Es gibt keine Alternative zum Wähler
Das Erstarken der Populisten ist das Versagen der Politik.
Die Brexit-Entscheidung der Briten ist dabei nur der letzte von
zahlreichen Warnschüssen, die im etablierten Poltitikbetrieb offenbar
niemand hören wollte oder konnte. Wo Populisten stark werden, ist die
Politik nicht populär (genug).
Demokratie hat keinen Numerus Clausus. Vor allem aber ist Demokratie
kein Spiel, bei dem immer der Gute gewinnt. Die EU, gegen die die
Brexit-Kampagneros nun erfolgreich zu Felde zogen, ist dabei eine Art
Paradebeispiel, bei dem sich die politischen und vor allem auch die
Wirtschaftseliten einig waren, dass es eine gute Sache sei. Wer das
nicht begriff, wurde belächelt. Wer darauf hinwies, dass die Menschen in
anderen Bezugsrahmen denken, sich nicht mit Binnenmärkten
identifizieren, die Gängelung aus Brüssel aber sehr wohl registrierten,
die Segnungen von dort aber nicht, der wurde rasch beiseite geschoben.
Neue Beitrittskandidaten, Euro, Euro-Rettung - lieber nicht die Wähler
mitreden lassen, könnte ja schiefgehen.
Jetzt ist es schiefgegangen
Brexit, AfD, FPÖ-Gewinne, Trump-Aufstieg: All das ist mehr als eine
politische Mückenplage. Hinter diesen Effekten verbirgt sich ein
typischer Unten-Oben-Konflikt, allerdings ohne traditionelles
Klassenkampf-Modell. In anderen Zeiten hätte das zu Revolutionen oder
Aufständen geführt. All jene Bewegungen, bei denen wir in den
Nachrichten die Einordnung „rechtspopulistisch“ dem dummen Konsumenten
gleich mitliefern, mobilisieren aus dem Nichtwähler-Potenzial. Menschen,
die das Mitwirken am politischen Prozess längst aufgegeben und
resigniert haben, kehren zurück, weil jemand ihre Sprache spricht und
vor allem, weil er das etablierte System frontal angreift.
Mit anderen Worten: Es sind Menschen, die mit dem alltäglichen Ringen
um politische Sachkompromisse schon nicht mehr erreichbar sind, denen
es egal ist, ob am EEG rechts oder links gefeilt wird oder wer sich bei
der Erbschaftssteuerreform durchsetzt. Die Abwesenheit dieser Menschen
im demokratischen System ist so lange nicht aufgefallen, wie sie sich im
Nichtwählerlager aufhielten, denn die Prozentsätze der etablierten
Parteien werden von den abgegebenen Stimmen berechnet, nicht von den
theoretisch möglichen. Sobald sich jedoch eine Projektionsfläche in
Gestalt einer neuen Partei, einer Volksabstimmung oder eines irgendwie
neuen Kandidaten bietet, sind sie wieder da. Und schlagen zurück,
bekämpfen ein System, dass glaubte, sich um sie nicht scheren zu müssen.
Die Strategie der asymmetrischen Demobilisierung, die gerade darauf
abzielt, mit politischen Ideen so zu jonglieren, dass immer die Gleichen
regieren, ist ein Katalysator dieser Entwicklung.
Genau deshalb gilt es, die Alarmsignale endlich zu sehen und
ernstzunehmen. Es gibt keine Alternative zum Wähler. Wird er von den
großen Parteien nicht abgeholt, richtet er sich in eigenen Milieus
(Pegida, AfD etc) ein, züchtet im Netz seine eigenen Wahrheiten, wartet
auf eine Chance zum Eingreifen.
Irgendwann kocht die Suppe über
Eine Europäische Union, die keiner versteht, lebensfremder
Gender-Quark, Quotenregelungen für Aufsichtsräte oder Vorstände, bei
denen die Eliten ihre Kontonummern austauschen, aber bei der
Discounter-Kassiererin nichts besser wird, eine Flüchtlingspolitik, die
Einheimische zu willenlosen Erduldern eines von oben geregelten
Weltgeschicks degradiert, Metropolen-Eliten, die bei Buntheit und
Lebensstil den Ton angeben, Denken in nationalen Bezügen als überwunden
verachten, ein Bundestag ohne wirkliche Opposition, Medien, die sich im
wesentlichen einig sind und mehr oder weniger als Einheitsfront mit der
Politik gesehen werden... All das reichert sich untergründig an und
bricht irgendwann aus.
Wenn die Parteien verlorene Wähler zurückgewinnen wollen - und das
müssen sie, wenn das demokratische System weiter funktionieren soll -
muss auch der dumpfe, vermeintlich falsche oder gestrige Wähler
erfahren, dass man ihm zuhört. Wenn es weiter darum geht, dass der
Wähler sich hinter der Funktionärsdoktrin aufstellen oder sich zum
Teufel scheren kann, wird er sich zum Teufel scheren. Und mit diesem
wiederkommen.
Der Vergleich des Historikers Paul Nolte mit dem Anfang der 30er
Jahre klingt dramatisch, stimmt aber insofern, als es eine Art
demokratisches Lotto-Spiel ist, welche Bewegung das Glück hat, aktiv zum
Zuge zu kommen. Jetzt war es Brexit, demnächst vielleicht Le Pen? Wenn
die Präsidentenwahl in Österreich tatsächlich wiederholt wird, könnte
die FPÖ demnächst erstmals in die erste Reihe der aktiven Politik
eintreten.
Ralf Schuler
Achse des Guten
....
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