Fragment über
„Ehefrau Jesu“ vermutlich gefälscht
Washington (idea) – War Jesus verheiratet? Die US-amerikanische
Wissenschaftlerin Karen King von der Harvard Universität (Cambridge,
Bundesstaat Massachusetts) hatte 2012 ein in koptischer Sprache
verfasstes Schriftstück präsentiert, das den Satz enthielt „Jesus sagte
zu ihnen: ,Meine Ehefrau’.“ Journalisten interpretierten dies als
Hinweis darauf, dass Jesus eine sexuelle Beziehung zu Maria Magdalena
gehabt haben könnte. King war bislang der Meinung, dass das Schriftstück
echt und 1.200 Jahre alt sei. Jetzt musste sie aufgrund von Recherchen
des Magazins „The Atlantic“ (Washington) zugeben, dass es sich sehr
wahrscheinlich nicht um ein Original handelt. Die Recherchen des
Magazins hätten ergeben, dass die Dokumente zum Nachweis der Herkunft
des Papyrus scheinbar gefälscht seien.
Papyrus-Besitzer gründete Internetseiten mit pornografischen Inhalten
Unklar war bislang, wie das Schriftstück nach Cambridge gelangte.
King hatte über seinen Besitzer nie berichtet, weil die Person ihren
Angaben zufolge unerkannt bleiben wollte. Laut „The Atlantic“ handelt es
sich dabei um den in Florida lebenden 50-jährigen Walter Fritz. Er soll
in Süddeutschland aufgewachsen sein und an der Freien Universität
Berlin Ägyptologie studiert, aber keinen Abschluss gemacht haben. Fritz
veröffentlichte 1991 einen Artikel in dem Journal „Studien zur
Altägyptischen Kultur“ und arbeitete ferner als Führer im Ägyptischen
Museum Berlin. Von Oktober 1991 bis zum Frühjahr 1992 war er Direktor
der Berliner „Forschungs- und Gedenkstätte der Antistalinistischen
Aktion“ in der Normannenstraße (heute: Stasi-Museum), das sich in der
früheren Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit befindet.
Anschließend ging Fritz in die USA und war dort Mitinhaber eine Firma,
die mit Autoteilen handelte. Später gründete er laut „The Atlantic“
mehrere Internetseiten mit pornografischen Inhalten.
Laut Magazin stimmen einige Herkunftsnachweise nicht
Wie das Magazin bei seinen Recherchen herausfand, stimmen mehrere von
Fritz für den Papyrus beigebrachte Herkunftsnachweise nicht. So soll er
das Schriftstück gemeinsam mit fünf weiteren koptischen Papyri im
November 1999 in Venice (US-Bundesstaat Florida) für 1.500 Dollar von
dem 2002 verstorbenen Berliner Hans-Ulrich Laukamp erworben haben. So
stehe es jedenfalls in den von Fritz vorgelegten Dokumenten. Zu dem
Zeitpunkt habe Laukamp aber seine an Krebs erkrankte Ehefrau in
Deutschland gepflegt. Ferner soll Laukamp die Schriftstücke 1963 in
Potsdam erworben haben; allerdings hatte er die DDR bereits im Oktober
1961 Richtung Westdeutschland verlassen.
„The Atlantic“: Brief eines Professors für Ägyptologie wurde gefälscht
Für King war bei ihrer Einordnung des Schriftstücks bedeutend, dass
der Ägyptologe an der Freien Universität Berlin, Prof. Peter Munro
(1939–2009), in einem Brief an Laukamp bereits 1982 bestätigt haben
soll, dass er die Papyri geprüft und für authentisch gehalten habe. Auch
dieser Brief stellte sich nun laut „The Atlantic“ als Fälschung heraus:
Unter anderem habe die auf dem Brief angegebene Adresse von Laukamp, an
die Munro den Brief geschickt haben soll, nie existiert.
Neutestamentler: Entwicklung hat keine Auswirkungen auf unser Jesusbild
Wie der Professor für Neues Testament an der Freien Theologischen
Hochschule Gießen, Armin D. Baum, der Evangelischen Nachrichtenagentur
idea sagte, zeigt die aktuelle Entwicklung ein weiteres Mal, wie
vorsichtig man gegenüber bisher unbekannten Quellentexten sein müsse:
„Eine gesunde Skepsis ist unerlässlich.“ Auswirkungen auf „unser
Jesusbild“ habe das aber nicht. Denn der zentrale Satz des Fragments
habe sowieso nie belegt, dass Jesus verheiratet war: „Denn selbst wenn
das Fragment tatsächlich antik wäre, würde der darin enthaltene Text
frühestens aus dem 2. bis 4. Jahrhundert nach Christus stammen – einer
Zeit, in der viele frei erfundene Texte über Jesus entstanden sind.“
idea.de
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