mal ausmachen konnte, lag sie auf dem Pflaster und war völlig nackt, ihr Gesicht starr vor Angst und Entsetzen. Einen jungen Täter konnte der Augenzeuge schließlich von dem Mob wegreißen. "Ich erwartete als Antwort einen Faustschlag oder zumindest ein Handgemenge", schrieb er. "Stattdessen grinste der mich nur an." Am Ende gelang es zwei, drei kräftigen Typen, die mit gezückten Ledergürteln auf die Angreifer eindroschen, das Opfer in einen Krankenwagen zu retten.

Sexuelle Belästigung ist in Ägypten extrem verbreitet, egal ob die Frauen verschleiert oder unverschleiert sind. Die häusliche Gewalt in den Familien ist hoch. Und besonders an Feiertagen, wenn die meisten jungen Männer in den Straßen herumhängen, häufen sich die Übergriffe. Viele junge Mädchen trauen sich an Festtagen nicht mehr auf die Straße, zu hoch ist ihnen das Risiko. Die Polizei aber schaut weg, ermittelt wird fast nie jemand.

Auch auf dem Tahrir-Platz herrscht eine Klima der Straflosigkeit. "Sie denken, sie können sich alles erlauben, denn niemand kann sie zur Verantwortung ziehen und bestrafen", sagte eine junge Helferin. Mehr als 100 Aktivisten von "Operation Anti-Sexual Harassment" und "Tahrir Bodyguard", die sich im November gegründet haben, patrouillierten am Freitag auf dem Tahrir-Platz, um Frauen zu warnen, zu schützen oder im Notfall in Sicherheit zu bringen. Die jungen Leute, die in Teams zu 15 Personen unterwegs sind, werden manchmal auch selbst angegriffen. "Oft jagt uns der Mob bis vor die Tür von unseren Rettungswohnungen. Letztes Mal versuchten die Vergewaltiger sogar, die Tür einzutreten und Feuer zu machen", berichtete ein freiwilliger Helfer im Internet. "Und ihre Zahl war absolut wahnsinnig."


(von Martin Gehlen)


Quelle: Handelsblatt

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1 Kommentar:

Janchen hat gesagt…

Irgendwie klingt das nach den Geschehnissen in Indien. Habe aber noch keinen Link gefunden, woraus ein Zusammenhang von Muslimen und Vergewaltigungen in Indien nachvollziehbar wird. Über Religionszugehörigkeit wird nirgends geschrieben.

Leider!