Freitag, 24. Juni 2016

Immer so hübsch Männchen machen

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Wir waren’s, wer sonst?

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Wie erst der Westen die Moslems zu Schwulenhassern machte, was die Thailänder für Auschwitz können, und was für Trottel wir sind
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Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
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18.06.16 
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Gerade in aufgeheizten Situationen gilt es, genau zu differenzieren. Man hüte sich vor voreiligen Schlüssen, die pauschale Verurteilungen auslösen könnten.

Wir sprechen natürlich über das Massaker von Orlando im US-Bundesstaat Florida. Im Moment werde noch darüber gerätselt, ob der radikalislamische Täter aus religiöser Verblendung gehandelt habe oder bloß aus reinem Schwulenhass, hieß es tagelang auf allen Kanälen und in fast allen Zeitungen. Das scheint im Moment die brisanteste Frage überhaupt zu sein.

Ein interessantes Rätselraten. In derselben Logik könnten wir uns auch angestrengt fragen, ob die Judenmörder der 1940er Jahre aus der ideologischen Verblendung des Hitlerismus gehandelt haben oder bloß aus reinem Judenhass. 

Was diese blödsinnige Unterscheidung bitte schön soll, wollen Sie wissen? Ja, das hätten wir auch gern erfahren. Aber jetzt heucheln wir ein bisschen, denn die Antwort kennen wir doch: Es ist die alte „Hat alles nichts mit dem Islam zu tun“-Platte, die hier aufgelegt wurde.

Dass dieser mörderische Hass auf Schwule in islamischen Ländern besonders dicht gesät ist, kann indes auch der Gutmenschlichste kaum übersehen – ein Dilemma für die „Hat nichts mit dem Islam zu tun“-Fraktion. 

In der „Welt“ bietet eine Autorin immerhin eine elegante Lösung an: In islamischen Ländern finde sich zwar eine besonders ausgeprägte Homophobie. Die habe aber eigentlich keine lange Tradition. Kenntnisreich präsentiert sie uns zum Beweis Beispiele homo-erotisch angehauchter Literatur des muslimischen Mittelalters. 

Erst im 19. Jahrhundert habe Verklemmtheit Einzug gehalten, und die sei – Sie haben es geahnt – natürlich ein Werk der westlichen Kolonialmächte! Sprich: Wir sind schuld. Als Beweis führt die Autorin ein Werk aus dem   13. Jahrhundert an, das in Damas­kus Ende des 19. Jahrhunderts neu aufgelegt worden sei. Dabei habe man die einschlägigen Passagen in die letzen Seiten des Buches verbannt, damit „der Leser sie zur Not entfernen konnte“. Als der Band wenige Jahre später noch einmal in Beirut herausgebracht worden sei, hätten diese Passagen ganz gefehlt. Die „Welt“-Autorin führt das auf die „Zensurvorschriften der Kolonialmächte“ zurück, wobei der geneigte Leser, der zuvor vom unheilvollen Einfluss des „viktorianischen“ Westens auf die zuvor so tolerante islamische Welt gehört hatte, natürlich an Engländer, Franzosen oder Ähnliches denkt.

Wer aber war wirklich „Kolonialmacht“ in Beirut und Damaskus Ende des 19. Jahrhunderts? Es war das Osmanische Reich, dessen Sultan auch den Titel „Kalif“ trug. Islamischer geht’s kaum. Oder doch: In der Mitte der arabischen Halbinsel herrschten damals wie heute die Saudis, unter deren Regentschaft der Wahhabismus zur religiösen Richtschnur wurde. Dabei handelt es sich um jene radikalislamische Strömung, deren Anhänger man außerhalb Saudi-Arabiens „Salafisten“ nennt. Das sind diese zotteligen Koran-Verteiler, die Sie aus der Fußgängerzone kennen. 

Die Saudis hatten nie in ihrer Geschichte eine „westliche Kolonialmacht“ über sich, zumal sich vor der Entdeckung der Ölquellen ohnehin kaum jemand für ihre öde Heimat interessierte. Nur die Küstengebiete des heutigen Königreichs waren fremd beherrscht, aber nicht von Europäern, sondern wiederum von den Türken. Im staubtrockenen Hinterland blieben die Saudis weitestgehend unbehelligt und konnten in aller Ruhe und Abgeschiedenheit eine radikale Version des Islam ausbrüten, deren Auswüchse heutzutage die ganze Welt in Schrecken versetzen.

Also nichts mit „Schuld des Westens“. Was treibt die „Welt“-Autorin zu solch bemerkenswerten Verrenkungen, die dermaßen leicht zu widerlegen sind? Da wuchert allem Anschein nach eine Zwangsvorstellung hervor, die Ihnen auch schon des Öfteren begegnet sein dürfte. Sie zwingt die Befallenen dazu, in alles Unheil auf der Welt eine „Schuld des Westens“, der Europäer, des weißen Mannes oder, im Idealfall: der Deutschen hinein zu operieren. Wenn diese Schuld partout nicht belegt werden kann, dann wird sie eben konstruiert, und sei das Begründungsgebilde auch noch so schlampig zusammengeschraubt.

Was die Schuld der Deutschen angeht, laufen die Zwangsgesteuerten gerade wieder zur Hochform auf. Grünen-Chef Cem Özdemir wirft den Deutschen vor, „Komplizen“ des türkischen Völkermords an den Armeniern gewesen zu sein, weshalb wir eine „Mitverantwortlichkeit“ auf uns geladen hätten.

Kurz zur Sache: Deutschland kämpfte damals (1915) um sein Überleben, ein Riss zwischen Berlin und Konstantinopel hätte ein Katastrophe an der Südostflanke auslösen können. Was also hätte das Reich machen sollen, um die Türken zu stoppen? Genau das ist die schlaue Masche der Hypermoralisten: Sie legen dem Angeklagten Maßstäbe an, denen er nicht ums Verrecken gerecht werden könnte. Damit halten sie ihn unentrinnbar fest in der Falle des Sünders.

Dass es im vorliegenden Fall ausgerechnet ein türkischstämmiger Politiker ist, der den Zeigefinger in Richtung der Deutschen hebt, gibt der Aufführung einen besonders schrillen Klang. Man stelle sich vor, ein deutschstämmiger Abgeordneter im japanischen Reichstag ... ich weiß: Den gibt es nicht. Aber angenommen, es gäbe ihn, und er hielte den Japanern eine „Komplizenschaft“ bei Hitlers Judenmord vor, weil sie damals Verbündete Berlins gewesen seien.

Wie lange würde es dauern, bis ihm seine Partei (egal welche) nahelegt, sein Mandat niederzulegen und sich in aller Form beim japanischen Volk zu entschuldigen? Eine Viertelstunde? Drei Minuten? Überhaupt: Waren nicht auch die Thailänder mit den Achsenmächten verbündet? Ob die wohl Bescheid wissen über ihre damit zwingend verbundene „Komplizenschaft“ hinsichtlich Auschwitz? Ich befürchte, die haben keine Ahnung. Wird Zeit, dass Özdemir diese fernöstlichen Pharisäer mal ins Bild setzt. 

Er wird es natürlich nicht tun, und wir wissen warum: Das mit dem Überall-Mitschuld-Haben wird bekanntlich nur bestimmten Gruppen und Völkern untergejubelt. Besonders gern bei den Deutschen, weil die dann immer so schön Männchen machen und, wenn man ein bisschen Druck ausübt, sogar ein hübsches Sümmchen springen lassen.

Andere Völker reagieren auf solche Nachstellereien eher bodenständig, lachen den Ankläger aus oder ziehen ihm verbal ordentlich eins über. Wer käme auf die Idee, Amerikaner oder Briten für die Verbrechen von Roter Armee und Stalin-Regime an deutschen Zivilisten und etlichen osteuropäischen Völkern mitverantwortlich zu machen, nur weil die Westmächte damals Verbündete des Kreml waren? Niemand.

Blitzschnell werden die Maßstäbe danach neu aufgestellt, um welches Volk es sich handelt. So viel zur gepriesenen „Gleichheit aller Menschen“. War wohl nicht so gemeint. Wobei immer diese quälende Frage auftaucht, wer oder was überhaupt „deutsch“ ist. Jahrzehntelang haben wir gelernt, dass wir im Grunde ein buntes Mischvolk seien. Seit Cäsars Zeiten (spätestens!) hätten alle möglichen Ethnien das Ihre hineingetragen, sodass es sowas wie „deutsch“, gar „rein deutsch“, eigentlich nicht gäbe.

Stimmt auf einmal nicht mehr: Mit seinem erstaunlichen Rück­griff auf die völkische Erbguttheorie hat Wolfgang Schäuble auf einmal „Inzucht“, also ein krank machendes Übermaß an „Reinrassigkeit“, bei uns entdeckt, das dringend nach massiver ausländischer Blutauffrischung rufe (siehe Kommentar Seite 8). Was für eine sportliche Wende! 

Die Demoskopen fragen immer, wie wir Deutsche unsere Politiker finden. Vielleicht sollten die umgekehrt mal untersuchen, was die Politiker eigentlich über uns, die deutschen Bürger, denken? Sie scheinen uns für ausgemachte Trottel zu halten.



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